Ursula von der Leyen will am Dienstag die Namen der Kommissare präsentieren, doch daraus könnte nichts werden. Das liegt nicht nur an Slowenien.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Bei den Sozialdemokraten in Brüssel herrscht dicke Luft. Sie fühlen sich von der konservativen Mehrheit im Europaparlament politisch überfahren und von EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen missachtet, von „Demütigung“ ist die Rede. Ausgangspunkt für den Ärger sind die Nominierungen für die Kommissare in der EU-Kommission. René Repasi, Vorsitzender der Europa-SPD, spricht in diesem Zusammenhang von „schlechtem Stil“.

 

Doch nicht nur beim Umgang mit den empörten linken Parteien beweist Ursula von der Leyen kein glückliches Händchen. Die erste politische Schlappe war die von ihr angestrebte mehrheitliche Besetzung des Kollegiums mit Frauen. Die EU-Staaten weigerten sich schlicht, Politikerinnen zu nominieren. Damit könnten der Kommission „Von der Leyen II“ elf Frauen und 16 Männer angehören, die deutsche Kommissionschefin bereits eingerechnet. Das wäre immer noch eine Frau weniger als zu Beginn ihrer ersten Amtszeit 2019. Die CDU-Politikerin versuchte zuletzt noch einige kosmetische Korrekturen an dem Ergebnis, machte damit allerdings alles nur noch schlimmer.

Slowenien als Zünglein an der Waage

Denn Slowenien wollte eigentlich Tomaž Vesel als Kommissar nach Brüssel schicken. Doch bei einem Besuch in dem kleinen Land an der Adria drängte Ursula von der Leyen die Regierung dazu, den Mann durch eine Frau zu ersetzen. Daraufhin zog der ehemalige Präsident des Rechnungshofes seine Kandidatur zurück und plötzlich stand die ehemalige Botschafterin Marta Kos auf der Liste. Wegen dieses überraschenden Manövers verschob sich die Präsentation der Kandidaten um eine Woche, auf den kommenden Dienstag. Der Grund: das slowenische Parlament musste die Personalien noch absegnen.

Doch inzwischen ist auch dieser Termin ungewiss, denn plötzlich sah die rechtskonservative Opposition in Ljubljana ihre Chance gekommen, alte Rechnungen mit den regierenden Linken zu begleichen. Die nationalkonservative Slowenische Demokratische Partei (SDS) des ehemaligen Ministerpräsidenten Janez Janša entschied sich, die Nominierung der Kandidatin zu blockieren. Das ist möglich, da eine Abgeordnete der SDS den zuständigen EU-Ausschuss im slowenischen Parlament leitet und damit die Tagesordnung festlegen kann. Doch damit nicht genug. Plötzlich machen alte Vorwürfe die Runde, dass die Kandidatin Kos einst enge Verbindungen zum jugoslawischen Geheimdienst gehabt habe - was die Ex-Botschafterin weit von sich weist.

Den Spitzenkandidaten einfach ignoriert

Aber auch wenn Ursula von der Leyen das Personenkarussell in den nächsten Wochen unter Kontrolle bekommen sollte, droht angesichts der Wut der Sozialisten im Europaparlament weiteres Ungemach. Die drohen, der gesamten EU-Kommission die notwendige Zustimmung vorzuenthalten. Grund dafür ist, dass der Luxemburger Nicolas Schmit nicht für einen Kommissionsposten nominiert wurde. Der war als Spitzenkandidat bei der Europawahl seinem konservativen Widersacher unterlegen und von der ebenfalls konservativen Regierung in Luxemburg nicht nominiert worden.

Nun poltert der aufgebrachte SPD-Mann René Repasi, dass Schmit als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie „die natürliche Wahl für die Nominierung als Kommissar“ gewesen wäre. „Dass die luxemburgische Regierung einem Parteikollegen den Vorzug gibt, ist schlechter Stil und widerspricht den Vereinbarungen auf europäischer Ebene“, lässt der deutsche SPD-Europachef wissen. Dass es auch anders gehe, hätten die Niederlande im Jahr 2019 bewiesen. Damals nominierten die Liberalen den Sozialdemokraten Timmermans, der dann sogar zu einem der Vize-Präsidenten der Kommission aufstieg.

Belohnung für die Postfaschisten

Für allergrößte Empörung sorgt bei den Linken zusätzlich noch, dass der Kandidat Raffaele Fitto von den postfaschistischen Fratelli d‘Italia wohl nicht nur das wichtige Wirtschaftsressort bekommen soll, sondern offenbar auch für einen Vize-Präsidentenposten vorgeschlagen wird. Die Sozialdemokraten sind mit ihrem Furor nicht allein. „Unhaltbar“ nennt die Vorsitzende der Liberalen-Fraktion im Europaparlament die Pläne, Valérie Hayer. Auch den Grünen missfällt die Personalie Fitto. Italien habe Anrecht auf einen EU-Kommissar, aber Ursula von der Leyen dürfe nun nicht „nach rechts rutschen“, warnt die Ko-Vorsitzende der europäischen Grünen, Terry Reintke.

„Die Regierungschefin Giorgia Meloni wird nun offensichtlich dafür belohnt, dass ihre Partei bei der Wahl von Ursula von der Leyen zur EU-Kommissionspräsidentin gegen sie gestimmt hat“, erzürnt sich René Repasi. Die Sozialdemokraten, die als gute Demokraten in demokratischer Manier für eine Demokratin gestimmt hätten, gingen hingegen leer aus. Sein enttäuschtes Fazit: „Diesen Vertrauensvorsprung hat Ursula von der Leyen nicht honoriert.“

Damit spricht Repasi der Mehrheit der linken Parlamentarier aus der Seele. Immer wieder sind aus deren Reihen kaum verhohlene Drohung zu vernehmen. Die überaus rücksichtslos auftretenden Konservativen müssten in Zukunft sehen, woher sie politische Mehrheiten für ihre Projekte bekommen könnten. Das gelte auch für die notwendige Abstimmung im Parlament über die neue EU-Kommission.