Der Kiwanis-Club Stuttgart ehrt die erfolgreichsten Abiturienten der Stadt.

Filder - Raphael Zachmann ist eine Ausnahme. Der 19-jährige Degerlocher Abiturient will Chemie studieren. Nicht Wirtschaftswissenschaften, nicht Jura und auch nicht Medizin. Diese Fächer führen in der Regel die Hitliste der Studienwünsche an, die Oliver Mannuß vom Kiwanis-Club Stuttgart einmal im Jahr zu hören bekommt. Dann, wenn der Verein in der Alten Scheuer in Degerloch mit einem Buchpreis die besten Abiturienten der 37 Stuttgarter Gymnasien in den Fächern Geschichte und Gemeinschaftskunde auszeichnet. Dieses Jahr wurde Erwin Teufels Autobiografie „Gewissen fürs Ganze: Ein politisches Leben“ verliehen. Der ehemalige baden-württembergische Ministerpräsident war auch der Ehrengast der Veranstaltung.

 

Seit 15 Jahren ehrt der Kiwanis-Club, in dem sich 45 Mitglieder aus dem Raum Stuttgart für bedürftige Kinder und Jugendliche aus der Region engagieren, einmal im Jahr auch Abiturienten. Also diejenigen, die externer Unterstützung eigentlich weniger bedürfen.

In diesem Fall geht es nach den Worten von Mannuß auch nicht um Unterstützung als vielmehr um die Ermutigung, sich zu engagieren. „Für eine funktionierende Gesellschaft brauchen wir Leute, die über den Tellerrand hinausschauen.“ Der Buchpreis diene dazu, junge Menschen mit dem Potenzial dazu an das gesellschaftliche Engagement heranzuführen.

Keine Auszeit nach der Schule

Der Degerlocher Raphael Zachmann hat als Jahrgangsbester am Hegel-Gymnasium in Vaihingen im Fach Gemeinschaftskunde abgeschlossen. Er hat klare Vorstellungen, wie seine Zukunft aussieht. Zachmann will sich im Fach Chemie in Freiburg einschreiben, als Halbbadener nach einer Jugend in Stuttgart nun den anderen Teil des Landes kennen lernen.

Keine Auszeit nach dem Lernen. „Ich gehöre zum G9-Zug. Ich bin fast zu alt, um vor dem Studium noch etwas anderes zu machen“, sagt der junge Mann. Gemeinschaftskunde sei ein Schwerpunktfach aus Neigung gewesen, sagt er. Schon früh im Leben habe er sich für Politik und Geschichte interessiert.

Ebenfalls ausgezeichnet wurden Tobias Gaag vom Geschwister-Scholl-Gymnasium, Deborah Franz vom Paracelsus-Gymnasium und Phillip Sleziona vom Wilhelms-Gymnasium.

Pragmatismus entscheidet über das Studienfach

Viele der Preisträger, von denen an diesem Abend etwa die Hälfte zur Verleihung in die Alte Scheuer gekommen sind, entschieden sich weniger aus Neigung, denn aus Pragmatismus für ihr Studienfach. Das jedenfalls hat Oliver Mannuß im Laufe der vergangenen 15 Jahre beobachtet. Eher selten wähle ein Preisträger ein geisteswissenschaftliches Studienfach, noch seltener ein naturwissenschaftliches.

Der Abiturient aus Degerloch freut sich darauf, dass an diesem Abend Erwin Teufel die Festrede hält. Auch wenn Zachmann Teufels aktive Zeit als Politiker nur am Rande mitbekommen hat, so wisse er um dessen Verdienste für Baden-Württemberg. „Ein Vorbild“, sagt der 19-Jährige über den früheren Landesvater.

Dieser gibt das Kompliment an die jungen Leute zurück, die an diesem Abend vor ihm in der Alten Scheuer sitzen. „Ich habe viele Generationen von Abiturienten kennen gelernt“, sagt Teufel. Selten sei eine Generation so wenig ideologisch auf der einen Seite, aber so diskussionsfreudig auf der anderen Seite gewesen, wie die heutige. „Sie haben gelernt, sich mit anderen Meinungen auseinander zu setzen, zu argumentieren“, sagt Teufel.

Er setze deswegen große Hoffnungen darauf, dass eben diese jungen Menschen künftig zu den 43 Prozent der Menschen in Baden-Württemberg gehören, die sich ehrenamtlich engagieren. „Mensch sein heißt immer auch Mitmensch sein“, sagt Teufel. Demokratie funktioniere nicht ohne Demokraten. „Und die müssen ständig nachwachsen“, sagt der ehemalige Ministerpräsident und schaut ins Publikum.