Lokales: Mathias Bury (ury)

Geistige Gefechte wie diese führt Friedrich Sieburg von seinem Gärtringer Bungalow aus, hier findet er die Ruhe und den Rückhalt, den er angesichts seiner angegriffenen Gesundheit braucht. Der für ihn wichtigste Mensch in dieser „Gärtringer Idylle“, wie sein Biograf Klaus Deinet diese Jahre nennt, ist Alwine Kiefer, genannt Winnie, die Gattin des Industriellen Erich Kiefer. Beide wohnen nebenan in der von Sieburg so genannten Villa Schwalbenhof.

 

Kennengelernt hat Sieburg das Ehepaar kurz nach dem Krieg im Schloss des Barons Hiller von Gärtringen. Dort haben auch die Kiefers, deren Stuttgarter Unternehmen für Lüftungs- und Trocknungsanlagen ausgebombt wurde, Zuflucht gefunden. Sieburg strandete hier nach turbulenten Jahren durch die Vermittlung Adrienne von Bülows, seiner ehemalige Schwiegermutter, die in ihrem Schloss im nahen Dätzingen lebt. Sie möge ihm doch bitte „ein Schloss oder ein Landgut als Unterkunft besorgen“, habe er der Mutter Dorothee von Pückler-Bülows geschrieben, seiner dritten von vier Ehefrauen, erzählt Wolfgang Häring. „Sieburg war ein Lebemann, er hat stets einen betont gehobenen Lebensstil gepflegt“, sagt der 68 Jahre alte pensionierte Deutschlehrer, der die neu gestaltete Sieburg-Gedenkstätte in Gärtringen mit aufgebaut hat und auch betreut.

Die überspannte Dorothee von Pückler-Bülow ist für den aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Sieburg von besonderem Reiz gewesen. Der Starjournalist liebte das Extravagante, man heiratete im Pariser Hotel Ritz. Bald erwies sich die eheliche Verbindung als Hölle, die ihn aus der Bahn zu werfen drohte und die Weltkriegskatastrophe übertönte, die er auch als persönliche Krise erlebte. Friedrich Sieburgs erste Karriere ging zu Ende.

Begonnen hat sie 1926. Heinrich Simon, der Verleger der renommierten „Frankfurter Zeitung“, entdeckt das Talent des in Kopenhagen tätigen Journalisten. Er holt ihn auf einen der begehrtesten Posten der deutschen Presse: Sieburg löst den Schriftsteller Joseph Roth als Korrespondent in Paris ab. Dann geht es steil nach oben. Der groß gewachsene, robuste Autor beliefert täglich drei Ausgaben der FZ, berichtet über die Detailverhandlungen zum Versailler Vertrag und arbeitet sich in die Geschichte und Kultur Frankreichs ein. Bald pflegt er Umgang mit den Beamten des Außenministeriums am Quai d’Orsay. In seinem weißen Sportwagen und im Smoking macht er eine gute Figur, Auftritte in den Salons der Pariser Hautevolee werden Teil seines Lebensstils. Nach drei Jahren legt er das Buch „Gott in Frankreich?“ vor, ein Bestseller nicht nur auf beiden Seiten des Rheins, der ihn schlagartig berühmt macht. Darin verklärt Sieburg das Nachbarland als kultiviert und liebenswert, kritisiert es aber auch für seine schon durch die heilige Johanna religiös begründete nationale Überheblichkeit. Das noch junge Deutschland, glaubt er, müsse den Weg zu einem so gefestigten Nationalbewusstsein erst noch gehen.

Nach der Machtübernahme der Nazis macht sich Sieburg allzu lange Illusionen über deren wahre Absichten, er erhofft sich von Hitler sogar die ersehnte Aussöhnung mit Frankreich. Als die Lage für Journalisten in Paris prekärer wird, lässt er sich vom NS-Außenministerium anheuern, zuerst als Botschaftsrat in Brüssel und dann im besetzten Paris schreibt er unbedeutende Berichte und hält fragwürdige Vorträge.

Geistige Gefechte wie diese führt Friedrich Sieburg von seinem Gärtringer Bungalow aus, hier findet er die Ruhe und den Rückhalt, den er angesichts seiner angegriffenen Gesundheit braucht. Der für ihn wichtigste Mensch in dieser „Gärtringer Idylle“, wie sein Biograf Klaus Deinet diese Jahre nennt, ist Alwine Kiefer, genannt Winnie, die Gattin des Industriellen Erich Kiefer. Beide wohnen nebenan in der von Sieburg so genannten Villa Schwalbenhof.

Kennengelernt hat Sieburg das Ehepaar kurz nach dem Krieg im Schloss des Barons Hiller von Gärtringen. Dort haben auch die Kiefers, deren Stuttgarter Unternehmen für Lüftungs- und Trocknungsanlagen ausgebombt wurde, Zuflucht gefunden. Sieburg strandete hier nach turbulenten Jahren durch die Vermittlung Adrienne von Bülows, seiner ehemalige Schwiegermutter, die in ihrem Schloss im nahen Dätzingen lebt. Sie möge ihm doch bitte „ein Schloss oder ein Landgut als Unterkunft besorgen“, habe er der Mutter Dorothee von Pückler-Bülows geschrieben, seiner dritten von vier Ehefrauen, erzählt Wolfgang Häring. „Sieburg war ein Lebemann, er hat stets einen betont gehobenen Lebensstil gepflegt“, sagt der 68 Jahre alte pensionierte Deutschlehrer, der die neu gestaltete Sieburg-Gedenkstätte in Gärtringen mit aufgebaut hat und auch betreut.

Die überspannte Dorothee von Pückler-Bülow ist für den aus kleinbürgerlichen Verhältnissen stammenden Sieburg von besonderem Reiz gewesen. Der Starjournalist liebte das Extravagante, man heiratete im Pariser Hotel Ritz. Bald erwies sich die eheliche Verbindung als Hölle, die ihn aus der Bahn zu werfen drohte und die Weltkriegskatastrophe übertönte, die er auch als persönliche Krise erlebte. Friedrich Sieburgs erste Karriere ging zu Ende.

Begonnen hat sie 1926. Heinrich Simon, der Verleger der renommierten „Frankfurter Zeitung“, entdeckt das Talent des in Kopenhagen tätigen Journalisten. Er holt ihn auf einen der begehrtesten Posten der deutschen Presse: Sieburg löst den Schriftsteller Joseph Roth als Korrespondent in Paris ab. Dann geht es steil nach oben. Der groß gewachsene, robuste Autor beliefert täglich drei Ausgaben der FZ, berichtet über die Detailverhandlungen zum Versailler Vertrag und arbeitet sich in die Geschichte und Kultur Frankreichs ein. Bald pflegt er Umgang mit den Beamten des Außenministeriums am Quai d’Orsay. In seinem weißen Sportwagen und im Smoking macht er eine gute Figur, Auftritte in den Salons der Pariser Hautevolee werden Teil seines Lebensstils. Nach drei Jahren legt er das Buch „Gott in Frankreich?“ vor, ein Bestseller nicht nur auf beiden Seiten des Rheins, der ihn schlagartig berühmt macht. Darin verklärt Sieburg das Nachbarland als kultiviert und liebenswert, kritisiert es aber auch für seine schon durch die heilige Johanna religiös begründete nationale Überheblichkeit. Das noch junge Deutschland, glaubt er, müsse den Weg zu einem so gefestigten Nationalbewusstsein erst noch gehen.

Nach der Machtübernahme der Nazis macht sich Sieburg allzu lange Illusionen über deren wahre Absichten, er erhofft sich von Hitler sogar die ersehnte Aussöhnung mit Frankreich. Als die Lage für Journalisten in Paris prekärer wird, lässt er sich vom NS-Außenministerium anheuern, zuerst als Botschaftsrat in Brüssel und dann im besetzten Paris schreibt er unbedeutende Berichte und hält fragwürdige Vorträge.

Nicht nur für seinen früheren Freund Kurt Tucholsky, den er aus der Berliner Zeit bei der Wochenzeitschrift „Weltbühne“ kennt, ist erwiesen: der beneidete Erfolgsautor ist ein talentierter, aber charakterloser, stets auf den eigenen Vorteil bedachter Opportunist. Marcel Reich-Ranicki, Sieburgs späterer Nachfolger als Literaturchef der FAZ, hat das so formuliert: „Es war ihm gelungen, der nationalsozialistischen Sklaverei für sich selbst ungewöhnlich bequeme Seiten abzugewinnen, ohne dass er dem Regime sonderliche Zugeständnisse gemacht hätte.“

Sieburg und Napoleon

Nach einem bis 1948 geltenden Publikationsverbot kommt Sieburgs zweite Karriere voran. In seiner Mansardenwohnung an der Stuttgarter Gaußstraße schreibt er sein Erfolgsbuch über Napoleon und vieles mehr. 1956 zieht er in den für ihn neben der Villa der Kiefers errichteten Bungalow. In dieser komfortablen Lage erlebt er eine zweite Blüte. Sieburg schreibt sein Meisterwerk über den französischen Romantiker Chateaubriand. Alle zwei Wochen fliegt er zur Redaktionskonferenz der FAZ nach Frankfurt, am Abend kehrt er heim in sein Refugium. Der Blick in den Park der Villa dürfte den Anfang seiner bis heute gerühmten Rezension von Martin Walsers Roman „Halbzeit“ angeregt haben: „Als mir das Buch wie ein Neugeborenes ganz behutsam und mit einem fast religiös geflüsterten Kommentar, der mich zur Ehrfurcht aufrief, in die Arme gelegt wurde, trug der Bergahorn noch seine Blätter. Die Vogelbeeren waren noch nicht weggepickt, und die Kastanienbäume zeigten kaum Spuren der Vergilbung. Heute, da es ausgelesen ist, stehen die Bäume kahl, und zwischen den Büschen häuft sich das tote Laub.“

Sein neues Leben hat aber auch schwierige Seiten, man lebt in einer Ménage-à-trois. Die starke Persönlichkeit der zierlichen Winnie, die tiefe Gefühle für Sieburg empfindet, aber ihre Ehe nicht aufgeben will, hält die Dreierbeziehung bis zum Tod Kiefers zusammen. Und der erfolgreiche Unternehmer liebt das Repräsentative, hier hat auch der früh gealterte Salonlöwe noch einiges zu bieten. Autoren wie Ernst Jünger und Golo Mann sind zu Besuch, bei Festen in der Villa stehen auf der Gästeliste Namen von Politikern wie Carlo Schmid, der Publizisten Joachim Fest und Klaus Harpprecht, der Schriftsteller Gottfried Benn und Carl Zuckmayer, aber auch von Show- und Fernsehgrößen wie Caterina Valente und Peter von Zahn. Bundespräsident Theodor Heuss und Kanzler Ludwig Erhard laden ihn zu Treffen von Intellektuellen nach Bonn ein.

Als Friedrich Sieburg am 22. Juli 1964 auf dem Stuttgarter Waldfriedhof beigesetzt wird, ist das ein Ereignis in der deutschen Presse. „Sein Tod hat mich tiefer betroffen, als ich es vermuten konnte“, schreibt Marcel Reich-Ranicki in einer kritischen Würdigung später und lobt Sieburg für seine umfassende Bildung, seinen Scharfsinn und Geschmack. „Er war der geistreichste und beste deutsche Feuilletonist der fünfziger Jahre. Ich weiß, ein Superlativ provoziert immer Widerspruch. Aber wenn nicht Sieburg, wer dann?“