Sie ist Radiomoderatorin, jetzt hat sie einen Roman geschrieben. Er handelt von ihrer prominenten Familie, vor allem aber davon, wie Marion Brasch ihre eigene Stimme gefunden hat. Ulrike Frenkel ist ihr begegnet.

Immer noch wird sie in vielen Interviews vor allem nach ihren berühmten Brüdern gefragt: Wie sie Thomas, den radikalen Schriftsteller, nach seiner Übersiedelung in die BRD erlebt habe? Wann Klaus, der Schauspieler, angefangen habe zu trinken und Tabletten zu schlucken? Warum Peter, der ebenfalls schrieb, der Erfolg großenteils versagt geblieben sei? Marion Brasch antwortet dann meist mit sorgsam gesetzten Worten. Dahinter ist kein Drängen zu spüren, keine Eitelkeit, kein „und was ist mit mir?“. Sie hat einen sehr eigenen, gleichzeitig zurückgenommenen und selbstbewussten Ton, das war schon 1990 zu hören, als sie gemeinsam mit ein paar ost- und westdeutschen Kollegen auf SDR 3 acht Tage lang die gesamtdeutsche Hitparade Top 2000 D moderierte.

 

Damals war sie beim Jugendsender DT64 beschäftigt, heute arbeitet sie frei beim RBB. Und nun hat sie ein Buch veröffentlicht, das zwar auch von ihrem Heranwachsen in dieser außergewöhnlichen Funktionärsfamilie jüdischer Herkunft in der DDR erzählt, vor allem aber von ihrem langen Weg der Selbstfindung.

Sie ist die einzige Überlebende

Eine namenlose weibliche Hauptfigur, schildert in „Ab jetzt ist Ruhe – Roman meiner fabelhaften Familie“ das Überleben in einem problematischen System. Die Mutter wäre lieber woanders, die Söhne lehnen sich auf unterschiedliche Weise gegen den Arbeiter- und Bauernstaat und den Vater und strenggläubigen Kommunisten Horst auf und ruinieren dessen Karriere in der Kulturbürokratie. Als sie 14 ist, stirbt die Mutter, Klaus trifft es 1980, kurz vor der Wende erliegt ihr Vater seinem Krebsleiden, 2001 schließlich verabschieden sich nach lebenslanger Konkurrenz kurz nacheinander Peter und Thomas. Tragödienstoff all das, mit Marion Brasch als nächster Zuschauerin. Wie kann man da überleben? „Es bleibt einem ja nichts anderes übrig“, sagt die 51-Jährige beim Gespräch im Hotel vor ihrer Lesung im Münchner Literaturhaus mit entwaffnendem Lächeln. „Ihr Idioten“, heißt es im Buch, dessen Grundton ganz wundervoll zwischen melancholisch, sarkastisch, zärtlich und selbstironisch oszilliert. „Jetzt bin ich ganz allein.“

Vor allem nach dem Tod des Vaters, sagt sie, „dachte ich aber auch: jetzt muss ich nicht mehr so viele Kompromisse machen“. War mehr als zwanzig Jahre später das Erzählen über die emotional unterkühlten, intellektuell aufgeladenen Verhältnisse im Elternhaus auch ein Weg, sich aus dieser übermächtigen Verwandtschaft freizuschwimmen? „Als die letzten beiden Mitglieder meiner Familie gestorben sind, gab es Leute, die gesagt haben, du müsstest jetzt mal all das aufschreiben. Aber das schien mir zunächst gar nicht möglich“, sagt sie. „Irgendwann habe ich aber doch das Anfangskapitel des Buchs verfasst, wo ich von dem kleinen Mädchen erzähle, das wegläuft von zu Hause, und jeder berichtet anders davon. Da wurde mir klar, eine Geschichte, von der es noch viele andere Versionen gibt, die könnte ich vielleicht erzählen“. Dem Vorwurf der Anmaßung angesichts der prominenten Akteure entgeht sie beim Schreiben dann durch einen raffiniert schlichten Stil, die Romanform wählt sie, weil sie denkt, „das steht mir gar nicht zu, eine Autobiografie zu schreiben, das tun ja Leute, die eine Bedeutung haben“.