Er hat mit Til Schweiger Hörspiele aufgenommen, mit Dj Bobo Ibiza-Pool-Videos gedreht, für den SWR Dokumentarfilme produziert. Jetzt macht Florian Fickel Comedy-Theater.

Stuttgart - Von der Wand grinst ein dreiohriger Esel auf den Konferenztisch herab. Ein Plakat warnt mit knalligen Farben: „Die Playmos kommen!“ Ein anderes wirbt mit dem klassischen „Ja, ich will!“ für ein Comedystück. Am Tisch sitzt der Mann, der sich die Geschichte mit dem vielohrigen Esel ausgedacht hat, der Playmobilfiguren zum Leben erweckt hat und jetzt mit einer Comedy-Nummer das Stuttgarter Theaterhaus erobern will: Florian Fickel, 44, ist eine Wundertüte, ein Verwandlungskünstler, der mit den Formaten spielt: mit Videoclips, Dokumentarfilmen, Hörspielen und Theaterproduktionen. Seit Fickel sich vor rund 20 Jahren selbstständig gemacht hat, wechselt er die Medien und Bühnen wie andere ihre Hemden.

 

Seine jüngste Verwandlung macht ihn doch etwas nervös. Über seine Hörspielproduktionen lernte er vor anderthalb Jahren Werner Schretzmeier kennen, die graue Eminenz des Theaterhauses. Die beiden kamen ins Gespräch, funkten auf derselben Wellenlänge, und als Florian Fickel erzählte, dass er gerne ein Theaterstück schreiben würde, sagte Schretzmeier: „Mach’s.“ Weil Fickel zu jenen Kreativen gehört, die nicht nur schöne Hirngespinste haben, sondern diese so lange verfolgen, bis sie Wirklichkeit werden, läuft nun im Theaterhaus am Pragsattel sein Comedy-Stück über die Ehe sowie über Gewohnheiten von Männern und Frauen an.

Klingt nach Mario Barth. Florian Fickel verzieht das Gesicht: „Was ich mache, geht eher in Richtung ,Caveman‘“, einem Theaterstück, das den Kampf der Geschlechter bundesweit auf die Bühne bringt. „Natürlich behandle ich schon auch Geschlechter-Klischees und polarisiere in beide Richtungen.“ Mit Niveau also, will Fickel damit sagen, und ohne Witz mit Barth. Seit mehr als zwei Monaten probt er mit zwei jungen Schauspielern, „wir sind zu dritt ständig in einem Raum, da brauchst du Geduld. Und vor der Premiere gute Nerven.“ Fickel trägt zur Zauselfrisur eine Kapuzenjacke und Sneaker – er wirkt wie der Prototyp eines großen Jungen, der davon träumt, mit seiner Fantasie die Welt zu erobern. Aber, ob sein Kunsthandwerk diesmal beim Publikum ankommt? „In den Saal passen 280 Zuschauer“, erzählt Fickel, „wenn die nicht lachen, muss ich den Notausgang suchen.“

Die Angst des Entertainers

Lächelnd beschreibt er die Angst des Entertainers vor der Stille im Saal, die für ihn mehr Facetten besitzt als nur die, ob Publikum und Kritiker applaudieren. Erfolg oder Misserfolg – beides bekommt Fickel finanziell zu spüren. In seinem Büro in der Stuttgarter Innenstadt arbeitet er als Ein-Mann-Firma. Mit allen wirtschaftlichen Risiken. So hat sich Fickel Projekte ausgedacht, mit Sendern über Programmplätze und die Finanzierung verhandelt, Hörspielsprecher gesucht, mit Regisseuren Konzepte durchdacht, Filme gedreht und zum Schluss das Marketing selbst übernommen. Florian Fickel ist ein Teil jener Kreativbranche, die verführerisch schillert, in der Geschäfte jedoch oft nach dem Prinzip der Selbstausbeutung laufen. Gerade beim Film ist der Konkurrenzkampf hart, und Fickel hat viele gute Dokumentarfilmer erlebt, die „auf der Strecke geblieben sind“, die aufgegeben haben, weil den Sendern der Mut fehlte.

Seine eigene Geschichte ist die eines Autodidakten mit dem Charme eines cleveren Verkäufers. Zu Beginn seiner Karriere wollte er genau das tun: Produkte verkaufen. Fickel machte im pietistischen Korntal sein Abitur, studierte an der Fachhochschule in Pforzheim Werbung und landete bald weit weg – in Hamburg, wo er bei der Werbeagentur Springer & Jacoby in den Wettlauf um die besten Ideen einstieg. „Anfangs fand ich das großartig“, erzählt Fickel, „dann habe ich schnell gemerkt, dass ich nicht cool genug bin.“ So landete Fickel nach dem Studium nicht im weltläufigen Hamburg, sondern bei der Plattenfirma Intercord, die von Stuttgart-Sillenbuch aus neue Töne in die Musikindustrie brachte.

Fickel begleitete Pur, Reinhard Mey oder die Independent-Band Prodigy mit seinen Werbebotschaften – so lange, bis er feststellte, dass es ihm nicht mehr genügte, das Werk anderer mit schönen Worten zu dekorieren. Der Werbeprofi wechselte zu den Media-Mutanten, einer Firma, die Videoclips drehte. Dort produzierte er zwei Jahre lang „einen Clip nach dem anderen“. Fickel wurde zum Fließbandarbeiter der Musikindustrie, was sich nicht wesentlich änderte, als er sich selbstständig machte und nun eigene Videoclips drehte: „Mit DJ Bobo oder Judith vom Marienhof, ich drehte Unmengen von Ibiza-Pool-Videos. Es machte Riesenspaß, aber ich habe auch erkannt, dass ich kein guter Videoclip-Regisseur bin.“ Fickel spürte, als für ihn die Party vorbei war und es Zeit wurde für einen Neubeginn. Für ein Experiment.

Vom Spaßvideo zum Dokumentarfilm

So häutete sich Florian Fickel erneut, und der Mann für die schnellen Spaßvideos verwandelte sich in einen ernsthaften Regisseur und Produzenten von Dokumentarfilmen. Der Startschuss für Florian Fickel war „Taxi“, ein Film, in dem er acht Fahrer porträtierte und dem ein ungewöhnliches Projekt folgte: Für „Blind in Manhattan“ begleitete Fickel eine blinde Frau bei ihrer Reise nach New York. Beide Filme liefen im SWR wie auch Fickels bisher aufwendigstes Projekt, eine fünfteilige Dokuserie über den Alltag in Deutschlands bekanntestem Internat. Für den Stuttgarter wurde der Bodensee ein halbes Jahr lang zur zweiten Heimat, Fickel wohnte in Salem, stürzte sich mit Haut und Haaren in das Projekt. So lange, bis ihn die Sache beinahe aufzufressen begann. „Nach der Serie hat mir die Kraft gefehlt, gleich wieder von vorn mit der nächsten Sache weiterzumachen“, erinnert er sich. „Ich bin in ein Tal gestürzt, und es hat fast zwei Jahre gedauert, bis ich wieder rauskam.“

Florian Fickel macht einen Kaffee in der Küche. Die Holzdielen knarren bei jedem Schritt, ein betagter Kühlschrank brummt vor sich hin. Fickel teilt sich sein Innenstadtbüro mit zwei Grafikern, er ist nach seiner Zeit bei der Plattenfirma Intercord immer selbstständig geblieben. „Ich bin kein Typ, der in einem Konzern zurechtkommen würde.“ Die One-Man-Show gibt ihm viele Freiheiten. Und viel Druck.

Seine beiden Kinder sind inzwischen 12 und 14 Jahre alt, und es gab Momente, in denen er sich fragte, ob er es dauerhaft schaffen würde, mit seiner Arbeit eine Familie zu ernähren. „Angst ist auch eine Antriebskraft.“ Der Kreativmotor muss immer weiter laufen. Florian Fickel hat gelernt, dass sich hinter vermeintlichem Glanz manchmal Elend verbirgt. „In Berlin haben alle Ideen, aber es wird kaum etwas umgesetzt. Wenn ich von einer Idee überzeugt war, habe ich versucht, sie durchzuboxen.“ So lief es auch bei den Hörspielen.

Bruce Willis liest Uhland

Wie immer, wenn Fickel etwas Neues anfing, begann alles mit „einer großen Portion Naivität“ und mit dem Mut, über den Tellerrand hinauszuschauen. „Ich habe mich vor ein paar Jahren gefragt, wie es wäre, wenn Bruce Willis Liebesgedichte lesen würde?“ Florian Fickel rief einfach an. Nicht bei Bruce Willis, sondern bei Manfred Lehmann, der deutschen Stimme des Schauspielers. Der Schwabe ging mit der Idee auf Deutschlandtournee, ließ den Synchronsprecher von Bruce Willis ein Gedicht von Ludwig Uhland lesen, die Stimme von Harrison Ford rezitierte Shakespeare, die von Clint Eastwood sprach einen Text von Joseph Freiherr von Eichendorff ein.

Die Sache wurde zum Knaller: 35 000- mal verkauften sich die „Liebesgrüße aus Hollywood“. Mit dem Erfolg startete Fickel in die nächste Umlaufbahn seiner Do-it-yourself-Karriere. Der Stuttgarter wurde zum Hörspielmann, der sich bald auf eine jüngere Zielgruppe spezialisierte: „Als ich mit meinen Kindern Playmobil spielte, fragte ich mich eines Tages, wie es denn wäre, wenn die Figuren lebendig würden, sobald die Kinder das Zimmer verlassen.“ Es lief, wie so oft in Fickels Karriere: Er war infiziert von einer guten Idee, Freunde sagten ihm, das könne er gleich vergessen, mit der Hörspiel-Idee bei Playmobil vorstellig zu werden – und Fickel tat es trotzdem. „Inzwischen sind die Abenteuer der Playmos in Serie gegangen.“

Klar, dass es Fickel dabei nicht belassen konnte. Das Theater ist sein nächster Flirt mit dem großen Unbekannten. Hier öffnet er seine nächste Wundertüte.