Die Schauspielerin Susan Sideropoulos ist Jüdin. Bislang war ihre Religion kein Problem. Doch nachdem sich Übergriffe auf Juden häufen, kommen ihr Zweifel.

Berlin - Ihre Haare sehen immer noch so aus, als hätte sie ein Star-Figaro in Form gepustet. So kennen viele sie noch aus der RTL-Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ). Susan Sideropoulos spielte Verena Koch, eine Figur ohne Ecken und Kanten. Über ihr Privatleben wusste man damals schon, dass sie jüdisch war und nach der Hochzeit den Namen ihres Mannes angenommen hatte. Shtizberg. Was das bedeutet, darüber hat sie sich jetzt zum ersten Mal geäußert. Das Magazin „Closer“ zitierte sie mit den Worten: „Ich möchte als Jüdin keine Angst haben.“

 

So eine Schlagzeile macht neugierig. Es vergeht kaum ein Tag ohne Übergriff auf Juden. Die Bundesregierung hat daher einen Antisemitismus-Beauftragten ernannt. „Waaahnsinn, oder?“ Susan Sideropoulos sieht einen mit weit aufgerissenen Augen an. Würde das Aufnahmegerät nicht mitlaufen, würde sie jetzt über den Nahostkonflikt reden und darüber, wie er nach Deutschland übergeschwappt ist und das Klima vergiftet. Aber zur Politik will sie sich nicht mehr äußern seit dem Interview mit „Closer“.

Sideropoulos denkt an ihre Söhne, sechs und acht Jahre alt.

Darin war ihr der Satz herausgerutscht: „In Syrien sterben täglich Tausende von Menschen, und gefühlt interessiert es hier niemanden. In Palästina sterben zehn Menschen, und die ganze Welt ist in Aufruhr, weil es mit Israel zu tun hat.“ Es war ein Bekenntnis zu dem Land, das zu ihrer zweiten Heimat geworden ist. Sie ist dafür kritisiert worden. „Ach, zehn Menschen sind Dir wohl zu wenig?“, schrieb einer auf Facebook. Sideropoulos sagt, noch mal würde sie so einen Satz nicht sagen. „Ich will niemanden verletzen.“

Es ist nicht nur die Sorge um ihr Image. Sie denkt eher an ihre Söhne, sechs und acht Jahre alt. Sie sagt, ihr werde jedes Mal mulmig, wenn sie die beiden zur Schule bringt. Es ist eine jüdische Schule, wer sie betritt, muss an zwei Polizisten vorbei. Vielleicht hätte Sideropoulos das nicht in dem Interview erwähnt, wenn sich die Meldungen über antisemitische Übergriffe nicht häufen würden. Mobbing. Gewalt. Und jetzt der Mord an der 14-jährigen Susanna, auch sie eine Jüdin, der Mörder ein Moslem. Aber ob der ein religiöses Motiv hatte? Sie schüttelt ungläubig den Kopf.

Selbstbewusst und schlagfertig, so kennen sie ihre Fans

Sie spricht mit fester Stimme. So kennen ihre Fans sie aus GZSZ. Selbstbewusst und schlagfertig. Immer gut gelaunt, so präsentiert sie sich bei Instagram. 122 000 Follower haben ihre Fotos abonniert. Susan Arm in Arm mit Jacob, ihrem Mann. Susan mit der Familie am Strand von Tel Aviv. Ihre Söhne unterm Weihnachtsbaum. Man sieht die Jungs nur von hinten. Das ist ihr wichtig. Sie will die Kinder schützen. Die Susan, die einem jetzt in einem Promi-Restaurant am Ku’damm gegenübersitzt, ist eine andere als die Susan von Instagram. Ungeschminkt. Nachdenklich. Verletzlich.

Sie sagt, sie habe nie einen Hehl aus ihrem Jüdischsein gemacht. Daraus, dass ihre Söhne eine jüdische Grundschule besuchen und sich die Familie auch in der jüdischen Gemeinde engagiere. Aber der Glaube, das ist die eine Seite der Medaille, ihre Familiengeschichte die andere. Sideropoulos kam 1980 in Hamburg zur Welt, als Tochter einer jüdischen Mutter und eines griechisch-orthodoxen Vaters. Ihre Augen leuchten, wenn sie von ihrer Kindheit erzählt. Vom italienischen Restaurant, das die Eltern betrieben. Von den Freunden aus aller Welt, die zu Hause ein- und ausgingen. An ihrem Glauben habe sich nie jemand gestört. „Jüdischsein ist nur eine Religion, kein Hokuspokus.“

Sie hatte geahnt, dass die Familie ein Geheimnis vor ihr verbarg

Nein, sagt sie, der Holocaust sei kein Thema gewesen. Sie wusste zwar, dass die Eltern ihrer Mutter 1934 nach Israel ausgewandert und Mitte der 50er Jahre zurückgekehrt waren. Aber was in der Zwischenzeit passiert war, blieb eine Leerstelle. Das Trauma. Psychologen haben erforscht, dass Holocaust-Überlebende es an die nächste Generation vererben. Die Erinnerung an die Toten ist immer präsent, auch wenn man nicht über sie redet. Vielleicht erklärt das, warum sich Sideropoulos mit dreizehn weigerte, mit ihrer Klasse ins Kino zu gehen, als Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“ herauskam. Sie sagt: „Ich habe gesagt, ich brauche keine Aufklärung. Aber das war eine Ausrede. Eigentlich hatte ich Angst.“

Vor zwei Jahren hat sie sich ihn doch angesehen. Sie sagt, es sei ein Schock gewesen. „Ich hab an meine Kinder gedacht. Nur siebzig Jahre später, und es hätte vielleicht uns erwischt.“ Der Film hat sie ermutigt, ihre eigene Familiengeschichte zu recherchieren. Ihr Urgroßvater war Bankier. In Hamburg erinnert ein Stolperstein an ihn. Gestorben 1943 im KZ Theresienstadt. Das hat sie herausgefunden. Ein Schock? „Nein“, sagt sie, „ich war eher erleichtert.“ Sie hatte ja geahnt, dass die Familie ein Geheimnis vor ihr verbarg. Jetzt hatte sie Gewissheit.

Eine Komödie soll Juden und Muslime zusammenbringen

Dass sie nicht schon früher mit der Recherche begonnen habe, hänge wohl mit dem Tod ihrer Mutter zusammen, sagt sie. Sie war 16, als die Mutter an Brustkrebs starb. Ihre Stimme wird brüchig. Jetzt, wo sie sich stark genug fühlt, sich der Vergangenheit zu stellen, kann sie die Mutter nicht mehr dazu befragen. Dabei lässt ihr das Thema keine Ruhe mehr. Sie senkt den Blick in ihr Glas mit der Apfelschorle. Vor zwei Jahren geriet sie in Berlin zufällig in eine Anti-Israel-Demo. Ein Araber rief: „Alle ins Gas!“ Sideropoulos sagt, sie habe die Kinder schnell weggezogen. Wie sollte sie ihnen erklären, dass es Menschen gäbe, die Juden den Tod wünschten?

Vor einem halben Jahr hat sie eine TV-Produktionsfirma gegründet. Sie hat einen Drehbuch-Entwurf für eine Komödie geschrieben. Es erzählt davon, was passiert, wenn die jüdische auf die muslimische Kultur prallt. Sideropoulus sagt, der Film soll beide Seiten ermutigen, ihre Vorurteile zu überwinden und aufeinander zuzugehen. Leicht wird das wohl nicht. Der Film heißt: „Shalom. Salam. Schlamassel.“