Wer im Stuttgarter Wald bei einem Unfall Hilfe braucht, findet bisher nur auf städtischen Flächen Rettungspunkte zur Orientierung. Das Land wollte keine Tafeln aufstellen – und vollzieht jetzt die Kehrtwende.

So schnell ändert sich manchmal die Meinung in einer Landesregierung. Was vor wenigen Monaten noch unmöglich schien, wird jetzt plötzlich doch wahr. Mit dem Brief, den der Stuttgarter FDP-Landtagsabgeordnete Friedrich Haag jetzt bekommen hat, war jedenfalls nicht zu rechnen. Darin verkündet Peter Hauk (CDU), Minister für Ernährung, ländlichen Raum und Verbraucherschutz, eine ungewöhnliche Kehrtwende.

 

Was war passiert? Bundesweit sind an vielen Zugängen oder zentralen Stellen im Wald Rettungspunkte eingerichtet. In Baden-Württemberg gibt es 7000. Die meisten sind auch beschildert. Sie dienten ursprünglich dazu, um in der Waldarbeit verletzte Personen aufzufinden und den Transport vom Unfallort ins Krankenhaus so zügig wie möglich zu gewährleisten. Doch nicht nur die Forstwirtschaft nutzt die Punkte. Auch andere Verletzte oder Helfer können sich daran orientieren, denn die Hilfe oder Ortung über Handy funktioniert nicht immer und ist im Wald häufig ungenau.

Dafür müssen die Punkte allerdings beschildert und mit einer Nummer versehen sein. In Stuttgart herrscht an dieser Stelle großes Durcheinander. Denn wenn man hier verunglückt und Orientierung braucht, hat man in manchen Gegenden schlicht Pech. Nur 53 Prozent der insgesamt 5000 Hektar Stuttgarter Wald gehören der Stadt. Etwa 37 Prozent gehören dem Land Baden-Württemberg, zehn Prozent sind in Privatbesitz – dazu zählt auch der Stiftungswald Esslingen. Die Stuttgarter und Esslinger Anteile sind mit 43 Tafeln versehen. Weitere 20, die für den Landesteil festgelegt sind, fehlten bisher. Und daran sollte sich eigentlich auch nichts ändern.

Denn während die Stadt die Schilder für sinnvoll erachtet und das fürs Rettungswesen zuständige Innenministerium auf Haags Anfrage hin mitgeteilt hat, dass es im Stuttgarter Wald seit 2019 insgesamt 26 Einsätze von Rettungsdienst und Feuerwehr gegeben hat, bei denen ein Rettungspunkt als Anfahradresse genannt worden ist, wollte das Land auf seinen Flächen weiterhin nichts aufstellen. Eine flächendeckende Beschilderung sei „nicht zeitgemäß“, hieß es in einem Schreiben Hauks vor einigen Monaten. Waldbesucher könnten, wo die Schilder fehlen, über Online-Portale oder Apps feststellen, wo sich die Rettungspunkte befänden.

„Gesteigertes öffentliches Interesse“

Diese Meinung hat sich jetzt, nach weiterem Nachhaken Haags und der Berichterstattung in unserer Zeitung, offenbar geändert. „Ihre erneute Anfrage habe ich zum Anlass genommen, bei ForstBW nachzuhaken“, heißt es im aktuellen Brief. Der Forstbetrieb, der sich um den Staatswald in Baden-Württemberg kümmert, werde „unter Berücksichtigung der konkreten örtlichen Situation im Stuttgarter Waldgebiet eine Ausweisung der forstlichen Rettungspunkte im Staatswald vornehmen“. Damit werde „dem gesteigerten öffentlichen Interesse an einer entsprechenden Beschilderung im Ballungsraum Stuttgart Rechnung getragen“.

Künftig macht es bei Unfällen im Stuttgarter Wald also keinen Unterschied mehr, ob man sich auf Stadt- oder Landesfläche befindet. Schilder zur Orientierung findet man bei Bedarf flächendeckend. Laut Haag ist mit der Aufstellung offenbar bereits begonnen worden. Der Abgeordnete ist froh über das Einlenken des Landes: „Späte Einsicht ist besser als keine. Ich freue mich, dass die Landesregierung nach einem überflüssigen Hin und Her die Notwendigkeit der Rettungspunkte anerkannt hat und dass die Beschilderung im Stuttgarter Wald nun endlich umgesetzt wird“, sagt er. Das sei ein guter Tag für die Sicherheit der Menschen, die die Naherholungsgebiete rund um Stuttgart gerne nutzen.