Gvido Esmanis malt mit Leidenschaft Bilder und formt Plastiken – als Künstler sieht er sich aber nicht. Das liegt daran, dass er wahre Kunst mit großer Ehrfurcht betrachtet.

Korntal-Münchingen - Kunst, so heißt es, liegt im Auge des Betrachters. Für die einen ist Kunst der Oberbegriff für alles, was in einem kreativen Prozess entstanden ist. Andere definieren die Kunst enger. Zu Letzteren gehört auch Gvido Esmanis. Der 63-jährige Münchinger, der jüngst den ersten Münchinger Kunsttag auf die Beine gestellt hat, nennt sich deshalb auch nicht Künstler, obwohl er mit Leidenschaft malt und Plastiken aus Ton herstellt. Esmanis nennt sich „Freiwerker“ – und weil Kunst eben tatsächlich im Auge des Betrachters liegt, soll jeder selbst entscheiden, in welche Kategorie die Werke des 63-Jährigen fallen.

 

Zur Kunst, oder zum „Freiwerken“, ist Esmanis erst über Umwege gekommen. Er habe „nicht schon immer gemalt“, es war auch nicht der eine, schicksalshafte Lebensweg für ihn. Esmanis hat fast fünfzig Jahre lang in der freien Wirtschaft gearbeitet. In dieser Zeit hat er einmal mit einer Kunstpädagogin Seminare für Führungskräfte organisiert, bei einem gehörte die Arbeit mit Ton dazu. Esmanis fand das spannend, machte selbst mit – und blieb dran: „Es hat mich gepackt.“

Ein „Freiwerker“ und Pferdenarr

Später hat er auch angefangen zu malen – „aber ich komme immer wieder zurück zum Ton“. Seine mal gegenständlichen, mal abstrakten Bilder und die Plastiken drehen sich in der Regel um ein Motiv: Pferde. Esmanis ist nicht nur leidenschaftlicher „Freiwerker“, sondern auch Pferdenarr. Auch zu dieser Liebe kam er mehr oder weniger durch Zufall. Ausgangspunkt davon war eine lettische Volkstanzgruppe. Esmanis, der 1953 in Stuttgart geboren wurde, hat lettische Wurzeln, und die Volkstanzgruppe hat er geleitet – und im Rahmen des wöchentlichen Trainings mit einer Reitstunde für Abwechslung sorgen wollen. Dieser spontanen Idee folgten Jahre des Reitunterrichts; Esmanis sagt über sich, er sei „ambitioniert“ gewesen, „aber nie ein engagierter Turnierreiter“.

Es war auch ein Pferd, das Esmanis zu seinem Atelier und der Werkstatt in der Ziegeleistraße in Münchingen geführt hat. Denn auf dem Hof, auf dem Esmanis und einige weitere kreative Köpfe heute arbeiten, standen früher Pferde. Auch das Pferd von Gvido Esmanis. Die alten Scheunen hat Esmanis seither umgebaut, über ein Jahr, abends nach der Arbeit. Die Pferde, die dort heute noch zu sehen sind, befinden sich auf Leinwänden oder sind aus Ton. In fast jedem von Esmanis’ Werken spielt das Pferd eine Rolle; der 63-Jährige ist von den Tieren fasziniert. Mit seiner Frau zusammen hat er auch selbst ein Pferd. Er sieht die Tiere als „Gottesgabe“, als „unschätzbares Kulturgut“ – und wohl auch als Muse. Nicht immer sind die Züge der Tiere auf Esmanis’ Bildern klar auszumachen, aber irgendwo ist dann doch meist ein schwungvoller Nacken zu sehen oder eine mit Strichen angedeutete Mähne. Kunst ist das alles, um darauf zurückzukommen, in Esmanis’ Augen nur bedingt. „Ich trete nicht an, um Kunst zu machen.“ Schon eher: Deko. Denn Esmanis unterscheidet bei der Frage, was Kunst ist: Ist es wirklich Kunst, oder Deko, oder Kitsch? Daraus setzt sich der Begriff „Dekukismus“ zusammen, den Esmanis geprägt hat. Seine Ansicht: Nicht alles, was kreativ geschaffen wird, ist auch Kunst – denn die ist in seinen Augen rar und setzt eine besondere Gabe voraus. Der Grund, warum Esmanis das macht, was er macht, ist ein anderer: Er möchte Dankbarkeit zeigen, die er nicht zuletzt wegen zweier schwerer Unfälle empfindet. „Zu 95 Prozent“, sagt Esmanis, „bin ich ein Kasper, der sich freut, noch zu leben, zu riechen, zu schmecken, zu sehen und zu fühlen.“