Mit der praxisorientierten Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher ist Baden-Württemberg vorgeprescht – und das offenbar erfolgreich: Im ersten Jahrgang haben mehr Männer und mehr Quereinsteiger die Ausbildung absolviert.

Stuttgart - Erzieherinnen sind Mangelware, Erzieher Exoten und die Nachfrage ist ungebrochen. Jetzt hat der erste Jahrgang die neue praxisorientierte Erzieherausbildung (Pia) in Baden-Württemberg absolviert und Kultusstaatssekretärin Marion von Wartenberg (SPD) zieht eine positive Bilanz des bundesweit ersten derartigen Modells.

 

Der Plan sei aufgegangen. „Mit Pia ist es uns gelungen, neue Zielgruppen wie Männer und Quereinsteiger/innen aus anderen Berufen für die Erzieherausbildung zu gewinnen“, sagt die Staatssekretärin erfreut. Mit einem Männeranteil von 13 Prozent weise der erste Jahrgang „eine ansehnliche Quote“ auf, sagt von Wartenberg. Die Männer und Frauen der ersten Stunde sind zudem recht erfolgreich. 85 Prozent haben durchgehalten und den Abschluss geschafft. 577 Schülerinnen und Schüler waren im Jahr 2012 an den Start gegangen. 491 von ihnen sind jetzt als pädagogische Fachkräfte qualifiziert.

Mit der neuen dreijährigen dualen Ausbildung, die zusätzlich zur herkömmlichen vierjährigen Ausbildung an der Fachschule eingerichtet wurde, wollte das Land neue Bewerberschichten für den Mangelberuf erschließen. Das scheint gelungen zu sein. Der Anteil der Auszubildenden mit Abitur ist deutlich höher als bei der schulischen Ausbildung. Er liegt in allen Ausbildungsjahrgängen fast bei 50 Prozent. Der große Unterschied zur rein schulischen Ausbildung ist das Geld. Die Pia-Teilnehmer erhalten vom ersten Ausbildungstag an ein Gehalt. Es beginnt laut Ministerium mit 850 und steigt im dritten Jahr auf rund 950 Euro. Das macht die Ausbildung für ältere Bewerber und für Quereinsteiger interessant. Die Altersspanne der angehenden Erzieherinnen und Erzieher erstreckt sich von unter 18 bis über 50 Jahre. Unter den Quereinsteigern finden sich nach Angaben des Ministeriums Floristen und Bankkaufleute, Biologielaboranten oder Kinderpflegerinnen. 123 Azubis des Starterjahrgangs haben vorher einen anderen Beruf gelernt, 27 haben laut Evaluationsbericht eine Kinderpflegeausbildung.

Bewerber aus unterschiedlichen Bereichen

Die Bandbreite der Berufe und die Altersspanne mögen für die Ausbilder eine Herausforderung sein, von Wartenberg wertet sie in erster Linie als „eine große Bereicherung“. Die künftigen Erzieherinnen und Erzieher würden „die Vielfalt der Lebenswelten widerspiegeln“ und ihre unterschiedlichen Erfahrungen in die Tagesstätten einbringen. Die Pia-Absolventen betrachtet von Wartenberg als wertvolle Verstärkung des Kita-Personals. In dem neuen Ausbildungsmodell liege ein großes Potenzial auch angesichts der neuen Aufgabe, die zahlreichen Flüchtlingskinder möglichst schnell zu integrieren.

Anfängliche Bedenken, ob die dreijährige duale Ausbildung in der Qualität mit der längeren schulischen Qualifikation mithalten könne, gelten inzwischen als ausgeräumt. Auch scheine die dotierte Ausbildung der Ausbildung an den meist kirchlich getragenen Fachschulen nicht das Wasser abzugraben, hat der evangelische Landesverband für Kindertagesstätten schon zur Halbzeit des ersten Jahrgangs festgestellt. Er verzeichnete schon damals einen „Reingewinn“ von einigen hundert zusätzlichen Ausbildungsplätzen.

Im Schuljahr 2014/15 haben mehr als 1400 Schüler die Ausbildung begonnen

Die Nachfrage nach Pia ist rasch gestiegen. Auf die 577 Pioniere folgten ein Jahr später schon 1223 neue Auszubildende. Im Schuljahr 2014/15 haben laut Kultusministerium mehr als 1400 Schüler die Ausbildung angefangen. Die meisten Ausbildungsplätze bei Pia werden von den kommunalen Kita-Trägern gestellt. Sie machen 62,4 Prozent aus. Die Kirchen kamen zusammen auf 21,6 Prozent.

Viele Träger sehen die duale Ausbildung offenbar als Möglichkeit, den Fachkräftemangel zu lindern. Der Umstand, dass ein Ausbildungsvertrag über drei Jahre abgeschlossen werde, eröffne den Trägern bei Pia die Möglichkeit, schon während der Ausbildung „Maßnahmen der Personalbindung einzuleiten“, heißt es im Evaluationsbericht des Ministeriums. Das werde in den Rückmeldungen der Träger positiv hervorgehoben.

Auch andere Bundesländer sind dem Beispiel Baden-Württembergs gefolgt. Schon ein Jahr, nachdem Pia im Südwesten an den Start gegangen war, hat beispielsweise Nordrhein-Westfalen das gleiche Programm aufgelegt.