Kürzlich wurden die ersten Power-Nap-Kabinen in Stuttgart eröffnet. Das schreit geradezu nach einem Selbstversuch. StZ-Redakteur Ingmar Volkmann präsentiert Eindrücke eines Nickerchens.

Freizeit & Unterhaltung : Ingmar Volkmann (ivo)

Stuttgart - Der Mittagsschlaf ist in unserer auf Leistung getrimmten Gesellschaft verpönt. Eine Tagesschlafepisode, wie wir Penn-Profis sagen, wird maximal Kleinkindern oder Rentnern zugestanden. Der Rest hat stets hellwach zu sein.

 

Ein schwäbischer Unternehmer hat es sich nun zur Aufgabe gemacht, das schlecht beleumundete High-Noon-Nickerchen ein für allemal ins rechte Licht zu rücken. Lutz Braun, Geschäftsführer des kürzlich an der Marktstraße in der Nähe des Stuttgarter Rathauses neu eröffneten Alexa Braun Somhouse, will Einwohner der Landeshauptstadt zur schwäbischen Siesta bekehren. In seinem Fachgeschäft für schläfrige Waren aller Art bietet er nicht nur Betten, Decken und Bücher gegen Schlaflosigkeit an, sondern verfügt außerdem über die ersten beiden Power-Nap-Kabinen der Stadt. Kunden, Interessierte und alle anderen müden Krieger haben dort die Möglichkeit, die Kunst des Mittagsschlafs zu zelebrieren.

Andernorts ist man in der Schlafkultur schon weiter

Die Vorteile einer mittäglichen Dosis Schlaf liegen dabei auf der Hand: „Wer schläft, sündigt nicht“, wusste schon Giacomo Girolamo Casanova, italienischer Kulturbotschafter. Des Nachtschlafes Bruder soll als Power Nap geadelt die persönliche Produktivität von der Stufe Griechenland auf das Level Wall Street steigern. Andere Kulturkreise schlafen es uns seit langem vor: In Spanien, Mexiko und im Stuttgarter Baurechtsamt gehört die Siesta zum guten Ton. In Japan ist der Inemuri genannte mittägliche Kurzdämmerzustand Grund dafür, dass uns die Japaner in allen Belangen überlegen sind, egal ob es sich um Sushi, Harakiri oder Mitsubishi handelt. Der Überlieferung zufolge hat Albert Einstein täglich einen Mittagsschlaf gehalten, weshalb sich seine Relativitätstheorie heute ganz besonders ausgeschlafen liest.

Da wir ähnlich wie Einstein immer relativ müde sind, haben wir selbstlos im Somhouse recherchiert. Ohne allzu viele Nickerchen vorwegnehmen zu wollen: Die Schlafverhältnisse sind traumhaft. Die beiden Kabinen sind komfortabel eingerichtet. An der Decke ist ein künstlerisch wertvoller Sternenhimmel gestaltet. Aus den Boxen tönt leise Meditationsmusik. Der Nukleus der Schlafkabine, die Liege, schwingt leicht mit und pendelt dadurch rhythmisches Schnarchen aufs Einfühlsamste aus. Die Kabinen sind von innen verschließbar, sodass man vor unliebsamen Kontrollbesuchen des Ressortleiters sicher sein kann. Der Zimmerservice ist exzellent: Die Mitarbeiter von Alexa Braun Somhouse erfragen die gewünschte Dauer des Dösens und wecken den Kurzschläfer nach der gewünschten Zeit. Die für die schwäbische Kultur wichtigste Nachricht zum Schluss: Das Schläfchen kostet nichts! Weder wird man vor Betreten der Kabine zur Kasse gebeten noch muss man nach dem Schläfchen ein Kingsize-Bett im Gegenwert eines Kleinwagens käuflich erwerben.

Erstaunliche Wirkung

Das Ergebnis des 20-minütigen Powernaps ist erstaunlich. Der ansonsten regelmäßig eintretende Sekundenschlaf vor dem Rechner blieb im weiteren Verlauf des Nachmittags aus. Der vom Verlag gewünschte tägliche Output von 90 Zeilen konnte auf 110 gesteigert werden. Und statt dreier doppelter Espressi mussten an diesem Tage nach 15 Uhr nur zwei doppelte gekippt werden, um nicht wie sonst immer auf der Tastatur wegzudämmern.

Die phänomenale Wirkung der Power-Nap-Kabinen hat sich übrigens schon herumgesprochen: Laut Somhouse-Fachkräften gibt es bereits Mittagsschlafstammkunden. Dazu gehören wir von jetzt an natürlich auch. Schon bald werden die Somhouse-Mitarbeiter bei unserem Anblick an Bill Murray denken müssen: Und täglich grüßt das Murmeltier.