Insbesondere seit Beginn des russischen Kriegs in der Ukraine wächst das Interesse an Erdwärme zur Energiegewinnung. Doch bislang gibt es gerade bei der tiefen Geothermie nur wenige Anlagen.

Geothermie soll im Südwesten aus Sicht der Landesregierung künftig einen größeren Beitrag zur Energieversorgung leisten – vor allem bei Wärme. „Im Oberrheingraben und in der Bodenseeregion hat die Tiefe Geothermie ein gewaltiges Potenzial“, sagte der Staatssekretär im Landesumweltministerium, Andre Baumann. Die Technik sei ein Baustein, um künftig hunderttausende Menschen im Land mit „klimafreundlicher, preiswerter und versorgungssicherer Wärme zu versorgen“.

 

Die Erdwärme-Branche spricht von einem gestiegenen Interesse nicht nur an oberflächennaher, sondern auch an tiefer Geothermie. „Der Druck und das Interesse auch bei Abnehmern ist groß, besonders seit Beginn des russischen Angriffskriegs in der Ukraine“, sagte Lutz Stahl, Geschäftsführer der Deutschen Erdwärme, die in Graben-Neudorf eine Bohrung für Tiefengeothermie durchführt.

Bislang kein großer Beitrag zur Energieversorgung

Die tiefe Geothermie spielt bislang bei der Wärme- und Stromversorgung in Baden-Württemberg noch eine untergeordnete Rolle. Lediglich drei Anlagen mit Tiefengeothermie haben eine Betriebsgenehmigung, zehn sind gegenwärtig in Planung und eine wird gerade gebaut. Den aktuellsten Zahlen des Landesumweltministeriums zufolge lieferte tiefe Geothermie im Jahr 2020 gerade mal 107 Gigawattstunden Wärme – bei einem jährlichen Gesamtbedarf von mehr als 130 Terawattstunden an Wärme im Südwesten.

Bei der tiefen Geothermie wird heißes Thermalwasser aus bis zu fünf Kilometern im Untergrund an die Oberfläche gepumpt, wo die thermische Energie mithilfe von Wärmetauschern oder gegebenenfalls Großwärmepumpen für Fernwärmenetze verfügbar gemacht oder bei besonders ergiebigen Quellen zum Antrieb einer Turbine für die Stromproduktion genutzt werden kann.

Großes Potenzial – und hohe Sicherheit

„Das Potenzial wird bislang viel zu wenig genutzt“, sagte David Bruhn, Geologe an der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geothermie IEG. Ein Problem aus seiner Sicht: Es gebe nach wie vor zu wenig Unterstützung bei der Suche nach geeigneten Bohrstellen. Für den Rheingraben lägen zwar bereits viele Daten zum Untergrund vor, die etwa von der Suche nach Erdöl stammen. „Darüber hinaus aber wird es in Baden-Württemberg dünner, was die Daten angeht“, so Bruhn. Hier sei es an den geologischen Diensten des Landes, den Untergrund weiter zu explorieren.

Ein weiteres Problem ist aus Sicht des Geologen, dass Wärme aus erneuerbaren Energiequellen – im Gegensatz zu Strom – politisch bislang vernachlässigt werde, gerade was finanzielle Zuschüsse wie Einspeisevergütungen anbelange. Dabei wird in Deutschland mehr Energie als Wärme denn als Strom genutzt.

Bedenken im Hinblick auf die Sicherheit der Technologie wies Bruhn zurück: Tiefe und oberflächennahe Geothermie seien sehr sicher. Im Vergleich zur Gesamtzahl insbesondere der oberflächennahen Bohrungen in Deutschland sei es nur in sehr wenigen Fällen in der Vergangenheit zu Beeinträchtigungen gekommen. Schadensereignisse durch seismische Aktivitäten könnten durch angepasste Betriebsmodelle ausgeschlossen werden, sagte Geologe Bruhn. „Heute sind die Daten und das Wissen über den Untergrund besser, außerdem wurde aus früheren Fehlern gelernt.“

Landesregierung fördert effiziente Wärmenetze

Im Umweltministerium des Landes nimmt man die „Sorgen und Ängste“ von Bürgerinnen und Bürgern „sehr ernst“, wie der zuständige Staatssekretär sagte. Um Akzeptanz für diese Energiequelle Transparenz, Fakten und Argumente seien wichtig, um Akzeptanz für diese Energiequelle zu gewinnen. „Mit der richtigen Technik sind die Risiken absolut beherrschbar. Und im Vorfeld finden hunderte von Untersuchungen des Bodens und des Trinkwassers statt, um genügend Daten zu sammeln und Gefahren auszuschließen“, so Baumann.

Um die Nutzung der Erdwärme in Baden-Württemberg voranzubringen, will die grün-schwarze Landesregierung das Förderprogramm „effiziente Wärmenetze“ weiterentwickeln – dabei will man „insbesondere auf das Schließen möglicher Förderlücken auf Bundesebene“ achten, wie es aus dem Umweltministerium heißt.