„Am Anfang seines Medizinstudiums kam mein Sohn einmal ganz aufgeregt zurück und erzählte, seine Professoren fänden mich die coolste Mutter der Welt.“ Lily Brett kichert. Sie dachte, die Professoren hätten einen ihrer mittlerweile sieben Gedichtbände gelesen: „Dabei kannten die mich aus der Musiksendung, die ich Jahre zuvor im Fernsehen moderiert hatte.“ Mit dem Rockjournalismus war Lily Brett damals allerdings längst durch. Sie mag Cher ihr bestes Paar künstlicher Wimpern geliehen haben, aber das behielt sie für sich. „Mein Analytiker sagte einmal, die meisten seiner Patienten hätten Probleme mit ihrer Erfolglosigkeit. Ich hingegen habe Probleme mit meinem Erfolg.“

 

Der Journalismus führte Lily Brett zur Belletristik – eher zufällig, wie sie überhaupt das meiste dem Zufall verdankt, was sich für sie als wichtig erwiesen hat. „Ich wurde mit 22 zum ersten Mal Mutter. Seither bin ich hauptsächlich damit beschäftigt, die beste Mutter der Welt zu sein“, sagt sie. Ihre Prioritäten sind dieselben geblieben: An erster Stelle kommt die Familie – ihr Mann, ihre drei erwachsenen Kinder –, und erst an zweiter folgt das Schreiben. Aber als Lily Brett ihr literarisches Potenzial einmal entdeckt hatte, packte sie der Ehrgeiz.

Wie nah Komik und Tragik beieinander liegen

Nicht nur in New York, wo die Autorin seit 1989 lebt, wird Lily Bretts selbstironischer Stil oft mit dem von Woody Allen verglichen. Die belletristische Mischung aus Komik und Tragik, aus Autobiografie und Fantasie gefällt ihrem großen Publikum.

Aber wie für die Töchter in ihren Büchern, die wieder gutzumachen versuchen, wofür sie keine Schuld tragen, scheint für Lily Brett Glückseligkeit nicht drin zu sein. Die Toten ist sie nämlich nie losgeworden: „Ich werde nie zu den Leuten gehören, die das Leben mit blauem Himmel, einer vielversprechenden Zukunft und Eiscreme verbinden.“ Und was ist mit Schokolade? Lily Brett seufzt und lacht: „Ich wette, dass ich noch mit neunzig Nein zu Schokolade sagen werde.“

Lily Brett – von Bayern über Melbourne nach Soho

„Ich hatte immer das Gefühl, von Toten umgeben zu sein“, sagt Lily Brett. Eine leise, doch vollklingende Stimme, große dunkle Augen unter dichten Locken, ein Mund, der sich manchmal zu einem feinen Lächeln verzieht. Aber nicht jetzt. „Am Anfang gab es nur meine Mutter, meinen Vater und mich. Ich spürte die Einsamkeit derjenigen, die am Leben geblieben sind.“ Die kleine Gemeinschaft jüdischer Emigranten aus Europa, in der die Familie sich bewegte, vermittelte Lily Brett ein wenig Sicherheit. „Die Figuren in meinen Büchern verkörpern die Menschen, mit denen ich groß geworden bin“, erklärt Lily Brett. Menschen wie die Zeplers in „Einfach so“, dem Porträt einer jüdischen Mittelschichtsfamilie in New York, das Lily Brett 1994 zum Durchbruch verhalf. Menschen wie der lebensfreudige Edek und seine nicht ganz so lebensfreudige Tochter Ruth Rothwax in ihrem vorletzten Roman „Chuzpe“. Darin geht es wie in Bretts Werken davor um Protagonistinnen, deren Eltern dem Holocaust entkommen sind und die sich nun zwar ziemlich erfolgreich durchs eigene Leben manövrieren, aber stets darüber erstaunt sind, überhaupt am Leben zu sein.

Interviews mit Jimi Hendrix, Janis Joplin und Mick Jagger

Lola Bensky in Lily Bretts gleichnamigem neuem Roman ist eine blutjunge Rockjournalistin, die für ein australisches Magazin Stars interviewt: Jimi Hendrix, Janis Joplin, Jim Morrison. In London, New York, am legendären Monterey International Pop Festival von 1967 in Kalifornien. Lola ist dick. Mit Mick Jagger unterhält sie sich über Weißkohl im Ghetto von Lodz – eine der wenigen Geschichten, die sie von ihrem Vater gehört hat. Mick Jagger ist fassungslos. Lola ebenfalls. Eigentlich hatte sie ihn nach seinem Verhältnis zu Brian Jones und Keith Richards befragen wollen.

Als Lily Brett pummelig wurde, setzte ihre Mutter sie auf Diät. „Im Lager waren nur die Aufseher gut genährt“, sagt Lily Brett. Eine mollige Tochter war für ihre Mutter ein Schlag ins Gesicht. Lily Brett hätte alles getan, um die Traurigkeit zu vertreiben, die ihre Mutter stets umgab. Sie war auch bereit, Apfel-Banane-Eier-Diät zu halten bis in alle Ewigkeit. Nur wurde sie davon nicht dünner und ihre Mutter nicht glücklicher. Stattdessen nahm Lily Brett eine Stelle bei einem Rockmagazin an. Sie hatte ihren Highschool-Abschluss vermasselt, indem sie die Abschlussprüfungen schwänzte, um sich im Kino „Psycho“ anzusehen. Wie Lola Bensky.

Die coolste Mutter der Welt

„Am Anfang seines Medizinstudiums kam mein Sohn einmal ganz aufgeregt zurück und erzählte, seine Professoren fänden mich die coolste Mutter der Welt.“ Lily Brett kichert. Sie dachte, die Professoren hätten einen ihrer mittlerweile sieben Gedichtbände gelesen: „Dabei kannten die mich aus der Musiksendung, die ich Jahre zuvor im Fernsehen moderiert hatte.“ Mit dem Rockjournalismus war Lily Brett damals allerdings längst durch. Sie mag Cher ihr bestes Paar künstlicher Wimpern geliehen haben, aber das behielt sie für sich. „Mein Analytiker sagte einmal, die meisten seiner Patienten hätten Probleme mit ihrer Erfolglosigkeit. Ich hingegen habe Probleme mit meinem Erfolg.“

Der Journalismus führte Lily Brett zur Belletristik – eher zufällig, wie sie überhaupt das meiste dem Zufall verdankt, was sich für sie als wichtig erwiesen hat. „Ich wurde mit 22 zum ersten Mal Mutter. Seither bin ich hauptsächlich damit beschäftigt, die beste Mutter der Welt zu sein“, sagt sie. Ihre Prioritäten sind dieselben geblieben: An erster Stelle kommt die Familie – ihr Mann, ihre drei erwachsenen Kinder –, und erst an zweiter folgt das Schreiben. Aber als Lily Brett ihr literarisches Potenzial einmal entdeckt hatte, packte sie der Ehrgeiz.

Wie nah Komik und Tragik beieinander liegen

Nicht nur in New York, wo die Autorin seit 1989 lebt, wird Lily Bretts selbstironischer Stil oft mit dem von Woody Allen verglichen. Die belletristische Mischung aus Komik und Tragik, aus Autobiografie und Fantasie gefällt ihrem großen Publikum.

Aber wie für die Töchter in ihren Büchern, die wieder gutzumachen versuchen, wofür sie keine Schuld tragen, scheint für Lily Brett Glückseligkeit nicht drin zu sein. Die Toten ist sie nämlich nie losgeworden: „Ich werde nie zu den Leuten gehören, die das Leben mit blauem Himmel, einer vielversprechenden Zukunft und Eiscreme verbinden.“ Und was ist mit Schokolade? Lily Brett seufzt und lacht: „Ich wette, dass ich noch mit neunzig Nein zu Schokolade sagen werde.“

Lily Brett kommt nach Stuttgart

Lily Bretts aktueller Roman „Lola Bensky“ ist im Suhrkamp Verlag, Berlin, erschienen (304 Seiten, 19,95 Euro). Die Übersetzung aus dem Englischen hat Brigitte Heinrich besorgt. (Eine ausführliche Rezension folgt auf der Seite „Das Buch“.) Lily Brett ist am 26. September zu Gast im Literaturhaus Stuttgart. Julika Griem moderiert, aus der deutschen Übersetzung von „Lola Bensky“ liest Gabriele Hintermaier.