Der Anwalt Oliver Ebert hat bei der Diabetes-Charity-Gala den Thomas-Fuchsberger-Preis erhalten. Er hat selbst diese Krankheit und hilft anderen Erkrankten in Rechtsfragen, wenn sie aufgrund der Diabetes diskriminiert werden.

Degerloch - Einmal hätte Oliver Ebert wegen seiner Diabetes beinahe Prügel eingesteckt. Auf der Toilette einer Stuttgarter Kneipe wollte er sich gerade seine lebensnotwendige Insulinspritze setzen, als der Wirt wütend die Klotür eintrat und den vermeintlichen Junkie aus seinem Lokal werfen wollte. Oliver Ebert lacht, als er diese Geschichte erzählt. Und das, obwohl sie die Antwort auf die Frage ist, ob er wegen seiner Krankheit schon mal diskriminiert worden ist. Situationen wie diese passieren laut Ebert öfter als man denkt. Besonders dann, wenn Menschen mit Diabetes oder anderen Krankheiten oder Behinderungen rechtlich in die Bredouille kommen, hilft der Anwalt aus Degerloch ehrenamtlich. Für sein Engagement hat er nun den Thomas-Fuchsberger-Preis bekommen.

 

Benannt ist der Preis der Deutschen Diabetes-Hilfe nach dem Sohn des im September gestorbenen Joachim „Blacky“ Fuchsberger. Thomas Fuchsberger ist 2010 mit 53 Jahren ertrunken. Er litt an Diabetes und ist wegen einer Unterzuckerung in einen Bach gestürzt. Bislang überreichte Fernsehlegende Blacky Fuchsberger den mit 5000 Euro dotierten Preis bei der Diabetes-Charity-Gala immer selbst. Dass das dieses Jahr nicht mehr möglich war, „ist besonders schade gewesen“, sagt Preisträger Oliver Ebert. Fuchsbergers Enkel Jennifer und Julien übernahmen diese Aufgabe nun erstmals.

Seit 23 Jahren ist Ebert auf die Insulinspritze angewiesen

Ja, er sei durchaus stolz auf die Auszeichnung, sagt Oliver Ebert. Wenn er sich auch nicht ehrenamtlich engagiere, um Preise zu gewinnen. Vielmehr wolle er aus der eigenen Not eine Tugend machen. Mit Anfang 20 ist Ebert an Diabetes Typ 1 erkrankt. Das ist jene Form der im Volksmund sogenannten Zuckerkrankheit, die eine genetische Ursache hat und nicht von ungesundem Lebenswandel verursacht wird. Seit 23 Jahren ist der 45-Jährige nun schon auf die Insulinspritze angewiesen.

Der auf IT-Recht spezialisierte Anwalt, Geschäftsführer eines Software-Unternehmens und Lehrbeauftragte an der Hochschule in Schwenningen setzte sich fortan mit der Krankheit auseinander. Technisch und rechtlich. Kurzerhand schrieb er für sich selbst eine Software, mit der sich die Krankheit überwachen lässt. Sie hat eine Art Tagebuchfunktion und kann zum Beispiel den Blutzuckerspiegel der Messgeräte direkt erfassen. Die Software war so gut, dass Ebert sie auch verkaufen konnte. Rund 100 000 Ärzte und Patienten in Europa arbeiten heute mit dem System. „Das Programmieren ist eigentlich mein Hobby, das mache ich nachts, wenn mir langweilig ist“, sagt er scherzend.

Rund 5000 Fälle hat er ehrenamtlich bearbeitet

Auch juristisch befasste sich Ebert fortan mit seiner Krankheit und der oft unklaren Rechtslage. Zum Beispiel gibt es laut Oliver Ebert häufig Probleme mit dem Führerschein. „Da gab es etwa einmal den Fall von einem Berufskraftfahrer, der insulinpflichtig wurde“, erzählt Ebert. Seine Erkrankung kam heraus, ein Verkehrsmediziner bescheinigte ihm eine Fahruntauglichkeit. Der Führerschein war weg, und der Mann verlor damit seine Lebensgrundlage. In solchen Fällen springt Ebert als Anwalt ein – und zwar ehrenamtlich. Oft hätten die kranken oder behinderten Menschen kein Geld. So wie etwa die Eltern einer diabeteskranken Tochter, deren Erzieherinnen im Kindergarten sich weigerten, dem Mädchen Insulin zu spritzen. Die Mutter war verzweifelt, hatte auch noch genug mit den zwei andern Kindern zu tun. Oliver Ebert konnte vermitteln. Rund 5000 Fälle wie diesen hat er über die Jahre bereits bearbeitet – und damit auf etwa eine Million Euro Honorar verzichtet.

Mit dem Preisgeld seiner jüngsten Auszeichnung, will Ebert, der auch regelmäßig Artikel zum juristischen Aspekt der Krankheiten publiziert und zudem in der Deutschen Diabetes-Gesellschaft mitwirkt, einen Verein gründen, „advocatus inclusionis – Menschen gegen Barrieren“ wird er heißen. Ebert will Kollegen ansprechen, die bereit sind, Ähnliches zu leisten wie er, egal in welchem Umfang. Aber nicht nur Anwälte sind gefragt. „Auch Steuerberater, Makler, Lehrer oder Journalisten“, sagt Ebert. Eine Plattform soll dann bundesweit Hilfesuchende und Helfer zusammenbringen.

Eigene Erfahrungen prägen besonders

Selbst betroffen sein müsse natürlich niemand, sagt Ebert. Vielleicht kennen die Mitglieder sich durch andere Umstände und mit anderen Krankheiten gut aus. Wenn auch die eigenen Erfahrungen besonders prägen. So wie Eberts zweites Erlebnis, bei dem ihm Diskriminierung aufgrund seiner Krankheit widerfahren ist: „Ich war Offizier bei der Bundeswehr“, erzählt er. „Bei einer Wehrübung war ich so dumm, dass ich von meiner Krankheit erzählt habe.“ Ruck, zuck war er ausgemustert. „Sie sind zu nichts mehr zu gebrauchen“, habe sein Vorgesetzter damals gesagt. Bei dieser Geschichte war zwar Oliver Eberts Körper nicht in Gefahr. Doch Prügel für die Seele schmerzen viel länger.