Der Kulturschaffende Christian Dosch ist Teil einer Generation, für die Karriere nicht alles ist. Was aber nicht heißt, dass er bürgerschaftliches Engagement scheuen würde – im Gegenteil. Mit erhobenem Zeigefinger tritt er aber nicht auf. Ein Porträt.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Wenn einer sein Umfeld, seine Stadt besser machen möchte, kippt der gute Wille nicht selten um in anstrengendes Sektierertum. Nicht bei Christian Dosch. Der 34-Jährige arbeitet sich behutsam an seinem Stuttgart ab. Als sachkundiger Bürger im Kulturausschuss des Gemeinderats setzt er sich für Kultur ein. Als Leiter der Film Commission der Region Stuttgart hält er Filmproduktionen, die in Stuttgart drehen wollen, den Rücken frei. Und als digitaler Aktivist teilt er sinnvolle Ideen der Stadtentwicklung aus anderen Städten bei Facebook.

 

An der Person Doschs lässt sich zeigen, wie sich der Wunsch nach einem sinnvolleren Leben in der Generation der um die 30-Jährigen äußert. Man sollte mit Verallgemeinerungen immer vorsichtig sein, scheinbar reicht es dieser Generation aber nicht mehr aus, die Karriereleiter nach oben zu hecheln. Christian Dosch hat seine beruflichen Erfolge in einer besonders selbstreferenziellen Branche gefeiert: beim Film. Bei erfolgreichen Streifen wie „Keinohrhasen“ oder „Wickie und die starken Männer“ sorgte er in der Produktionsabteilung für reibungslose Abläufe.

Erstmal über Basketball-Regeln gestritten

Das Beschäftigen mit dem eigenen Umfeld begann dann auf ganz spielerische Weise: auf einem Basketballplatz in Berlin-Kreuzberg. „Offen gesprochen war ich jahrelang mit eher eingeschränktem Interesse für die Außenwelt unterwegs. Ich wollte unbedingt in der Filmwelt Karriere machen. In der Zeit habe ich mich unter einer Glocke befunden“, erinnert sich Dosch. Nach seinem Studium an der Hochschule der Medien in Stuttgart hat Dosch in München und Berlin gelebt. „Nach ,Wickie’ hatte ich 2009 das erste Mal länger frei. Da habe ich angefangen, vor dem Haus in Kreuzberg mit Jugendlichen Basketball zu spielen. Das war spannend, weil wir zuerst über Regeln streiten mussten. Berlin regt an zur Eigeninitiative, weil die Kommune an vielen Stellen auf dem Rückzug ist.“

Nach Stuttgart kam er dann wegen des Jobs bei der Film Commission zurück – und fand eine veränderte Stadt vor. „Während des Studiums hatte ich keine Verbindung zu Stuttgart aufbauen können, ich bin nur zwischen der WG im Westen und dem Campus in Vaihingen gependelt“, sagt der gebürtige Augsburger. Auf einmal habe er aber eine veränderte Stadt vorgefunden: „Wegen der S-21-Auseinandersetzung gab es hier wahnsinnig viel Energie. Der Wunsch, sich mit der Umgebung auseinanderzusetzen und diese zu gestalten, war an jeder Ecke zu spüren.“

Gegen so manche Wand gerannt

Seit dieser Zeit lässt Dosch eine Frage nicht mehr los: „In welcher Stadt wollen wir leben?“ Bei seinem Wunsch nach Mitbestimmung ist Dosch gegen so manche Wand gerannt, wie er sagt. „Ob Einmischen etwas bringt, kann ich noch gar nicht sagen. So sehr hat es sich bei mir selbst noch nicht gelohnt. In den Diskussionen zum SWR, zur Kulturpolitik, zu Film und Medien in Stuttgart habe ich bisher mehr Niederlagen eingesteckt als Erfolge gefeiert.“ Dosch hat sich für den Erhalt des Kommunalen Kinos eingesetzt – bisher vergeblich. Als er in einem offenen Brief die miserable Qualität des Fernsehprogramms des SWR kritisierte und den Sender dazu aufforderte, stärker auf das Know-How der hiesigen Hochschulen zurückzugreifen, stand er kurz vor dem beruflichen Aus: Die Film Commission ist Teil der Wirtschaftsförderung der Region Stuttgart. Im Dienst der öffentlichen Hand musste Dosch erst lernen, dass zum Einmischen auch eine Prise Diplomatie gehört.

„So charmant, so lässig kann Stuttgart sein“

Dosch ist ein Kreativer, aber keiner, der spinnerte Ideen nicht zu Ende denkt, sondern einer, der es versteht, Netzwerke aufzubauen und fernab von verkrusteten Parteien Ideen voranzutreiben – ohne mit dem erhobenen Zeigefinger zu verschrecken. Sein derzeitiges Lieblingsprojekt: die Villa Berg. Gemeinsam mit Mitstreitern hat er das Blog „Occupy Villa Berg“ gegründet. Das Team setzt sich für eine kreative Nutzung des Objekts im Stuttgarter Osten ein.

An diesem Wochenende wird Dosch aber eher im Süden zu finden sein: „Ein schönes, konkretes Beispiel für den Erfolg des Einmischens ist das Marienplatzfest. So charmant, so lässig kann Stuttgart sein. Und das passiert nicht, wenn die Stadt Feste plant, sondern wenn Leute wie Reiner Bocka vom Café Galao als Veranstalter sich einmischen. Davor ziehe ich meinen Hut.“