Auf dem Pragfriedhof steht das einzige Kolumbarium der Stadt. Andere Bezirke müssen darauf noch warten.

S-Nord - In den vergangenen Jahren ist in Wangen und in Untertürkheim der Wunsch nach Urnenwänden laut geworden. Zunächst als Punkt auf der Tagesordnung der Bezirksbeiräte. Jetzt unterstützt die Politik das Ansinnen: in einem Antrag der Gemeinderatsfraktionen von SPD und CDU ist der Wunsch bekräftigt worden. Ein sogenanntes Kolumbarium, was zu deutsch so viel wie Taubenschlag heißt, gibt es in der Landeshauptstadt bisher nur im Norden auf dem Pragfriedhof. Kolumbarien bestehen aus kleinen Nischen, in denen die Urnen aufbewahrt werden. In Deutschland ist die Beisetzung in einer solchen Nische noch nicht üblich. Ganz anders ist das in anderen Kulturkreisen, beispielsweise in Italien, wo die ersten antiken Urnenwände entdeckt worden sind.

 

Trotzdem könnten Kolumbarien in Zukunft auch in Stuttgart Bedeutung erlangen. „Heute lässt sich jeder zweite Mensch einäschern“, sagt Maurus Baldermann, fachtechnischer Berater für Grabmale und Denkmale beim Garten-, Friedhofs- und Forstamt. Dieser Trend ziehe sich durch die gesamte Republik. Deshalb sei in den vergangenen Jahren das Interesse gestiegen, sagt auch der Amtsleiter Volker Schirner. Eine Nische in einem Kolumbarium sei zwar zunächst nicht kostengünstiger als eine Erdbestattung. „Der Pflegeaufwand aber geht gegen Null“, sagt Maurus Baldermann. Die Pflege und die Instandhaltung nämlich liegen in städtischer Hand. Wer eine Nische für zwanzig Jahre kauft, könne diese theoretisch über diesen Zeitraum sich selbst überlassen.

Das grüne Grab weiter fördern

Gefordert werde ein solches Nischengrab deshalb vor allem von Menschen, deren Angehörige eine Pflege nicht leisten können oder wollen. Andere haben keine Angehörige mehr oder keine, die vor Ort wohnen. „Die Situation hat sich über die Generationen hinweg geändert. Familien bestehen häufig nicht mehr aus vielen Familienmitgliedern, wie das früher der Fall war. Die Kinder wollen flexibel bleiben und leben nicht unbedingt dort, wo sie aufgewachsen sind. Das hat natürlich Auswirkungen – nicht nur auf die letzte Ruhestätte“, sagt Maurus Baldermann.

Trotzdem wolle man als Stadt das grüne Grab weiter fördern, sagt er und verweist auf Berufsstände wie den Steinmetz, den Bestatter und den Friedhofsgärtner, für die ein Kolumbarium geschäftsschädigend sein würde. Deshalb hat das Garten-, Friedhofs- und Forstamt noch 2011 auf eine Anfrage des Wangener Bezirksbeirat im Hinblick auf die Gewerbetreibenden rund um den Friedhof ablehnend geantwortet. „Doch langfristig geben die Benutzer den Takt vor, darauf muss man sich dann einstellen“, sagt Maurus Baldermann. Dann jedoch müsse zunächst geprüft werden, welche Friedhöfe sich als Standort eigneten. So werde zum einen genügend Platz benötigt, gleichzeitig müsse sich die Urnenwand in das Gesamtbild des Friedhofes einfügen. „Das Kolumbarium muss auf die jeweilige Örtlichkeit individuell abgestimmt werden“, sagt Baldermann.

Vor einigen Jahren wurde die Wand im Pragfriedhof erweitert, jetzt gibt es wieder einige hundert freie Nischen. Auch für eine gewöhnliche Bestattung gibt es noch für Jahre ausreichend Platz. Dort können nicht nur Bürger aus dem Bezirk, sondern aus der ganzen Stadt beerdigt werden – auch in den Kolumbarien. Erst wenn der Platz nicht mehr ausreiche, müsse man über eine Erweiterung auf anderen Friedhöfen nachdenken, sagt Baldermann: „Auf lange Sicht wird es die Kolumbarien sicher nicht nur auf dem Pragfriedhof geben.“