Der Ludwigsburger Oberbürgermeister Matthias Knecht erklärt den 10. März zum städtischen Gedenktag für weibliche Opfer geschlechtsspezifischer Gewalt und sieht darin eine Präventionsmaßnahme.
Die Feierlichkeiten zum Weltfrauentag am 8. März waren für Oberbürgermeister Matthias Knecht Anlass zu einer Verkündung: Der 10. März soll von diesem Jahr an ein städtischer Gedenktag sein. Und zwar „für Mädchen und Frauen, die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt waren, sind und werden“. Mit dem „bundesweit ersten Gedenktag dieser Art“, so der OB, wolle man ein Bewusstsein schaffen und den Kernauftrag der Istanbul-Konvention umsetzen – Gewalt an Frauen vorzubeugen.
Zum ersten Ludwigsburger Gedenktag am kommenden Montag werde Trauerbeflaggung gehisst, auf dem Marktplatz will Knecht um 11 Uhr eine Schweigeminute abhalten. Parallel dazu sollen die Betglocken vieler Ludwigsburger Kirchen läuten. Die Wahl des Datums sei bewusst erfolgt, um die Nähe zum 11. März herzustellen, denn der ist nationaler Gedenktag an die Opfer terroristischer Gewalttaten und Anschläge.
Auch die Hilfsorganisation Weißer Ring ist mit im Boot
In welcher Form der Gedenktag künftig abgehalten werde, stehe derzeit noch nicht fest, sagt Kristina Wolff, die seit dem 1. Dezember 2024 städtische Gleichstellungsbeauftragte ist. Sie sei dankbar dafür, dass die Verwaltung sie dabei so unterstützt habe. Auch die beiden Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche hätten sofort ihre Teilnahme zugesagt.
Unterstützt wird die Initiative der Stadt zudem von der Hilfsorganisation Weißer Ring, die sich für Opfer von Kriminalität und Gewalt einsetzt. Die Bundesgeschäftsführerin der Organisation, Bianca Biwer, sagte am Samstag in Ludwigsburg: „Dass jedes Jahr Hunderte Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts sterben müssen, ist ein katastrophaler Missstand.“ Die Einführung eines Gedenktags für Opfer von Femiziden halte sie für bemerkenswert und für einen mutigen Schritt der Stadt. Sie machte aber auch deutlich: „Wenn die Männer nicht mitmachen, kommen wir nicht weiter.“
Frauenhäuser nicht die alleinige Lösung
Der Bundestrend einer Zunahme von Gewalt gegen Frauen sei auch in Ludwigsburg ablesbar, so Wolffs Begründung dafür, dass gerade die Barockstadt einen solchen Gedenktag einrichtet. Ob die Zahl der Taten hier im Verhältnis höher ist als beispielsweise in der Landeshauptstadt, sei nicht überprüft worden und spiele auch keine Rolle.
„Solch ein Gedenktag sollte eigentlich bundesweit verwirklicht werden“, betont sie. Genau dazu rief Knecht auch in seiner Rede auf: „Ich lade alle Städte, Gemeinden, Kommunen, Landkreise und Länder ein nachzuziehen.“ Bemerkung am Rande: Einen internationalen Gedenk- und Aktionstag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen gibt es bereits. Er wird unter anderem von der UN unterstützt und jährlich am 25. November begangen.
Im Gespräch mit dieser Zeitung betont Wolff: „Wir müssen anfangen, an die Ursachen für Gewalt gegen Frauen zu gehen.“ Den neuen Gedenktag bezeichnete sie als „ein großes Signal seitens der Stadt“. Aus Sicht der Gleichstellungsbeauftragten ist es „nicht die Lösung, ausschließlich über die Finanzierung von Frauenhäusern zu sprechen“. Wenn Täter und potenzielle Täter eine Ächtung durch die Stadtgesellschaft erfahren, kommen sie ins Nachdenken, glaubt Wolff, und verzichten so vielleicht künftig auf Gewalt. Und möglicherweise gebe es dann auch irgendwann eine gesetzliche Vorgabe, dass Täter verpflichtend an Beratungen teilnehmen müssten.
Zweifel an Präventionswirkung eines Gedenktags
Wäre ein zweites Frauenhaus in Ludwigsburg nicht weitaus sinnvoller als ein Gedenktag? Für Wolff eine Frage, die ein Entweder-oder impliziert und nicht zielführend ist. Selbstverständlich sei sie dafür, dass ein zweites Frauenhaus in Ludwigsburg auf den Weg gebracht werde. Doch auch solch ein Gedenktag sei extrem wichtig.
Arezoo Shoaleh, die pädagogische Leiterin des Ludwigsburger Vereins Frauen für Frauen, findet ein Gedenken für die Betroffenen gut. Sie begrüßt auch, wenn in der Stadtgesellschaft ein Bewusstsein für Gewalt gegen Frauen geschaffen wird. Dass mit einem solchen Gedenktag, wie von Oberbürgermeister Knecht dargestellt, der Kernauftrag der Istanbul-Konvention – die Vorbeugung gegen Gewalt an Frauen – erfüllt werde, glaubt sie indes nicht. „Wir müssen vor allem mit Unterstützungsangeboten dran bleiben. Beratung ist extrem wichtig, und mit mehr Frauenhäusern könnte man auch Femizide vermeiden.“
„Wir haben gemeinsam viel für ein zweites Frauenhaus gekämpft“, so Knecht. Möglich sei das aber nur mit großer Unterstützung auch durch Land und Bund. Doch da habe man sich die Zähne ausgebissen.Hoffnung setzt er nun auf die neue Bundesregierung und das neue Gewaltschutzgesetz.