Seit vier Jahren ist sie im Stuttgarter Ensemble – und bei Lisa Bitter ging es gleich steil aufwärts. Gerade ist ihr erster Kinofilm angelaufen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Sie hat es sich leichter vorgestellt. Lisa Bitter hat schon einige Rollen am Schauspiel Stuttgart gespielt, die Elisabeth in „Don Karlos“, die Lucile in „Dantons Tod“, auch mit Volker Lösch hat sie gearbeitet. Deshalb hat es sie zunächst nicht geschreckt, dass die Schauspieler in Löschs neuer Inszenierung von Albert Camus’ „Gerechten“ als Moderatoren auftreten sollen. „Ich dachte, Moderieren sei nicht weit weg von der Schauspielerei“, erzählt sie, „aber ich habe gemerkt, es ist etwas komplett anderes“. Das Publikum soll in der neuen Produktion mitdiskutieren, während die Schauspieler den Abend strukturieren. „Das war total neu, man muss reagieren, schlagfertig sein“, sagt Bitter.

 

Eine besondere Erfahrung für die junge Schauspielerin, nicht nur, weil Volker Lösch am Mittwoch noch einmal das gesamte Konzept umgeworfen hat. „Wir Schauspieler haben auch viel geredet über direkte Demokratie“, erzählt Lisa Bitter, „wie weit würde man selber gehen, welche Zugeständnisse machen?“

Rollen mit Ecken und Kanten

Seit vier Jahren ist sie im Stuttgarter Ensemble – und bei Bitter ging es gleich steil aufwärts. Sie hat schnell „schöne, spannende, herausfordernde Rollen bekommen, auch solche, die man mir nicht sofort zuschreiben würde“. An der Schauspielschule wurde sie als die klassische Julia definiert. „Es passt zu meiner Person“, sagt Bitter, aber genau deshalb will sie auch andere Rollen spielen – „mit Ecken und Kanten“.

Sie mag zart, zerbrechlich und empfindsam wirken wie Shakespeares Julia, aber Lisa Bitter ist eine selbstbewusste, reife und reflektierte junge Frau. Sie wollte überhaupt nicht Schauspielerin werden. Sie ist als Kind regelmäßig ins Theater gegangen und ihre Mutter war mit einer Schauspielerin befreundet. „Da habe ich viel mitgekriegt“, erzählt sie – die Schattenseiten, die Einsamkeit, wenn man in einer anderen Stadt engagiert ist, die Schwierigkeiten, eine Familie zu gründen.

Beim ersten Vorsprechen prompt aufgenommen

Deshalb hat Lisa Bitter es zunächst mit einem Biologiestudium versucht, „aber ich habe gemerkt: ich kriege das nicht hin, diese Fisselarbeit im Labor“. Sie hat umgeschwenkt auf Kulturwissenschaften in Leipzig. Jeden Tag fuhr sie an der Schauspielschule vorbei. Und als sie einmal sah, wie die Studenten Fechten übten, da hat es sie gepackt. „Ich wollte mir nicht vorwerfen, es nicht probiert zu haben.“ Sie spricht vor und wird prompt angenommen. „Knall auf Fall war mein Leben komplett verändert“, erzählt sie, „aber es war richtig so.“

Der Erfolg gibt ihr recht. Gerade ist ihr erster Kinofilm angelaufen: „Das Hochzeitsvideo“ von Sönke Wortmann. „Sönke hat Leute gesucht, die noch nicht bekannt sind“, erzählt sie. Denn „Das Hochzeitsvideo“ will den Eindruck erwecken, als handle es sich um privates Filmmaterial – deshalb konnte Wortmann keine Schauspieler engagieren, die das Publikum erkannt hätte. So war es ein junges Team, das vor der Kamera stand, alle fünf kamen sie frisch von der Hochschule, alle waren sie Anfänger. „Eine Supertruppe“, erinnert sich Bitter, die weiß, dass so ein Film „eine einmalige Chance“ ist. „Sönke ist ein sehr gelassener Mensch, sehr ruhig, er wusste genau, was er wollte und wie er uns da hinbringt.“

Natürlich ist Lisa Bitter Anfang des Monats zur Filmpremiere nach Köln gefahren. „Das war ungewohnt. Anders als im Theater kann man sich hinhocken und Popcorn essen.“ Wenn alles klappt, wird sie im Herbst schon den nächsten Film drehen – in Shanghai.

Ein zweites Leben neben dem Theater

Es läuft also bestens für die Schauspielerin, die aber zu klug ist, sich allzu viele Illusionen zu machen. In einem Jahr heißt es Koffer packen, dann löst sich das Ensemble von Hasko Weber auf. „Ich weiß noch nicht, wo ich im Herbst 2013 wohnen werde“, sagt Bitter, die auch weiß, dass das zweite Engagement oft schwieriger zu bekommen ist als das erste nach der Hochschule. „Es wird nicht immer so weitergehen, es wird Phasen geben, wo nichts ist.“

Leidenschaft für Dialekte

Deshalb versucht sie, noch ein Leben neben dem Theater zu haben, auch wenn das schwer ist. „Es geht schnell, dass man im Mikrokosmos verschwunden ist“. Sie bemüht sich gegenzusteuern und regelmäßig ins Museum zu gehen, „einen anderen Input zu kriegen“. Früher hat sie Leichtathletik als Leistungssport betrieben. „Aber Vereinssport geht jetzt nicht mehr“, sagt sie mit Bedauern. So versucht sie, zu schwimmen, zu joggen, Badminton zu spielen und hätte doch gute Lust „mal wieder einen Speer zu werfen“.

Auch wenn Lisa Bitter noch nicht weiß, wo sie landen wird, Theater soll es sein. Am liebsten in vielen verschiedenen Städten der Republik. Sie hat eine Leidenschaft für Dialekte und würde gern die unterschiedlichen Mentalitäten und Landstriche kennenlernen. Oder sogar mal richtig weit wegfahren. Lisa Bitter ist schließlich noch nicht mal dreißig und hat bisher wenig von der Welt gesehen. „Ich würde gern mal richtig weit wegfahren, dorthin, wo ich die Sprache, die Kultur nicht kenne.“