Die Öffentlichkeit kennt Markus Weinzierl vor allem wegen seiner impulsiven Auftritte an der Seitenlinie und als Schiedsrichter-Nervensäge. Doch der neue Trainer des VfB Stuttgart hat auch eine andere Seite.

Sport: Gregor Preiß (gp)

Stuttgart - Markus Weinzierl dürfte sich in Stuttgart noch gut auskennen. Schließlich hat er hier zwei Jahre seines Fußballerlebens verbracht. Ende der 1990er war das, bei den Kickers in der zweiten Liga. Am Ende standen 40 Spiele, ein Tor und der Abstieg. Keine besonders ruhmreiche Zeit, wie die gesamte Spielerkarriere des Straubingers nicht den ganz großen Glanz versprühte. Einen Großteil seiner Karriere verbrachte der Defensivspezialist bei der zweiten Mannschaft des FC Bayern München, wo es in vier Jahren nur einmal für einen Platz im Profikader reichte. Weinzierls weitere Stationen: Spvgg Unterhaching und Jahn Regensburg. Dort startete er parallel zu einem Lehramtsstudium seine erfolgreiche Trainerlaufbahn.

 

Kein Geld, keine Hoffnung, keine Perspektive, lauteten die Startbedingungen. Der neue Trainer des VfB Stuttgart machte das Beste draus, führte die Oberpfälzer mit dem geringsten Drittligaetat in die zweite Liga. Um anschließend nach Augsburg zu wechseln und mit dem FCA die Bundesliga aufzumischen. Wieder waren die Voraussetzungen nicht die allerbesten – aussichtslos erscheinende neun Punkte nach der Hinrunde machten dem Bundesliga-Novizen auch in Augsburg das Trainerleben schwer.

Experte für knifflige Situationen

„Wir waren komplett abgeschrieben“, erinnert sich der 43-Jährige, der zum ersten Mal als Krisenmanager gefordert war. Er gab sich weniger kumpelhaft, verbannte Spieler auf die Tribüne und änderte das Spielsystem. Dem FCA gelang die wundersame Rettung, Manager Stefan Reuter frohlockte: „Ich habe noch keinen Trainer erlebt, der selbst in schwierigen Situationen so sachlich und klar auftritt wie er.“ Es folgten drei weitere äußerst erfolgreiche Jahre mit den bei den Gegnern ob ihrer giftigen und laufstarken Spielweise gefürchteten Augsburgern. Höhepunkt: der Einzug in die Europa League.

Weinzierl war der hellste Stern am Trainerhimmel. Und wenig später auf der nächsten Stufe der Karriereleiter angekommen – mit der wohl größten Herausforderung im deutschen Profifußball: Trainer auf Schalke. „Ein ruhiger, zurückhaltender Typ“, erinnern sich Weggefährten und zeichnen damit das Gegenbild zur wild an der Seitenlinie herumfuchtelnden Schiedsrichter-Nervensäge. Fast zu ruhig sei der Bayer für die Verhältnisse im Pott gewesen. Weshalb das bei den Königsblauen auch nicht lange gut ging.

Fünf Start-Niederlagen waren auch für Weinzierl eine zu schwere Hypothek, die er mehr schlecht als recht durch die Saison schleppte. Am Ende wurde er nach Unstimmigkeiten mit Manager Christian Heidel gefeuert. Ehemalige Begleiter charakterisieren Weinzierl als geradlinigen und modernen, aber nicht als sogenannten Laptop-Trainer, dem Daten und Analysen über alles gehen und der jedem Trend hinterherrennt. Seine Trainingsvorlieben für das klassische Zehn gegen Zehn gelten vielen Spielern schon als alte Schule.

„Ich bin kein Schaumschläger“

„Ich schaue immer, welche Spielertypen mir zur Verfügung stehen, dann passe ich meine Vorstellungen der Umgebung an. Für mich gibt es keine Schablone“, bezeichnet sich der neue VfB-Coach selbst als maximal flexibel. Sehr oft ließ Weinzierl seine Mannschaften aber im 4-4-2 agieren – ein System, das sein neues Team von Tayfun Korkut bestens kennt. Spannend dürfte zu beobachten sein, wie der bisweilen auch knorrige Bayer („Ich bin kein Schaumschläger“) mit dem rheinischen Energiebündel Michael Reschke am schwäbischen Risikostandort zurechtkommt.

Die letzten 15 Monate seit seiner Entlassung auf Schalke ließ es sich Weinzierl die meiste Zeit bei seiner Familie mit den beiden Söhnen (13 und 15 ) gutgehen. Viel länger, das weiß auch er, hätte die Auszeit vom Bundesligageschäft nicht sein dürfen. Die Herausforderung in Stuttgart wird aber nicht minder groß sein als auf Schalke.

„Was habe ich zu verlieren? Wenn es schiefgeht, dann bin ich einer von vielen, die es nicht geschafft haben“, sagte er während seiner Zeit in Gelsenkirchen. Man drücke ihm die Daumen, dass er diesen Satz nicht schon bald wiederholen muss.