Der 50-Jährige setzt sich knapp gegen Christian Riethmüller durch. Eindrücke von der Mitgliederversammlung in der Schleyerhalle, nach der es am Ende nur Gewinner zu geben scheint.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Um 17.04 Uhr ist es so weit gewesen. Claus Vogt kam auf das Podium in der Schleyerhalle. Er strahlte, zeigte symbolisch auf seinen Brustring, und er stieg die weiß-roten Stufen in der Gewissheit nach oben, der neue Präsident des VfB Stuttgart zu sein. 1327 oder 64,8 Prozent der anwesenden Vereinsmitglieder hatten Vogt gewählt und damit Christian Riethmüller (1029 Stimmen/52,7 Prozent) zum zweiten Sieger an diesem Nachmittag gemacht. Über beide Kandidaten wurde bei der außerordentlichen Mitgliederversammlung am Sonntag jeweils in Einzelwahl abgestimmt.

 

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Zunächst gilt Vogts’ Amtszeit nur bis zum Herbst im nächsten Jahr. So sieht es die Satzung des Vereins für Bewegungsspiele von 1893 vor, seit Wolfgang Dietrich im vergangenen Sommer nach einer chaotisch zu Ende gegangenen Mitgliederversammlung zurückgetreten war. Vogt versteht sich jedoch keinesfalls als Übergangspräsident. Im Gegenteil. Der Unternehmer aus Waldenbuch will den VfB in die Zukunft führen. „Der VfB braucht einen Präsidenten mit Sportkompetenz, er braucht aber auch einen Präsidenten mit Menschlichkeit“, sagte Vogt und reichte Riethmüller die Hand.

Dieses Mal ging kein Riss durch die weiß-rote Familie

Die vier Stunden zuvor waren die beiden Kandidaten nebeneinander in den vorderen Stuhlreihen gesessen. Sie hatten Funktionären und Mitgliedern genau zugehört, sie hatten auch miteinander geplaudert, aber vor allem hatten sie gespannt den Augenblick der Entscheidung herbeigesehnt. Jenseits der beiden Protagonisten verlief die Aussprache jedoch weitaus weniger emotional als noch vor einem halben Jahr. Elf Redebeiträge gab es diesmal, die meisten davon in sachlichem Ton vorgetragen. Damals hatte der Antrag zur Abwahl Dietrichs einen Riss durch die VfB-Familie gezogen – was sich am Rednerpult offenbarte.

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Für oder gegen Dietrich lautete die Frage am 14. Juli. Am 15. Dezember hieß es dagegen: Vogt oder Riethmüller – zwei Unternehmer, die sich in ihren Ideen zum VfB gar nicht so sehr unterscheiden. Das war während des fünfwöchigen Wahlkampfs auf mehreren Veranstaltungen spürbar geworden. Auch am Sonntag blieben sich die Kandidaten treu. Sie plädierten für Veränderungen im sportlichen Bereich und eine neue Vereinskultur. Der VfB soll wieder für mehr Glaubwürdigkeit und Transparenz stehen. Und er soll wieder erfolgreichen Fußball bieten.

Das vereint Vogt und Riethmüller, die unter dem Tagesordnungspunkt 9 „Nachwahl des Präsidenten“ jeweils eine Viertelstunde Zeit hatten, sich und ihre Positionen noch einmal klar zu machen. Riethmüller nutzte zwölf Minuten davon in einer leidenschaftlichen Rede, in der er sich als „Typ mit Ecken und Kanten“ bezeichnete, gleichzeitig aber auch als „Mensch, der Fehler macht“. Dazu verdeutlichte der 45-jährige Buchgroßhändler, dass er nur als ehrenamtlicher Präsident tätig sein würde – „auch wenn mich das jetzt Stimmen kostet“. Denn zuvor war es einmal mehr darum gegangen, ob der VfB mit Blick auf die Größe der Aufgabe nicht wieder einen hauptamtlichen Vereinschef benötigt.

Vogt will sich nicht mit Mittelmaß begnügen

„Es ist ein Hammerjob, den Verein wieder nach oben zu bringen“, schloss Riethmüller seine Ausführungen, ehe er seinem Rivalen die Bühne überließ. Weitaus ruhiger im Ton trat Vogt auf. Dennoch setzte auch der 50-Jährige auf die emotionale Karte, als er davon erzählte, wie er mit seinem Vater als Junge ins Stadion gekommen war, um seinen Helden in kurzen Hosen zuzujubeln. „Wir sollten uns nicht mit Mittelmaß begnügen“, sagte Vogt mit Blick auf den Sport. Gleichzeitig mahnte er beim Zweitligisten Demut an. Und obwohl der Edelfan den Stolz des Fußballschwaben herausstellte und die Anhänger gar auf „Champions-League-Niveau“ hievte, sprang der Funke vom Podium nur schwer auf das Publikum über.

Danach ließ Wolf-Dietrich Erhard, der Vorsitzende des Vereinsbeirats, zur elektronischen Wahl schreiten. Ein Prozedere, das sich in den Abstimmungen zuvor bewährt hatte und so das ungute Gefühl vertrieb, das sich seit vergangenen Juli beim VfB breit gemacht hatte. Denn bekanntlich musste die Mitgliederversammlung aufgrund von technischen Problemen vorzeitig abgebrochen werden – ohne die Abstimmungen durchführen zu können.

Diesmal lief alles glatt. Die vielen Helfer in ihren orangen T-Shirts halfen den Mitgliedern beim Bedienen der Tablets – und der VfB kann nun auch wieder Mitgliederversammlung.