Andrea Sawatzki war Kommissarin im „Tatort“ und hat in zahllosen Filmen mitgespielt. Trotzdem wartet die erfolgreiche Schauspielerin noch auf eine Rolle, die sie richtig fordert. Die StZ-Autorin Adrienne Braun ist Sawatzki in Stuttgart begegnet.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Es gibt Schauspieler, die tagein, tagaus über die Mattscheibe flimmern – und trotzdem ist man sich nie sicher, ob man sie vielleicht doch verwechselt. Bei Andrea Sawatzki gibt es kein Vertun. Man muss gar nicht all die Jahre verfolgt haben, wie sie als Charlotte Sänger im Frankfurter „Tatort“ ermittelte. Man hat sie einmal gesehen – und vergisst dieses ungewöhnliche, diese ungeheuer markante Gesicht nicht mehr. Der Mund groß, die Augen strahlend. Blass und zart einerseits, aber auch kess und übermütig mit ihren zahllosen lustigen Sommersprossen. Wer ist diese Frau, der der Wahnsinn feurig aus den Augen springen kann – und die plötzlich wieder frohgemut strahlt mit ihrem schier meterbreiten Grinsen?

 

Andrea Sawatzki gehört zur Riege der erfolgreichen deutschen Schauspielerinnen. Sie steht seit mehr als zwanzig Jahren vor der Kamera, hat in Fernsehserien und Kinofilmen mitgespielt – sei es in Dieter Wedels „Der König von St. Pauli“ oder in Doris Dörries „Klimawechsel“, in „Bella Block“ und „Polizeiruf 110“, in der Thomas-Mann-Verfilmung „Die Manns“ oder in „Die Apothekerin“. Trotzdem wartet Andrea Sawatzki immer noch auf die eine, die große Traumrolle. „Ich habe nicht das Gefühl, dass ich jemals eine Rolle gespielt habe, die wirklich von mir losgelöst durchs Leben geht“, sagt sie. Viele Figuren waren ihr schlicht zu einfach. „Ich hätte gern mal eine Rolle, die mich wirklich vollkommen herausfordert.“

Aus der „Tatort“-Kommissarin war nichts mehr rauszuholen

Deshalb hängte Sawatzki auch nach acht Jahren den „Tatort“ an den Nagel. Sie hat die Charlotte Sänger gern gespielt, „aber ich hatte gehofft, dass mehr in ihr steckt“. Sie hat sie als eine Frau gesehen, die noch etwas abzuarbeiten hat, in der kriminelle Energie schlummert. Es hat sie ein wenig enttäuscht, dass sie nicht die Möglichkeit hatte, mehr aus dieser Frankfurter Kommissarin herauszuholen. „Aber wenn man stagniert, sollte man aufhören.“

Ohnehin gibt es genug anderes zu tun. Als Kind wollte Sawatzki immer schreiben – so wie ihr Vater, der Journalist war. Es wurde nichts daraus, „Ich habe eine andere Ausdrucksform gesucht“, sagt sie, „ich habe diesen Weg gebraucht.“ Im vergangenen Jahr aber hat sie plötzlich mit dem Schreiben begonnen. Zunächst waren es nur Erinnerungsfetzen aus ihrer Kindheit, den Jahren, als sie ihren an Alzheimer erkrankten Vater pflegte. „Ich habe mich vor der Zeit gedrückt“, sagt Sawatzki. Sie ist inzwischen Mutter von zwei Söhnen – und hatte zunehmend das Gefühl, sie könne den Buben nur eine gute Mutter sein, wenn sie sich ihrer eigenen Kindheit stellt, wenn sie schaut, „was mich damals verletzt hat“. Aus den Erinnerungen wurde der Krimi „Ein allzu braves Mädchen“. Nach nur einem Jahr ist schon das zweite Buch herausgekommen, mit dem Sawatzki nun auch bei den Stuttgarter Buchwochen zu Gast ist: „Tief durchatmen, die Familie kommt“.

Mit ihrer Romanfigur hat sie nicht viel gemein

Nein, so wie diese Gundula ist Andrea Sawatzki nicht. Gundula ist schrecklich, sie will es allen recht machen, dem faulen Ehemann, den verzogenen Kindern, der Verwandtschaft. Das Weihnachten, das Sawatzki komödiantisch schildert, gerät zum Albtraum. „Gundula hat schon Ähnlichkeiten mit mir“, sagt Sawatzki, „aber ich bin nicht so chaotisch und habe mir den Perfektionismus abgewöhnt.“ Aber auch sie kann nicht kochen. „Aber ich habe Glück, dass mein Mann gern kocht und sehr gut.“

Dieser Mann ist Christian Berkel, auch er ist ein gefragter Schauspieler für Film und Fernsehen. Sie sind schon lang ein Paar, leben zusammen in Berlin mit den Söhnen und drei Hunden – und obwohl beide viel unterwegs sind – mit ihrem ersten Buch hatte Sawatzki allein 53 Lesungen –, klappe es gut mit der Betreuung der Kinder. Zur Not springt eine Freundin oder auch mal Sawatzkis Mutter ein. „Das funktioniert alles“, sagt sie.

Funktioniert es zu gut? Sawatzki vermutet, dass sie mit ihrem geordneten Familienleben der Regenbogenpresse nicht genug Futtert liefert und es deshalb fast nur noch um ihr Äußeres geht. Sie ist eine gestandene Schauspielerin, aber im Internet und in der Klatschpresse dreht sich fast alles um ihr Dekolleté, weil ihr Ausschnitt bei „Wetten, dass . .?“ etwas zu tief war, unbeabsichtigt. „Ich hab das echt nicht nötig“, sagt sie. Und die Aufnahmen für den „Playboy“? „Mich hat dieses Gerede genervt, dass man sich mit vierzig nicht mehr zeigen kann“, sagt sie. Aber sie räumt auch ein, dass sie, dieses zerbrechliche, zarte Persönchen mit federleichtem Handschlag, manchmal ein rechter Dickschädel sein kann. Wenn alle raten, etwas nicht zu tun, dann mache sie es erst recht – aus purem Trotz.

Ja, singen kann sie auch noch

Andrea Sawatzki macht ihr Ding. Die Fünfzigjährige will nicht tatenlos warten, dass man ihr eine Rolle anbietet, „sondern es ein bisschen beschleunigen“. Deshalb ist sie immer selbst auf der Suche nach Stoffen – fürs Fernsehen, nicht fürs Kino. „Ich traue dem Kino gerade nicht. Ich möchte lieber Fernsehfilme machen, die die Leute dann auch sehen.“ Ihre Bücher sollen verfilmt werden – mit ihr. Und irgendwann will sie auch einen Psychothriller drehen. „Ich hab schon eine Idee – und ich könnte mitspielen“.

Nur das Theater hat sie aus dem Blick verloren. Dabei hat Sawatzki ganz klassisch angefangen: Schauspielschule in München, Lehrjahre am Theater von Wilhelmshaven, in München Kinder- und Jugendtheater. Auch in Stuttgart hat sie gespielt – in Brechts „Baal“, während der Intendanz von Ivan Nagel. Weil sie doch Sehnsucht hatte, ihrem Publikum auch mal persönlich zu begegnen, hat sie wieder mit dem Singen angefangen und tritt mit einer Band auf – mit Liedern von Kreisler, Grönemeyer und Wir sind Helden.

Am 18. Dezember wird sie im Stuttgarter Theaterhaus singen – danach aber sind Ferien angesagt. Zwei Wochen nur für die Familie. Sie und ihr Mann wollen die Zeit für Kultur nutzen und mit den Söhnen ins Theater und ins Konzert gesehen. „Sie protestieren schon“, sagt Sawatzki. So, wie es sich für Jungs mit elf und vierzehn gehört.

Termine in Stuttgart

Sie
bezeichnet ihr neues Buch selbst als schwarze Komödie. „Tief durchatmen, die Familie kommt“ handelt von einer Frau in der Mitte des Lebens, die es allen recht machen will – und im Chaos versinkt. Am Mittwoch, 4. Dezember, liest Andrea Sawatzki um 19.30 Uhr bei den Stuttgarter Buchwochen aus ihrem neuen Roman – im Einrichtungshaus Firnhaber in der Talstraße 124.Als junge Schauspielerin sang Sawatzki an spielfreien Abenden Brecht, Weill und Holländer. Am 18. Dezember, 20.15 Uhr, tritt sie mit ihrer Band im Theaterhaus auf mit deutschsprachigen Songs.