Auf der Insel Culatra bestimmen nach wie vor die Gezeiten den Lebensrhythmus. Autos? Fehlanzeige. Hotels gibt es allerdings auch nicht.

Culatra - Nur der Wind schaut vorbei. Er trifft sich hier mit der Sonne. Sonst ist fast niemand da: an diesem Vormittag nur zwei, drei Paare mit ein paar Badelaken und einem Sonnenschirm am neun Kilometer langen Sandstrand - weil fast keiner von dieser Insel und ihren vier Nachbar-Eilanden weiß. AufCulatra gibt es immerhin zwei Dörfer, den gleichnamigen Hauptort und Farol, das seinen Namen dem Leuchtturm verdankt, der von fast jeder Stelle der Insel sichtbar ist. Aber kein einziges Hotel, keine Pension. Die Einheimischen wollen so etwas hier nicht. Es würde Unruhe in ihren Alltag bringen.

 

980 Einwohner leben in Culatra und weitere 14 in Farol. Sie sind fast alle Fischer oder Muschelfarmer. In Farol arbeitet die Hälfte als Leuchtturmwärter. Die fünf Inseln vor Faro und Olhão sind die vergessenen Inseln der Algarve: Sie schützen die Ria-Formosa-Lagune zum offenen Atlantik hin wie ein Riegel. Hier gibt es nichts außer den kleinen Fischersiedlungen mit ein paar Bars und Restaurants unter Sonnenschirmen und Markisen. Dafür kilometerlange Dünenstrände und keine Autos. Nur ein paar Traktoren zum Lastentransport tuckern ab und zu durch den Sand, wenn mal wieder einige Kisten Bier oder eine Palette Mineralwasser angelandet werden. Das Festland mit seinen Touristenhochburgen ist nur drei Kilometer Luftlinie entfernt. Trotzdem braucht die Fähre von Olhão, auf Zickzackkurs vorbei an Sandbänken und Untiefen, zwischen 30 und 45 Minuten bis zum Anleger der Hauptinsel Culatra. Meistens vier-, im Sommer bis zu siebenmal am Tag fährt das alte Schiff und hat neben Einheimischen und Paletten mit Getränkekisten allenfalls Tagesbesucher an Bord.

Um sieben legt die letzte Fähre ab

Abends um sieben legt die letzte Fähre ab. Zurück bleibt nur, wer sich später ein Wassertaxi zum Festland leisten möchte oder wer einen kennt, der sein Häuschen auf Culatra vermietet. Auf Dauer leerstehende Häuser gibt es deshalb nicht, weil es keine Flucht in die Stadt, kaum Wegzug gibt: „Die haben zu wenig Wasser dort drüben auf dem Festland, nur an einer Seite, nicht drum herum so wie bei uns“, scherzt Helder Mendonça. Außerdem sei es dort zu laut, zu schnelllebig - nichts, wo man auf Dauer sein mag. Der Mann mit dem Uniformhemd ist froh, dass er zurück ist.

Er lebt zum dritten Mal hier und hat eigentlich nie weggewollt. Als Sohn von einem der Leuchtturmwärter aus Farol kam er hier vor bald vier Jahrzehnten zur Welt und wuchs im Schatten des 42 Meter hohen Ausrufezeichens aus Stein und weißem Putz auf. Sein Spielplatz war die Plattform des Leuchtturms mit dem riesigen rotierenden Spiegel. Die Tanzfläche seiner Jugend war der Strand vor der Haustür, wo sie abends alle hingingen, Musik machten und feierten. Zur Ausbildung musste er aufs Festland. Danach kehrte er zurück, um den Job des Vaters zu übernehmen. Nach fünf Jahren wurde er routinemäßig auf einen Turm bei Lissabon versetzt, jetzt ist er zurück: wieder für eine Fünfjahresschicht in Farol, vielleicht sogar länger.

Sein eigener Sohn wird demnächst sechs, die Tochter ist gerade ein Jahr alt. Was aus seinem Sohn João einmal werden soll? Helder lächelt. „Am besten Leuchtturmwärter, am besten hier. Wenn es diesen Beruf dann noch gibt.“ Jetzt hat er Melancholie in seinem Blick. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Gegenwart das Inselparadies bis dahin eingeholt hat. Noch bestimmten vor allem der Mond und die Gezeiten den Ablauf allen Tuns. Am Anfang jedes Tages steht die Fangfahrt hinaus in die Lagune oder auf den Atlantik. Meist gegen Mittag sind die Männer und mit ihnen die zwei Fischerinnen des Ortes zurück. Dann haben sie ihre Ausbeute bereits drüben auf dem Festland in Olhão angelandet.

Abends ist es schnell ruhig im Ort

Zurück in Culatra knoten sie ihre Boote mit so schönen Namen wie „Siempre Amigos“ (Einfach Freunde) oder „Deus del Mar“ (Gott des Meeres) wieder an den Steg. Gemeinsam mit Sandro Manuel, der den ganzen Tag nichts anderes macht, sortieren sie am Ufer noch die Netze, verschwinden dann auf ein Sagres-Bier in einer der Bars, diskutieren über Fußball oder halten im Schatten der kleinen Kirche ein Mittagsschläfchen. Wenn am Nachmittag der Geruch von gegrilltem Fisch aus jedem Innenhof aufsteigt, gehen sie nach Hause zu ihren Familien. Abends ist es schnell ruhig im Ort, denn die meisten müssen sehr früh am Morgen aufstehen, um aufs Meer hinauszufahren. Nur auf dem Fußballplatz ist dann noch etwas los. Der Dorfverein ist gerade von der fünften in die vierte Liga aufgestiegen. „Wer da bestehen will, muss viel trainieren“, meint Adelino Guerreiro, der direkt gegenüber der beliebtesten Bar wohnt und das Wappen seines Lieblingsfußballclubs Sporting Lissabon neben die Haustür gemalt hat.

Traurig ist er, dass nun nicht mal mehr die Heimspiele der Inselmannschaft auf Culatra ausgetragen werden dürfen. Denn ab der vierten Liga ist in Portugal die internationale Normgröße eines Fußballplatzes festgeschrieben. Und der Platz auf Culatra ist nicht lang genug. Aus Normen hat man sich hier noch nie viel gemacht. Seit dem Aufstieg tuckern Spieler und Fans nun immer mit der Fähre hinüber Richtung Faro. Dort hat man ihnen ein Stadion für die Heimspiele zur Verfügung gestellt. Nur sieht es drum herum gar nicht nach Heimat aus. Die kleinen eingeschossigen, pastellfarben getünchten Bauten fehlen, die Veranden mit den vielen Blumentöpfen und natürlich der viele Sand.

Aber auch die Ruhe, diese unfassbare Gemütlichkeit. „Culatra“, sagen die Leute vom Festland, „sieht aus, als hätte es einen Landstrich aus dem Nordosten Brasiliens vor Europas Küste gespült. Und irgendwie fühlt es sich dort auch so an.“ 980 Fischer und ein paar Leuchtturmwärter hoffen, dass es noch lange so bleiben wird.

Infos zur Algarve

Anreise
Ab März mit Germanwings von Stuttgart nach Faro ab 160 Euro, www.germanwings.com . Tap Air Portugal fliegt ab Frankfurt oder München via Lissabon nach Faro, ab rund 180 Euro, www.flytap.com . Fähre von Olhão bei Faro nach Culatra 2 Euro pro Strecke.

Unterkunft
Tscharlie und Verena bieten ein Ferienhaus auf der Insel Culatra mit 6-8 Schlafplätzen für 60 Euro pro Tag, www.reif-fuerdieinsel.de . Weitere Ferienhäuser von privat ab 300 Euro/Woche unter www.mediaferienportal.com .

Für den Erstbesuch ideal: Doppelzimmer im Hotel Real Olhão (www.realhotelsgroup.com ) direkt gegenüber auf dem Festland ab 66 Euro/Nacht.

Allgemeine Informationen
Turismo do Portugal, Zimmerstr. 56 in 10117 Berlin, Tel. 030 / 2 54 10 60, www.visitportugal.com und www.atalgarve.pt

Sehenswürdigkeiten und Ausflüge
Bei Urlaubern besonders beliebt ist der lange Südküstenstrand von Culatra. Noch urtümlicher - weil dünner besiedelt - ist die Nachbarinsel Armona. Eine Direktverbindung per Boot von Culatra gibt es aber nicht. Man muss zunächst zurück zum Fähranleger in Olhão und dort in das Boot nach Armona umsteigen.

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall sollten Sie einen langen Abend bleiben, wenn Sie Quartier auf dem Festland bezogen haben. Die Wassertaxis fahren die ganze Nacht und kosten pauschal 25 Euro pro Strecke.

Auf keinen Fall sollten Sie bei Ebbe zu weit hinauswaten oder gar auf einer der Sandbänke campieren. Wenn mit der Flut das Wasser zurückkommt, steigt der Meeresspiegel in der Lagune unerwartet schnell an.