Die 80-jährige Elke Erb wurde am Mittwochabend mit dem diesjährigen Mörike-Preis ausgezeichnet. Die geehrte Lyrikerin schildert in einem amüsanten Exkurs, wie sie einst nach der langweiligen Heine-Lektüre vom spritzigen Mörike „gerettet“ wurde.

Fellbach - Sage noch jemand, Kultur im Allgemeinen und Dichtung im Besonderen ziehe an frühlingshaften Abenden keine Leute in geschlossene Räume. Nach den gut 240 Besuchern der Vernissage „Mörike elementar“ vergangene Woche im Stadtmuseum pilgerten am Mittwochabend ebenso viele Neugierige ins Rathaus. Erneut ging es ums gedruckte Wort und die Würdigung geistiger Arbeit: Oberbürgermeisterin Gabriele Zull überreichte den diesjährigen Fellbacher Mörike-Preis an die Lyrikerin Elke Erb.

 

Ausgezeichnet wurde, wie es die Rathauschefin selbst ausdrückte, „die große alte Dame deutscher Dichtkunst“. Elke Erb ist 80 Jahre jung, und auch „groß“ sollte bei ihr eher im übertragenen Sinne verstanden werden. Denn die Autorin und Russisch-Übersetzerin ist von zierlicher Statur. Allerdings ist sie ein besonderes Schwergewicht – in ihrem Rang in der Literaturszene. Wobei sie selbst, wie sie am Vormittag bei einem Treffen im Stadtmuseum einräumte, mit derartigen Einstufungen und vermeintlichen Qualitätsurteilen rein gar nichts anfangen kann: „Ich habe nie auf Wirkung oder gar auf Ehrungen hingearbeitet.“

Der populärste war 1991 bei der Premiere Wolf Biermann

Elke Erb, ergänzte Fellbachs Kulturamtsleiterin Christa Linsenmaier-Wolf, gehöre ebenso wie die seitherigen Mörike-Preisträger „nicht in jenen Mainstream, der einen Bestseller nach dem anderen schreibt“. Ein Massenpublikum sei mit Lyrik, anders als heutzutage über Romane, eher nicht zu erreichen.„Fellbach ist absolute Mörike-Stadt“, urteilte Gabriele Zull mit selbstbewusstem Stolz. Aktuell ist dies die zehnte Verleihung jenes „Spitzenpreises“, der „selten an populäre Schriftsteller, aber immer an gute“ gehe, so Linsenmaier-Wolf. Der populärste war 1991 bei der Premiere Wolf Biermann. Und mit 15 000 Euro Preisgeld sei die Auszeichnung auch „gut dotiert“ – was den Dichtern angesichts zumeist karger Einnahmen gewisse Sicherheit gebe.

Elke Erb wurde am 18. Februar 1938 in Scherbach in der Eifel geboren, zog 1949 mit der Familie im Gründungsjahr der DDR um nach Halle an der Saale. Dort studierte sie Germanistik und Slawistik, arbeitete ab 1966 als freie Schriftstellerin und Übersetzerin. „Mit ihrer experimentellen, tastenden und offenen Form der Lyrik passte sie nie in ein Raster“, erläutert das Kulturamt in seiner Expertise. Und: „Sie ist eine hartnäckige Erforscherin dessen, was Sprache im Verhältnis zur sogenannten wirklichen Welt vermag.“

Florian Höllerer, der als Leiter des Literarischen Colloquiums Berlin die Preisträgerin auserkoren hielt die Laudatio

Ihre intensivste Auseinandersetzung mit dem Autor aus Cleversulzbach habe sie 2007 erlebt, erläuterte Elke Erb in ihrer Mörike-Rede. Heinrich Heines „Buch der Lieder“ hatte sie gerade ziemlich enttäuscht: „Ich hatte Ironie erwartet.“ Stattdessen ließ der Autor in seinem Werk „eine enttäuschte Liebe nach der anderen“ aufmarschieren, „immer dasselbe“. Doch umgehend folgte Erbs Entdeckung: „Von diesem Heine rettete mich Mörike.“ Sein Gedicht „Im Frühling“ trug Elke Erb am Mittwochabend gar gleich zweimal vor. So auch diese typische Passage: „Ich denke dies und denke das, Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was.“ Mörikes Einfluss gelte bis heute: „So ist ein vor 143 Jahren gestorbener Dichter noch nicht im Jenseits – oder wir sind bei ihm, in keinem Jenseits.“ Florian Höllerer, der als Leiter des Literarischen Colloquiums Berlin die Preisträgerin auserkoren hatte und nun die Laudatio hielt, betonte in Anlehnung an den Titel eines schmalen Gedichtbands: „Elke Erb lesen heißt leibhaft lesen.“ Oft gehe es ihr um den „Gang der Erinnerung und die damit verbundenen Herausforderungen an die poetische Sprache“.

Erkennbar sei dies in ihren lyrischen Schilderungen als Achtjährige auf der heimischen Dorfstraße in der Voreifel, in den Beschreibungen des Fuhrmanns auf dem Kutschbock und den trottenden Ochsen. Dank dieser „wenigen Striche“ Erbs sei es „unmöglich, sich körperlich dem Takt der Verse zu entziehen“.