Manfred Schmidt, der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, plädiert dafür, bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen vermehrt Wiedereinreisesperren zu verhängen. Die Bearbeitungszeit der Anträge will er auf drei Monate senken.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)
Nürnberg - Bis zu 2500 neue Mitarbeiter erhält das Bundesamt für Migration (BAMF). Die kommen von der Bahn und der Schulbank. Mit ihrer Hilfe will Präsident Manfred Schmidt die Verfahrensdauer auf drei Monate senken.
Herr Schmidt, haben wir den Höhepunkt der Flüchtlingszahlen erreicht?
Wir haben den Ländern zugesagt, im August eine neue Prognose abzugeben und wir werden über den bisher erwarteten Zahlen liegen. Die wird dann das Innenminister bekannt geben.
Wie häufig ruft Herr de Maiziere hier an, um zu fragen, wie es vorangeht?
Mit dem Ministerium stehen wir ständig in engem Kontakt.
Der Druck auf die Politik wächst. Fühlen Sie sich nun Ihrerseits von der Politik unter Druck gesetzt?
Der Druck ist da, aber nicht durch die Politik, sondern durch die Lage, in der wir uns nun einmal befinden. Die erfordert, dass wir schnell tätig werden.
Sie fühlen sich also ausreichend unterstützt?
Wir haben bis Ende des Jahres 1000 neue Stellen bewilligt bekommen. Das ist für eine Bundesverwaltung nicht unbedingt üblich.
Reicht das?
Es wurde vereinbart, dass im nächsten Jahr noch einmal bis zu 1000 weitere Stellen hinzukommen. Und Ende 2014 und Anfang 2015 haben wir schon 650 neue Stellen bekommen. Das ist schon gut.
Die Industrie beklagt den Fachkräftemangel. Sie auch?
Das sehen wir nicht. Allein für die 450 Entscheider-Stellen bis Jahresende haben wir 3800 Bewerbungen erhalten. Und das sind gute Bewerbungen.
Was für Qualifikationen braucht ein Entscheider?
Zunächst einmal einen Bachelor-Abschluss, also Zugang zum gehobenen Dienst. Sie müssen mit Menschen umgehen können und Empathie entwickeln, sich auf Fluchtgeschichten einzulassen.
Herr Kretschmann hatte vorgeschlagen, Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit in Ihr Amt zu integrieren. Eine gute Idee?
Wir machen das bereits, es gibt eine gute Zusammenarbeit mit der Bundesagentur.
Wo waren Ihre neuen Kollegen zuvor beschäftigt?
Das ist unterschiedlich. Sie kommen zum Beispiel aus Landes- oder Kommunalverwaltungen, haben ihre Ausbildung abgeschlossen, kommen von der Bahn oder der Post. Wir sind ein attraktiver Arbeitgeber.
Wer zuvor bei der Bahn oder Post war, hat da kaum über Schicksale entschieden. Wie lernt man das?
Die Grundausbildung dauert drei bis sechs Monate. Und bei der ersten eigenständigen Anhörung hat es der Mitarbeiter nicht mit dem Oppositionsführer aus dem Iran zu tun. Man startet mit Menschen aus Herkunftsländern, bei denen sich die Anhörung leichter gestaltet.
In der öffentlichen Diskussion geht es immer wieder um die Bearbeitungszeit der Asylanträge. Was ist da Ihr Ziel?
Wir waren mal bei acht Monaten, im Moment sind wir im Schnitt bei 5,4 und unser Ziel ist es, einmal auf drei Monate zu kommen.
Die Zeiten haben sich verbessert weil fast nur noch Fälle bearbeitet werden, die entweder klar abgelehnt oder klar angenommen werden. Irgendwann muss man sich aber auch um die anderen kümmern...
Es gibt in der Tat viele Antragsteller, die deutlich länger warten müssen als 5,4 Monate. Im Augenblick warten 250 000 Menschen darauf, dass ihr Asylantrag bearbeitet wird. 52 Prozent dieser Verfahren sind jedoch jünger als sechs Monate. Bis Ende des Jahres wird das Bundesamt in Nürnberg, Berlin, Unna und entweder in Mannheim oder in Freiburg sogenannte Entscheiderzentren eröffnet haben. Dort sollen entscheidungsreife Asylverfahren zügig bearbeitet werden.
Wie viele Fälle kann ein Entscheider pro Tag abschließen?
Da gibt es keine Vorgaben. Es kann sein, dass ein komplizierter Fall sechs Stunden dauert. Es kann sein, dass eine Anhörung abgebrochen und vertagt werden muss, weil der Antragsteller traumatisiert ist. Und bei syrischen Antragstellern verzichten wir in der Regel auf eine Anhörung, da muss nur ein Fragebogen ausgefüllt werden. Dieser ist vielleicht in einer halben Stunde ausgefüllt.
Gilt die halbe Stunde auch für Serben? Deren Anträge werden in der Regel abgelehnt, weil sie aus einem sicheren Herkunftsland kommen.
Da gibt es eine Anhörung, alles wird von einem Dolmetscher übersetzt und wieder rückübersetzt. Jede Anhörung ist eine individuelle Einzelfallprüfung. Von Menschen vom Westbalkan werden als Gründe jedoch häufig schwierige wirtschaftliche Verhältnisse genannt. Armut ist jedoch kein Schutzgrund. Daher sind die Anhörungen auch in diesen Fällen meist relativ kurz.
Viele Menschen vom Westbalkan kommen mit der Hilfe professioneller Schleuser. Gehört zu dieser Hilfestellung nicht auch noch der Tipp dazu, was gesagt werden muss, um doch Asyl zu erhalten?
Es kann schon vorkommen, dass wir zehn Mal hintereinander die gleiche Geschichte hören. Meine Mitarbeiter sind allerdings dafür geschult zu erkennen, was glaubhaft ist und was nicht.
Sie bauen massiv Personal auf, doch die Flüchtlingszahlen steigen weiter. Fühlt man sich da wie bei der Geschichte vom Hasen und vom Igel?
Wir begegnen der Herausforderung ja nicht nur dadurch, dass wir unsere Ressourcen erhöhen. Wir machen massive Öffentlichkeitsarbeit im Westbalkan und erklären den Leuten, dass die Versprechungen der Schleppermafia nicht zutreffend sind. Seit August können wir auch Wiedereinreisesperren bei offensichtlich unbegründeten Asylanträgen verhängen.
Wie oft ist das geschehen?
Bisher etwa 1200 mal, gegen die Entscheidungen ist aber Rechtsschutz möglich.
Und der Innenminister hat inzwischen Ihren Vorschlag aufgegriffen, die Leistungen für Asylbewerber zu kürzen….
Wir haben von unseren europäischen Kollegen vom Asyl-Unterstützungsbüro aus Malta erfahren, dass die Verfahrensdauer in Deutschland kombiniert mit den Transferleistungen ein Ansporn sind, zu kommen. Da muss man sich schon überlegen, wie man darauf reagiert.
Inwiefern spielt da das Bundesverfassungsgericht mit?
Bei Antragstellern aus sicheren Herkunftsländern sollten wir meiner Meinung nach stärker auf Sachleistungen setzen.
Gab es diese Diskussion nicht schon einmal?
Wir hatten daraufhin ja auch umgestellt. Aber es ist doch nicht erklärbar, dass die Zahl der Flüchtlinge vom Westbalkan so zunimmt. Wir sehen aber Familien, die nun zum zweiten oder dritten Mal kommen. Die wirtschaftliche Situation dort ist nicht gut, aber sie hat sich in den letzten Jahren nicht signifikant verschlechtert. Es gibt keine bürgerkriegsähnlichen Zustände oder Ähnliches.
Aber es gibt eine gleichbleibende Diskriminierung der Roma….
Armut oder eine prekäre wirtschaftliche Lage sind aber kein Grund für Asyl oder Flüchtlingsschutz nach der Genfer Flüchtlingskonvention. Die Menschen kommen mit einer Perspektive hierher, die es gar nicht gibt. Da ist es besser, von Anfang an vor Ort so zu informieren, dass sie gar nicht erst ihr weniges Hab und Gut verkaufen, um so ihre Flucht zu finanzieren.
Sie argumentieren gegen eine finanzstarke Schleusermafia, die den Menschen das Gegenteil erzählt. Kann das gut gehen?
Wir machen umfangreiche Aufklärung vor Ort. Das zusammen mit schnellen Entscheidungen hier, mit dem Sachleistungsprinzip und mit strikten Rückführungen wird sich herumsprechen. Es ist nicht eine Einzelmaßnahme, die zum Erfolg führen kann, es ist ein Paket.
Gleichwohl wird sich die Zahl der anerkannten Asylsuchenden massiv erhöhen. Bekommen wir bald ein Problem, weil die bisherigen Integrationsmaßnahmen nicht für diesen Umfang ausgerichtet sind?
In dem Bereich haben wir es ein bisschen einfacher. Wir haben in diesem Jahr 180 000 Teilnehmer an Integrationskursen, das ist die höchste Zahl, die es jemals gab. Das kommt aber nicht so überraschend auf uns zu wie die Flüchtlinge, darauf sind wir vorbereitet.
Normalerweise müssen die Teilnehmer einen finanziellen Eigenanteil tragen. Das werden viele Flüchtlinge kaum können.
Wir werden eine Kostenbefreiung für den Eigenanteil bekommen. Das ist gerade in der Vorbereitung.
Und ab wann haben die vielen Entscheider, die Sie nun einstellen, nichts mehr zu tun?
Wenn wir auf die Welt blicken, dann fürchte ich, wird das noch sehr lange dauern. Seit 2008 haben wir einen Zuwachs von 500 Prozent bei Schutzsuchenden. Und es sind noch viele Länder denkbar, die da dazukommen könnten.