Die Comic-Künstlerin Emil Ferris mischt in „Am liebsten mag ich Monster“ eigene Kindheitserinnerungen mit Horrorfiguren. Das Ganze sieht aus wie ein im linierten College-Heft gezeichnetes Tagebuch.

Chicago - Karen Reyes ist ein Werwolfmädchen. Oder auch nicht. Jedenfalls sieht und zeichnet das zehnjährige Kind sich als eines, und auch Karens arme Nachbarschaft im Chicago des Jahres 1968 wirkt wie nicht ganz von dieser Welt. Manche Menschen haben mehr oder weniger starke Ähnlichkeit mit Figuren der Horror-Comics, die Karen so gerne liest, mit Vampiren, Werwölfen, Untoten.

 

Vermutlich verarbeitet die in der Schule gemobbte Karen so nur das Beängstigende, das Bedrückende, das Unerklärliche, das ihr jeden Tag begegnet. Weil sie Erfahrungen mit Krankheit und Tod macht, träumt sie, dass eines der untoten Ungeheuer sie beißen und selbst zu einer Untoten machen werde. Diese Gnade, wie sie das empfindet, würde Karen dann gerne an ihre Familie weitergeben, an ihre Mutter und an ihren Bruder, um auch sie vor dem ordinären Ausgelöschtwerden für immer und ewig nachhaltig zu schützen.

Alles andere als naiv

Aber ganz sicher können wir nicht sein, denn die Graphic Novel „Am liebsten mag ich Monster“ von Emil Ferris kommt uns als Karens Tagebuch in einem spiralgebundenen Collegeheft entgegen. Durch die Zeichnungen scheint noch die blaue Linierung des Schreibpapiers hindurch. Mal gibt es wenige Bilder lang klassische Bildfolgen einer zusammenhängenden Handlung mit Dialogen in Sprechblasen. Aber meist sehen wir einzelne Tagebuchbilder mit Begleittexten. Wobei diese Zeichnungen alles andere als naiv sind: Die Horrorhefte blitzen durch, die große Kunstgeschichte, die Karen durch ihren Bruder kennenlernt, und auch andere Comic-Traditionen, ebenso Filme und Fernsehserien.

Die 1962 in Chicago geborene Zeichnerin und Autorin Ferris hat in den USA mit „Am liebsten mag ich Monster“ – das wuchtige Werk soll übrigens eine Fortsetzung bekommen – Begeisterung bei Kollegen, bei Kritikern und bei den Lesern widerborstigerer Graphic Novels ausgelöst. Dafür sind zunächst zwar die formale Fülle, die schräge Vitalität, die Mischung aus schmerzlicher autobiografischer Sensibilität und robustem Genrespiel verantwortlich. Aber die eigene Geschichte der Künstlerin lässt einen mit zusätzlichem Respekt auf die Seiten blicken.

Beinahe gelähmt

Ferris hat lange als freiberufliche Gelegenheitsgrafikerin gearbeitet. Von klein auf durch eine Wirbelsäulenerkankung gehandicapt, zog sie sich mit vierzig eine Infektion mit West-Nil-Fieber zu, mit schweren Lähmungserscheinungen. Ihre rechte Hand konnte sie lange nicht benutzen. Nach und nach aber erlangte Ferris die Kontrolle zurück, und noch während ihrer Krankheit nahm sie ein Studium an der School of the Art Institute Chicago auf. 2017 kam ihr vom Schraffierstil mit Kugelschreiber geprägtes Debüt „Am liebsten mag ich Monster“ auf den US-Markt – für den es bei der San Diego Comic Con gerade verdient drei Eisner Awards gab.

Emil Ferris: Am liebsten mag ich Monster.
Aus dem Englischen von Torsten Hempelt. Panini Verlag, Stuttgart. 420 Seiten, 39 Euro.