Was sie aus solchen Gelegenheiten machen kann, zeigt „Mein Lover, sein Vater und ich“. Sie sitzt am Sterbebett des Vaters, und diese Szene ist leise, verinnerlicht und elegisch, das Psychogramm einer ausweglosen stummen Verzweiflung. Müller-Elmau schenkt sich so vollkommen diesem Moment, dass sie daraus die Wahrheit des Lebens zaubert. „Die Kunst ist eine Vermittlung des Unaussprechlichen“, schrieb Goethe, und die bezwingende Gewalt dieser leidenden Turnschuh-Madonna illustriert das Zitat. Kaum ein Muskel zuckt, wenn sich in ihr Trauer und Schmerz zu einem homogenen Gemenge verdichten, das, so scheint es, sich wie eine Decke über ihr klares, markantes Antlitz legt. Allein sie weiß, ob dabei Realität und Fiktion verschmelzen: Ihr Vater starb mit 69 Jahren an Krebs. Kann man die Biografie, wie das manche Schauspielschulen lehren, immer von der Rolle abtrennen? Die Antwort ist eine Gegenfrage: „Ist das denn notwendig? Ich finde es legitim, nach Schnittmengen und Erfahrungen zu suchen.“

 

Ihr Busen war zu sehen

Dass sie, autonom wie Autodidakt, häufig auf äußere Attribute reduziert wird, ficht sie nicht an. Ihre nonchalante Virilität, die ohne feminine Affektiertheit auskommt, ist wie eine Landschaft, die keine Zeit zu kennen scheint. Wenn sie lacht, denkt man an den Vesuv, und bisweilen wirkt es während unseres Gesprächs, als bekäme man etwas geschenkt: eine charmante, verborgene Welt. Dieses Außen ist es auch, das sie sucht: „Wenn man als Darstellerin nur das abruft, was man sich vorher zu Hause am Tisch überlegt hat, dann ist man schon im Gestern.“ Nur dem Platten, dem Aufdringlichen, dem Grellen zeigt sie die Zähne. „Da wurde ich gelinkt“, sagt sie, wenn man sie auf „Japaner sind die besseren Liebhaber“ anspricht, den einzigen Film, in dem ihr Busen zu sehen war.

Damals, 1995, war ihr zugesagt worden, diese Sekunde nicht zu zeigen. Ihr Ärger über diesen Vertrauensbruch ist immer noch nicht verraucht, denn eigentlich sind es in ihren Filmen die sie umwerbenden Männer, die sich entblößen. Sie geben alles auf, was sie unverwechselbar, cool und interessant macht. Und das kann man nur mit einer wie ihr inszenieren. Mit einer, die ist, was sie in anderen auslöst. Authentisch, eruptiv, ein Naturschauspiel.