Reportage: Robin Szuttor (szu)


Weit mehr als 2000 Gegenstände zählt seine Sammlung. Sie wächst weiter, er ist ein guter Kunde des Auktionshauses Nagel. "Mir geht es bei den Sachen um den kulturgeschichtlichen Hintergrund. Ich kann ein Zinnobjekt mehr lieben als eine Silberkanne, auch wenn sie zehnmal weniger wert ist." Nagel ist ein wohlhabender Mann, der mit Kunst Geld verdient hat. Und mit seinem Geld der Kunst dient.

"Ein guter Kunsthändler liebt seine Objekte"


Als Mäzen förderte er die städtische Galerie Stuttgart beim Kauf des Großstadttriptychons von Dix mit einer unbekannten Summe. Als Museumsdirektor wollte er seine Kostbarkeiten im Kornwestheimer Kleihues-Bau den Menschen nahebringen. Vergangenen Monat hat er wieder zugemacht. Der Aufwand stand in keinem Verhältnis mehr zum Interesse. "Es war eigentlich für junge Leute gedacht." Wo er mit seinen Schätzen hinsoll, weiß er noch nicht. Ein paar verleiht er nach Mecklenburg, an das Museum der Redensarten. Einen Patenlöffel aus dem 18.Jahrhundert etwa: "Den bekam man zur Taufe und trug ihn immer bei sich, denn bei Festen oder in Wirtschaften gab es kein Besteck. So begleitete einen das Stück ein Leben lang – bis man den Löffel abgab."

Nagel hätte auch noch fürstliche Nachtstühle, Rokoko-Bidets oder eine gefälschte Jungbäuerin aus Porzellan anzubieten. Die holte er sich als Gegenstück zur echten Figur aus Ludwigsburg für seine Sammlung. "Ich hatte 120 Mark eingeplant. Plötzlich ging ein allgemeines Gesteigere los und ich musste bis 400 gehen." Wie sich herausstellte, hatten andere mitgeboten, weil sie dachten: Wenn der Nagel das will, ist es was Besonderes.

"Grüß Gott. Aha, Sie bringen uns eine Deckelkanne. Das CC hier steht nicht für Coco Chanel, sondern für die Porzellanmanufaktur Ludwigsburg. Eine Marke, mit der ich sehr vertraut bin. Es ist aber kein Ludwigsburger Porzellan, sondern eine Kopie. Man sieht es an dem Grün oder an den – entschuldigen Sie – lieblos gemalten Blumen, die aussehen wie Salatschüsseln. Der Wert beträgt 100, vielleicht 200 Euro. Aber es ist trotzdem ein sehr dekoratives Stück."

Ein guter Kunsthändler liebe seine Objekte, sagt Gert Nagel. Moderne Kunst könnte er nicht verkaufen. "Eine mit Rasiermesser aufgeschlitzte, unifarbene Fläche für 400.000 Euro, da fehlt mir jedes Verständnis, da fehlt mir die Kunstfertigkeit." Der Markt für moderne Kunst sei jenseits von Gut und Böse – "grenzenlos überbewertet". Dabei weiß Nagel am besten, dass bei Kunst der Verstand manchmal aussetzt. Ihm ging es so bei einer Schrezheimer Fayence. Der Krug war mit 800 Mark angesetzt, bis 1600 wollte er gehen. Schließlich machte er doch weiter, bis zum Zuschlag bei 4500. "Auf dem Heimweg hab ich gedacht: den andern rätst du immer, sich Grenzen zu setzen, und selber läsch dich so geha."

Die Welt der Sammler. Da gebe es jene, sagt Nagel, die sich hoffnungslos in ein Objekt verliebten und es sich buchstäblich vom Mund absparten. Da gebe es aber auch jene ("die ganz Unangenehmen"), die über unbegrenzte Geldmittel verfügten und gleich beim Betreten des Ladens nach dem wertvollsten Objekt fragten. "Die spazieren durchs Geschäft wie durch einen Supermarkt: ach, das ist ja ganz hübsch, das nehm ich. Das ist auch nett, das nehm ich auch mit."

Als erfahrener Händler habe man Gott sei Dank Methoden, um solche Kundschaft auf andere Dinge anzuspitzen, sagt Nagel. "Besonders geliebte Objekte muss man vor diesen Leuten schützen."