Preis für Großbottwarer Hobby-Forscher Auf Streifzügen zu den Grenzsteinen

Etliche Erkundungsspaziergänge haben Jakob Gommel, Elias und Markus Pantle (von links) unternommen, um die steinernen Fundstücke zu entdecken und vermessen. Foto: Werner Kuhnle

Drei Männer aus Großbottwar schreiten die Stadtgrenze ab und dokumentieren die Jahrhunderte alten Grenzsteine – jetzt erhalten sie dafür den Kulturlandschaftspreis.

Ludwigsburg: Oliver von Schaewen (ole)

Auf Partys erntet Jakob Gommel schon mal erstaunte Blicke, wenn er von seinem Hobby erzählt. „Aber eigentlich finden es die meisten cool und interessieren sich.“ Der 23-Jährige studiert, will mal Bauingenieur werden und ist viele Stunden lang mit Markus Pantle und dessen Sohn Elias auf Feld und Flur unterwegs gewesen – immer auf der Suche nach alten Grenzsteinen rund um Großbottwar. Für ihren Fleiß und die ausführliche Dokumentation erhalten die Heimatforscher den Kulturlandschaftspreis des Schwäbischen Heimatbundes und des Sparkassenverbands Baden-Württemberg.

 

Die letzte Etappe führt das Trio nach Winzerhausen

Angefangen hat alles während der Coronapandemie 2020. Markus Pantle, ehrenamtlicher Mitarbeiter beim Landesamt für Denkmalpflege, liebäugelte schon länger damit, die etwa 350 verzeichneten Grenzsteine seiner Heimatkommune aufzustöbern. „Mich haben Grenzsteine schon als Kind fasziniert – als wir alle plötzlich Zeit hatten, haben wir damit angefangen.“ Inzwischen ist die Arbeit weit gediehen. Von den Großbottwarer Steinen fehlen nur noch die an der Außengrenze des Ortsteils Winzerhausen, erzählt der 59-Jährige. „Die nehmen wir uns für diesen Winter vor.“ Da die Jüngeren beim örtlichen CVJM sehr engagiert seien und eine „super Jugendarbeit“ leisteten, habe er Verständnis, dass der letzte Abschnitt bislang noch etwas warten musste.

Die kalte Jahreszeit ist die beste, um die Steine zu finden. Das wird an diesem Nachmittag im Juli deutlich, an dem dichtes Laub die Sicht einschränkt. Behutsam tastet sich das Trio durch den Hardtwald in der Nähe des Kleinbottwarer Forsthofs vor. Etwas abseits stoßen die Männer auf einen massiven Grenzstein. Er trägt ein eingraviertes „H“ für Hardtwald und eine umgedrehte Pflugschar, die Schneide des Ackergeräts. „Das ist das Zeichen für Murr“, erklärt Pantle. Liegt die andere Gemeinde nicht aber weiter entfernt? Die Antwort ist einfach: Murrs Anteil am Hardtwald grenzt an den Großbottwarer – jede Gemeinde hat ihre eigene Brennholzversteigerung.

Viele Grenzsteine wurden während der Flurbereinigung herausgerissen

Im Wald sind fast alle Grenzsteine noch erhalten geblieben. Ganz anders sieht es in der freien Landschaft aus. „Es galt als Volkssport, während der Flurbereinigung in den 1970er Jahren den vermeintlichen alten Plunder abzureißen und sich die Steine in den Garten zu stellen“, erzählt Markus Pantle. Die Kleindenkmale seien aber wichtige Zeitzeugen. Wer sie heute mutwillig entferne, begehe eine Straftat. „Zum Glück ragt nur etwa bis zur Hälfte aus dem Boden heraus – die Steine sind also nicht so einfach herauszubringen.“ Damit eine Grenze nicht über Nacht verrückt wird, markiert eine Tonplatte im Boden zusätzlich den Standort. Diese sogenannten „Zeugen“ sind, so Pantle, von „Untergängern“ vor langer Zeit in den Boden gesetzt worden.

Um überhaupt auf die alten Steine zu stoßen, mussten die ehrenamtlichen Forscher die sogenannte figurierte Grenzbeschreibung aus dem Großbottwarer Stadtarchiv kopieren und mitnehmen. So konnten die Steine leicht gefunden werden, zumal ein Pfeil oben auf jedem Stein die Richtung zum nächsten angibt. Das Studieren der alten Vorlage ist die Spezialität von Elias Pantle. „Ich habe im Vermessungsstudium altes Deutsch gelernt und kann mich so ganz gut in die Beschreibungen einlesen.“

Geschichte wird mit den Grenzsteinen greifbar

Das Prozedere bei einem Fund ist stets das Gleiche. „Erst wird geschrubbt, dann gemessen und dokumentiert“, erzählt Elias Pantle. „Die Grenzsteine sind schöne Zeitzeugnisse“, sagt er und zeigt auf den Storch, der auf der Großbottwarer Seite des Steins eingemeißelt ist. Tatsächlich gebe es viele verschiedene Arten, das Tier als Wahrzeichen der Stadt wiederzugeben. „Jeder Steinmetz hat seine eigene Art – und in den Jahren zwischen 1599 und 1830 hat sich auch noch mal viel verändert.“ Die Geschichte werde mit den Grenzsteinen greifbar.

Die Steine sind im 16. bis zum 19. Jahrhundert entstanden. Allgemein könne man sagen, so Markus Pantle, dass sich die Darstellung von barocken, ausschmückenden zu eher sachlichen Ausdrucksformen verändert habe. „Das Vergleichen macht den Reiz aus – auch das individuelle Können eines Steinmetzes ist recht gut ablesbar.“

Grenzsteine sehen selbst an Ländergrenzen ähnlich aus

Einmal haben die historisch bewanderten Freunde einen Grenzstein gerettet. „Er war in die Bottwar gerutscht“, erzählt Markus Pantle. Mit einigem Aufwand sei es gelungen, ihn an Land zu ziehen und zu sichern. Auch andernorts halte er die Augen offen, erzählt Markus Pantle. So habe er bei einem Besuch an der französischen Grenze festgestellt: „Grenzsteine sehen überall ähnlich aus– selbst an Ländergrenzen.“

Wer erhält den Kulturlandschaftspreis im Kreis Ludwigsburg?

Zeitzeugen am Wegesrand
Der Schwäbische Heimatbund und der Sparkassenverband Baden-Württemberg vergeben den Sonderpreis für den Erhalt von Kleindenkmalen, wenn sie den Kulturlandschaftspreis verleihen. In diesem Jahr sind vier Projekte im Main-Tauber-Kreis, in Lauffen am Neckar, in Großbottwar sowie in Korntal als beispielhaft ausgezeichnet worden.

Anderer Preisträger
Winfried Schweikart aus Korntal-Münchingen hat in zehn Jahren die historische Landesgrenze zwischen Württemberg und Baden auf einer Strecke von 188 Kilometer anhand der noch erhaltenen 1415 historischen Grenzsteine wieder sichtbar gemacht. Seine detaillierte Erfassung und Dokumentation kann künftig entscheidend dazu beitragen, diese Kleindenkmale bei allen Planungen und Arbeiten zu schützen.

Hauptpreis
Einen Kulturlandschaftspreis erhalten auch die Winzer Martin Heim und Werner Widmaier aus Benningen für ihre Projektidee „Wengerter auf Probe“. Zur Rettung der Rebflächen in den Weinbau-Steillagen veranstalten sie Schnupperkurse. Etliche Absolventen sind offenbar anschließend motiviert, dauerhaft in die Bewirtschaftung eigener Steillagenflächen einzusteigen.

Weitere Themen