Die Verzinsung von Prämiensparverträgen ist seit Jahren umstritten. Warum viele Kunden weiter auf eine Neuberechnung warten müssen.

Vor bereits zwölf Jahren hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass die Prämiensparverträge vieler Kreditinstitute rechtswidrig sind. Auf eine Zinsnachzahlung ihrer Bank warten zahlreiche Kunden aber bis heute vergeblich. Wir erklären die Hintergründe.

 

Was hat der BGH beanstandet?

Die meisten Prämiensparverträge setzen sich aus einem variablen Grundzins und eben der Prämie zusammen – einem Treuebonus, der mit der Vertragsdauer steigt. Der variable Zins ändert sich mit der Marktlage. Die Regeln für diese Zinsänderungen wurden laut Bundesgerichtshof aber von vielen Banken nicht transparent dargestellt. Sie wiesen „nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit“ auf, heißt es in einem BGH-Urteil von April 2010 (Aktenzeichen XI ZR 197/09 ). Das Problem betrifft neben Prämiensparverträgen auch einige Riester-Banksparpläne. Nach weiteren Urteilen forderte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistung (Bafin) im Juni 2021 die Banken in einer Allgemeinverfügung dann dazu auf, auf Sparvertragsinhaber zuzugehen und Schritte für eine Neuvereinbarung der Zinsklausel einzuleiten.

Warum handeln Institute dann nicht?

Weil mehr als zwei Drittel der Geldhäuser in Deutschland gegen diese Allgemeinverfügung Widerspruch eingelegt haben. 1156 Widersprüche gingen bei der Bafin ein. Über sechs davon streiten die Finanzaufsicht und die betroffenen Banken nun vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt. Auf Basis von dessen Entscheidung will die Bafin dann über die restlichen Widersprüche entscheiden. Mit einem Verhandlungstermin ist nach Angaben des Verwaltungsgerichts aber erst nächstes Jahr zu rechnen.

Was bringt die Verzögerung den Banken?

Egal wie das Gericht urteilen wird, die durch das Verfahren entstehende Verzögerung sei schon ein Gewinn für die Bankenbranche, sagt Niels Nauhauser, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Denn bis zum Abschluss des Verfahrens müssen die Kreditinstitute, die Widerspruch eingelegt haben, der Bafin-Anordnung nicht nachkommen. Und je mehr Zeit vergeht, desto mehr Ansprüche auf Zinsnachzahlungen verjähren. Zum Jahresende 2022 verlieren etwa jene Sparvertragsinhaber ihren Anspruch, deren Verträge im Jahr 2019 ordentlich beendet und ausgezahlt worden sind.

Andere Institute versuchten, Sparer zu einer schnellen Einigung über die Zinsanpassung zu drängen, beobachtet Nauhauser. So haben die BW-Bank, die Sparkasse Kraichgau oder die Sparkasse Vorderpfalz Kunden vorgeschlagen, die Verträge vor Ablaufzeit zu beenden oder Zinsnach- sowie Fortzahlungen anhand eines Referenzzinses zu berechnen, den das Oberlandesgericht (OLG) Dresden im April 2022 als interessengerecht bestimmt hat.

Warum wird der Referenzzins kritisiert?

Verbraucherschützer wie Nauhauser halten den empfohlenen Referenzzins des OLG Dresden jedoch für nicht angemessen, da es sich hier um einen Monatszins handelt. „Dieser ist für einen Sparvertrag unseres Erachtens nicht sachgerecht und branchenuntypisch“, sagt Nauhauser, der einen gleitenden Zins, also den Durchschnitt aus einer Vielzahl von Monatswerten, für angebracht hält. Eine Nachberechnung der Verbraucherzentrale von 196 Prämiensparverträgen ergab, dass bei Verwendung des Monatswerts lediglich etwa ein Drittel der Zinsen nachgezahlt werden müssten, die Kunden auf Basis eines gleitenden Referenzwerts zustünden. Im Durchschnitt seien das 2100 Euro weniger pro Sparvertrag. Die Sparkasse Vorderpfalz unterstreicht dagegen den für sie „richtungweisenden“ Charakter des Urteils des Oberlandesgerichts.

Wie argumentieren andere Banken?

Andere Institute machen zum Umgang mit den umstrittenen Verträgen keine Angaben. Die Kreissparkassen Tübingen und Sigmaringen wollen sich „in Bezug auf eines in der Vergangenheit aufgelegten Sparprodukts nicht in der Öffentlichkeit äußern“, ebenso wie die Volksbank Münsingen, die sich auf Anfrage unserer Zeitung auf das Bankgeheimnis beruft. Auch das Vorgehen der BB-Bank sieht Nauhauser kritisch. Laut einer Sprecherin hat diese ihre Kunden frühzeitig über eine Änderung der Zinsklausel informiert und Sparvertragsformulare bereits angepasst, eine erneute Nachberechnung sei daher „nicht angezeigt“, teilt das Institut mit. Nauhauser widerspricht: „Eine einseitige Information ist keine Vereinbarung, hierfür ist die Zustimmung der Kunden nötig.“

Mein Vertrag ist ausgelaufen – und jetzt?

Auch Kunden, deren Prämiensparverträge vor mehr als drei Jahren ausgelaufen sind, sollten die Rechtssprechung weiter verfolgen. Rein rechtlich gesehen sind Banken nach einer dreijährigen Verjährungsfrist zwar nicht mehr dazu verpflichtet, Zinsen neu zu berechnen, erinnert Nauhauser. Je nach Kundenbeziehung könnten sich Banken allerdings zu einer Nachzahlung über die Verjährungsfrist hinaus bereit erklären.