Bahnchef Rüdiger Grube und Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt starten am Mittwoch den Probebetrieb für den Hightech-Zug, der eine neue Ära im Schienenverkehr einleiten soll. Doch viele Probleme bleiben.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Solche Termine lieben Politiker und Manager. Am Mittwoch wird sich im Berliner Hauptbahnhof deshalb viel Prominenz versammeln. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), Bahn-Chef Rüdiger Grube, Fernverkehrschefin Birgit Bohle und Siemens-Vorstand Roland Busch werden vor den TV-Kameras die Weltpremiere des ICE 4 feiern.

 

Dann startet der 14-monatige Probetrieb der vierten ICE-Generation, die Ende 2017 in den Regelbetrieb gehen und mehr Komfort für Bahnreisende bringen soll. Erstmals wird es zum Beispiel acht Fahrrad-Stellplätze pro Zug geben. In den bisherigen rund 250 Intercity-Express-Zügen ist die Mitnahme nicht möglich.

Mit der vorhandenen ICE-Flotte gab und gibt es zudem große Technikprobleme. So erwiesen sich viele Achsen als nicht dauerhaft bruchsicher, müssen deshalb häufig kontrolliert und Zug um Zug ausgetauscht werden. Auch Mängel bei Klimaanlagen, Toiletten, Türsteuerungen und Bordküchen lösten bereits viel Ärger bei Passagieren aus. Der ICE 4, von dem die Bahn bisher 130 Stück in zwei Versionen bestellt hat, soll dagegen die hohen Erwartungen erfüllen, verspricht Hersteller Siemens. Unter Führung des langjährigen DB-Hauslieferanten wurden bereits acht ICE-Baureihen produziert, die ältesten Flitzer sind inzwischen 25 Jahre alt und wurden komplett modernisiert.

Die Fernverkehrssparte der Bahn steckt in der Krise

Auf dem neuen Premiummodell ruhen große Hoffnungen des Staatskonzerns, denn viele Kunden gingen in den letzten Jahren an billigere Fernbusse verloren. Die Fernverkehrssparte (ICE, IC, EC) verfehlte seit 2012 wiederholt ihre Umsatz- und Ertragsziele und steckt in der Krise. Daran ändern auch stolz verkündete Fahrgastrekorde nicht viel, denn viele Fahrgäste kann der Konzern nur noch mit kaum rentablen 19- und 29-Euro-Tickets locken, was die Reisenden freut, aber die Gewinne zusehends schmälert. Spartenchefin Bohle warnte in einem internen Rundbrief bereits vor drohenden Verlusten.

Die Ertragsschwäche des Staatskonzerns auch in anderen Sparten ist brisant, denn so ist die von Grube versprochene Kundenoffensive im Fernverkehr nicht aus eigener Kraft zu finanzieren. Qualität, Service und Pünktlichkeit sollen eigentlich kontinuierlich bis 2030 durch längst überfällige Milliardeninvestitionen verbessert werden.

Allein die neue Flotte mit dem ICE 4 kostet aber zwischen 2016 und 2020 rund vier Milliarden Euro und danach nochmals knapp 3,7 Milliarden Euro. Insgesamt sieht die vertrauliche Projektplanung im Fernverkehr, die der Stuttgarter Zeitung vorliegt, Investitionen in Höhe von rund elf Milliarden Euro vor. Bereits in diesem Jahr jedoch werden die operativen Einnahmen des Bahnkonzerns nicht mehr ausreichen, um die bereits verringerten Nettoinvestitionen ins Netz und neue Züge sowie die Dividende an den Bund von 850 Millionen Euro zu finanzieren. Das räumte DB-Finanzchef Richard Lutz bei der Vorlage der Halbjahresbilanz ein.

Für die neue Zugflotte muss sich der Konzern also vermutlich noch höher über die bisherigen 18,2 Milliarden Euro hinaus verschulden, zumal bald auch ein milliardenhoher Eigenanteil an der teuren Großbaustelle Stuttgart 21 gestemmt werden soll. Die massiven wirtschaftlichen und finanziellen Probleme könnten hinter den Kulissen die Stimmung kräftig trüben.

Der ICE 4 soll eine Werbung fürs Bahnfahren werden

Vor den Kameras werden sich Dobrindt und Grube am Mittwoch aber kaum etwas anmerken lassen. Der ICE 4 soll eine Werbung fürs Bahnfahren werden. Bald können Reisende die Qualität der ersten zwei Premiumzüge testen. Der Probebetrieb startet im Spätherbst zwischen Hamburg, Hannover, Nürnberg und München.

Die lange Testphase soll verhindern, dass wie in den letzten zwei Jahrzehnten häufig Züge mit vielen Kinderkrankheiten in Betrieb gehen. Mängel sollen früher erkannt und beseitigt werden. Ab Dezember 2017 soll dann der Regelbetrieb mit zunächst acht Zügen zwischen Hamburg und München beginnen. Die Routen sollen nach bisherigen Angaben zum einen über Stuttgart sowie zum anderen über Berlin und die ICE-Neubaustrecke VDE 8 durch Thüringen führen.

Die ICE-Neubaustrecke soll ebenfalls Ende 2017 in Betrieb gehen und die Fahrzeit zwischen Berlin und München um ein Drittel auf nur noch vier Stunden verkürzen. Der 107 Kilometer lange Abschnitt Erfurt–Ebensfeld (Bayern) kostete allein 3,8 Milliarden Euro, führt durch 22 Tunnel von insgesamt 41 Kilometer Länge und über 29 Talbrücken und gilt als technische Meisterleistung. Mitte Oktober starten die ersten Testzüge auf der Strecke.

Die ICE-Piste, auf der Schnellzüge Tempo 300 erreichen können, hat einen Makel, denn die Bau- und Finanzierungsprobleme waren so groß, dass die Strecke viel später fertig wurde als einst versprochen. Der Regelbetrieb wird nächstes Jahr mit dann insgesamt 17 Jahren Verspätung beginnen.