„Ich mache nur noch, was mir Spaß macht“, sagt der gebürtige Rheinländer und lächelt fein wie Buddha vor der Erleuchtung. „Deshalb ist für mich jede Arbeit Hobby.“ Längst könnte er es sein lassen mit dem Geschäft, die Schäfchen sind zu Hause. Ihm gehören mittlerweile sechs Brauereien, ein gutes Dutzend Hotels und unzählige Restaurants. Aber es macht ihm eben Freude, zu gestalten und, ja, auch zu gewinnen. Aussichtslose Fälle haben es ihm besonders angetan, vor allem historische Gebäude wie das Kloster Steinfeld in der Eifel oder kippelige Firmen wie die Brauerei Franz in Rastatt.
Die Bewerbung Pforzheims ist vom Tisch
Auch wenn er es vermutlich nicht aussprechen würde: Womöglich zählt auch die Stadt Pforzheim für ihn manchmal zu diesen aussichtslosen Fällen. Gerade hat der Unternehmer der Stadt versprochen, alle Kosten für die Bewerbung um die Kulturhauptstadt Europas im Jahr 2025 zu übernehmen. Er sah darin eine große Chance, die Stadt und ihr Image aufzuwerten. Doch der Gemeinderat lehnte ab. Die Gemengelage war schwierig, das Angebot kam spät und es bestand die Gefahr, dass die Stadt am Ende doch mehrere Millionen Euro selbst beisteuern müsste. Verstehen kann das der Unternehmer trotzdem nicht.
Scheidtweiler und Pforzheim, das war schon immer eine besondere Beziehung. Einmal, bei der letzten Landtagswahl, als die AfD in Pforzheim 24,2 Prozent erhielt, wäre er fast weggezogen, nach Konstanz, wo die Heimat seiner Frau Andrea liegt. „Doch dann sagten wir uns, dass wir noch mehr tun müssen, um die Stadt voranzubringen.“ Seit 45 Jahren lebt er mit seiner Familie in Pforzheim, und immer wieder unternimmt er Anläufe, diese finanziell schwache und manchmal zerrissene Stadt nach vorne zu bringen. Als ein Gaskessel marode herumstand, machte er daraus ein Kunstprojekt: „Wenn ich drauflege, ist das auch nicht schlimm“, meinte er damals. Doch das Gasometer wurde ein überregionaler Publikumsmagnet. Er hat auch die defizitäre Eislaufbahn von der Stadt erworben und fährt jetzt zumindest eine schwarze Null ein. Gerne würde er auch den Enzauenpark, ein Freizeitschmuckstück der Stadt, mit einer Sommerbühne beleben. Oder ein Museum für Autodesign in einem alten Kohlebunker einrichten. Pforzheim sollte auch endlich ein Modemuseum beherbergen, meint er. Der Mann sprudelt nur so vor Ideen. Das kann kirre machen.
Seine Wurzeln: christlicher Glaube und einfache Herkunft
Warum er das alles tut für Pforzheim? Scheidtweiler erzählt meist in Mäandern. Auch jetzt spricht er zunächst von der Zeit nach der Wende, als viele ostdeutsche Mitarbeiter zu ihm gekommen seien. Manche hätten kein seelisches Fundament gehabt, der kleinste Liebeskummer habe sie umgehauen. „Das waren Flachwurzler“, sagt er und fügt leise hinzu: „Man braucht aber Wurzeln, die weit hinabreichen.“ Bei ihm sind es zwei Stränge. Der eine: Er lebt, obwohl er das kaum zeigt, aus dem christlichen Glauben. Deshalb hielt er Stand, als auch über ihm der Sturm hinweggefegt ist: Sein Sohn starb mit neun Monaten am plötzlichen Kindstod, am Tag, als er meinte, die schwerste Prüfung als Brauer an der Hochschule Weihenstephan zu absolvieren. Doch die Prüfung seines Lebens kam erst dann.
Die andere Wurzel: Scheidtweiler will nie vergessen, wo er herkommt. Denn die Millionen waren ihm nicht in die Wiege gelegt. Der Vater habe sich in der Eifel alles mühsam erarbeitet, am Ende reichte es aber zu einer Mini-Brauerei als Erbteil. Während des Studiums lernte er seine Frau kennen, die aus der Konstanzer Brauereifamilie Ruppaner stammt. Aus dem Startkapital entwickelte Scheidtweiler ein kleines Firmenimperium, mit heute 700 Mitarbeitern. Scheidtweiler, der Selfmademan.
Menschen, die den 71-Jährigen schon lange kennen, zeichnen ein ähnliches Bild. Scheidtweiler verlange viel von seinen Mitarbeitern, sagt einer, und könnte manchmal auch etwas mehr bezahlen. Aber viel verlangt, das hat Scheidtweiler auch immer von sich selbst. Der Vater starb, als Sohn Wolfgang 22 Jahre alt war. Über Nacht musste der sich um die Brauerei kümmern. Dennoch schaffte er das Studium in der Hälfte der üblichen Zeit: Ein Kommilitone ging in die Vorlesungen des einen Semesters, er in die Kurse des nächsten. Mit Kopierpapier fertigten sie Durchschriften an und tauschten sie aus. So absolvierten sie in einem halben Jahr zwei Semester.
In Pforzheim hat der Unternehmer nicht nur Freunde
In Pforzheim dürfte Scheidtweiler längst bunter Hund und graue Eminenz zugleich sein. Aber er hat dort nicht nur Freunde. Das liegt zum einen daran, dass er ein Mann freundlicher, aber klarer Worte ist. Zum anderen dürfte es für viele frustrierend sein, wie scheinbar leicht Scheidtweiler so vieles gelingt. Beispiel Eislaufhalle: Jahrzehntelang mühte sich die Stadt ab, dann kam Scheidtweiler. Jetzt läuft die Sache und bietet gerade ärmeren Menschen in Pforzheim weiter ein günstiges Vergnügen. Nonchalant meint Scheidtweiler nur: „Das hat mich einen Anruf und drei Gespräche an Samstagvormittagen gekostet.“ Da stehen andere, die sich ebenfalls redlich bemühen, aber nicht das Geld, die Kontakte und die Energie Scheidtweilers haben, oft mit abgesägten Hosen und manchmal recht düpiert da. Scheidtweiler, der Überflieger.
Bodenständig aber ist er geblieben. Nach dem Besuch auf der Dachterrasse des Parkhotels räumt Scheidtweiler eine leere Colaflasche weg, die ein Gast dagelassen hat. Scheidtweiler, der Kellner. Und auf der Fahrt mit dem Aufzug nach unten kratzt er Papierreste aus einer Fuge. Auch die Moral kratzt ihn noch als Unternehmer. In all den Jahren habe er nie einen Mitarbeiter entlassen. Das werde er auch bei Hatz-Moninger so halten, sofern die Leute bereit seien, auch mal in den Brauereien Rastatt oder Eppingen zu arbeiten. Elwis Kapece von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, der öfter mit Scheidtweiler verhandelt hat, ist nicht mit allem einverstanden, bestätigt aber: „Scheidtweiler gehört nicht zu den Unternehmern, die den Personalabbau als Grundvoraussetzung zur Sanierung eines maroden Betriebes ansehen.“ Doch er fügt hinzu: „Nicht alle seine Betriebe sind neu aufgeblüht.“
Aber wenn mal etwas nicht nach Plan läuft, wie auf dem Königsstuhl, wo das historische Gebäude so marode war, dass alles neu durchdacht werden musste, dann bleibt Scheidtweiler trotzdem entspannt. „Das ist doch kein Stress. Das macht doch Spaß.“ Und er fügt ein rheinisches Sprichwort an: „Es ist, wie es ist. Es kommt, wie es kommt. Es ist noch immer gut gegangen.“
Scheidtweiler, der Tiefwurzler.