Katrin Zimmermann ist in einen winzigen Flecken im Südschwarzwald aufgewachsen. Heute lebt sie als Schmuckdesignerin in New York. Ihre Kreationen tragen Stars wie Halle Berry oder Kate Moss.

In der Zweizimmerwohnung im 12. Stock eines New Yorker Hochhauses röhrt und quietscht und scheppert es wie in einer Autowerkstatt. Braun-rote Soße wabert in einer Metallwanne, und an Holztischen polieren, feilen und schleifen die Handwerker. In ihren Händen glänzen Gold und Silber. Ein Mann, das Hemd über dem Bierbauch lose in die Hose gesteckt, baut sich vor Katrin Zimmermann auf. „Katrin! Schön dich zu sehen!“, sagt er und lässt seine Zahnlücke aufblitzen. Aram Civi ist – auch wenn er nicht so aussieht – Katrin Zimmermanns Juwelier. Er verwandelt ihre Papierentwürfe in Anhänger, Ohrringe und Ketten. „Kannst du das für mich polieren“, fragt sie, „das muss so richtig blitzen, wenn es mein Model am Wochenende auf dem roten Teppich trägt.“ Hinter ihr flammt ein Goldklumpen unter der Hitze des Lötkolbens auf, bevor er verschmilzt.

 

Katrin Zimmermann stammt aus dem Kleinen Wiesental im Südschwarzwald. Ihre Mutter machte schon vor fünfzig Jahren Geschäfte im Im- und Export mit China, ihr Vater war Chefarzt des Lörracher Kreiskrankenhaus. Seine Sprechstunden begannen oft ungewollt auf der Straße oder im Supermarkt. „Wir brauchen einen Ort, wo mich am Wochenende keiner findet“, sagte er eines Tages und kaufte eines der vierzehn Häuser im Weiler Eichholz. Bis heute ist es jener Ort, den Katrin Zimmermann als ihre Heimat bezeichnet. Wenn sie ihr Elternhaus betritt, ist die Hektik ihres New Yorker Arbeitsalltags augenblicklich ausgeschlossen. Dann verbringt sie stille Tage damit, Unkraut zu jäten, Brombeermarmelade einzukochen und das satte Grün der umliegenden Wiesen und Wälder in sich aufzusaugen.

Vor zwanzig Jahren war es ihr hier zu ruhig, sie langweilte sich. Nach einem Orientalistikstudium in England und China konnte sie den Eichholzer Kuhmist nicht mehr riechen. Sie packte ihren Koffer und stieg in den Flieger nach New York. Katrin Zimmermann wollte sich treiben lassen im Meer der Möglichkeiten und schrieb sich für einen Juwelierkurs am Fashion Institute of Technology ein. Sie lernte, Wachsformen zu schnitzen, Schmuck zu gießen und Steine zu setzen. Ein Jahr später war sie zwar Schmuckdesignerin, aber ihr Studentenvisum abgelaufen. Katrin Zimmermann stand kurz davor, gezwungenermaßen zurück in den Schwarzwald zu ziehen. Ein Freund erzählte ihr von der Greencard-Lotterie. „Ein Blatt war das damals, Name, Adresse, Nationalität – fertig. Die ersten 40 000 durften bleiben.“ Katrin Zimmermann war dabei und blieb.

Ein Schmuckstück kostet zwischen 250 und 800 Euro

Die Sonne spickt über die Dächer der Wolkenkratzer in die 47. Straße mitten in Manhattan. Katrin Zimmermann steigt aus der Subway und zieht sich ihren Mantel über die Schultern. Dann marschiert sie los zu Arams Civis Apartment. „Viele huschen hier mit ausgebeulten Manteltaschen über die Straße – darin stecken Millionen in unscheinbaren Papierbriefchen“, erzählt sie. Sie schlendert an den Schaufenstern vorbei, in denen Diamanten reichen Upper-East-Side-Damen verführerisch zufunkeln. „Für mich ist das nichts“, sagt Katrin Zimmermann. „Ich will, dass mein Schmuck ein Statement darüber ist, wer du bist und wie du dich fühlst, nicht wie viel du auf dem Konto hast.“ Ein Stück der Deutschen kostet zwischen 250 und 800 Dollar.

1992 gründet die heute 47-Jährige ihre Firma Ex Ovo, beginnt für Luxuskaufhäuser und die Modeindustrie zu designen, mietet sich ein kleines Zimmer in einem Hochhaus im Diamond District in Manhattan und erhält irgendwann einen Anruf: Ob sie Lust hätte, ihre Kollektion in Mailand vorzustellen. „Ich dachte, ich hätte es endlich geschafft.“ Am nächsten Morgen klingelt ihr Telefon erneut. „Katrin, das Haus im Diamond District steht in Flammen.“ Alle Entwürfe, Schmuckstücke, Steine – zerstört. Katrin Zimmermann hat weder einen Mietvertrag noch eine Versicherung. Die Flammen haben ihren Traum eingeäschert.

Ob nach dem Zimmerbrand, bei dem sie alles verliert, nach den Terroranschlägen des 11. September 2001, als die Luxuskaufhäuser ihre Bestellungen stornieren, oder der Wirtschaftskrise, als die gestürzten Wohlhabenden zuallererst Schmuck von ihren Einkaufslisten streichen: die resolute Badenerin rappelt sich immer wieder auf. „Wenn du in den USA gut bist, bekommst du deine Chance“, sagt sie.

Vom Diamond District bis zu ihrem Sandsteinhaus in Harlem ist es gut eine halbe Stunde. Dort wohnt sie zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dem Universitätsprofessor Michael Dowie, und ihrer gemeinsamen Tochter Sophia. Im zweiten Stock hat sie sich ihr Studio eingerichtet. Unverarbeitete Anhänger und Kettenglieder liegen zwischen Entwürfen auf Papier, Buntstiftkritzeleien ihrer Tochter und der Kollektion herum, die sie Anfang September auf der New Yorker Modewoche vorgestellt hat. „Ich brauche Chaos, um kreativ zu sein.“ An der Wand hängt ein riesiges Poster: Silberdrähte schlingen sich um den Hals einer dunkelhäutigen Frau – Werbung für eines ihrer ältesten und erfolgreichsten Designstücke. „Das African Necklace und meine Tochter – was Besseres bekomme ich nicht mehr hin.“

Gold und Silber, der übliche teure Glitzerkram ist Katrin Zimmermann zu langweilig. Auf der Canal Street, einer Einkaufsstraße im Süden Manhattans, sucht sie nach Rohstoffen für ihre kreativen Taten. Sie stöbert in den 99-Cent-Geschäften oder im Eisenwarenhandel und findet Gummibänder in Neonfarben oder Plexiglasscheiben.

Inspiration auf der Straße

Katrin Zimmermann kramt in ihrem Apothekerschrank. Die Schubladen sind wie Tore zu ihren Erinnerungen. Sie fischt ein Dia heraus, hält es gegen das Licht und kneift ein Auge zusammen: „Mein erstes Schmuckstück.“ Die Idee sei ihr eines Abends im Schwarzwald gekommen. Der Himmel war wie in Kohle getaucht und in ihn waren die Sterne wie Perlen gestickt. „Das hat mich umgehauen“, erzählt sie. Am nächsten Morgen drehte sie einen Strang schwarzes Rosshaar und befestigte daran Süßwasserperlen, die ihr ihre Mutter aus China mitgebracht hatte.

In New York gibt es zwar keinen Wald, dafür findet sie die Inspiration auf der Straße. Den Irokesen-Haarschnitt mit Leopardenflecken eines Jungen auf einem Schwulenfestival übersetzt Katrin Zimmermann beispielsweise in Schmuck: heraus kommt ein getupfter Holzring. Als sich ihr Lebensgefährte den Finger verstaucht, wird sie zur Krankenschwester und der „Schienen-Ring“, der sich um die unteren beiden Fingerglieder windet, nebenbei ihr Rezept für ein neues Accessoirekunstwerk.

Heute tragen Stars wie Halle Berry, Kate Moss oder Liv Taylor die Kreationen der Deutschen. Wie Diane von Fürstenberg und Calvin Klein ist Katrin Zimmermann Mitglied im Council of Fashion Designers of America, dem Olymp amerikanischer Modemacher. Ihr Schmuck wird weltweit in 40 Museumsshops angeboten, unter anderem im Museum of Modern Art in New York. Ihr Leben verläuft, als hätte ihr eine gute Fee Möglichkeit für Möglichkeit wie Perlen auf eine Kette gefädelt.

Am Tiefpunkt, als sie nach dem Zimmerbrand ihren Beruf aufgeben und etwas Neues beginnen wollte, machte sie einen Fähigkeitstest. Nach dreißig Prüfungen kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis: „Sie sollten sich Richtung dreidimensionales Design orientieren.“ Heute weiß sie, dass dieser Rat Gold wert war, denn sie blieb, was sie bereits war.