Am Samstag wurde in Stuttgart der Theodor Heuss Preis verliehen und ging an die älteste russische Menschenrechtsorganisation Memorial International. Die Hintergründe.

Die älteste russische Menschenrechtsorganisation Memorial International hat den diesjährigen Theodor Heuss Preis erhalten. Die Auszeichnung der Ende Dezember vom Obersten Gerichtshof in Moskau aufgelöste Organisation unterstreiche den universellen Wert der Menschenrechte, sagte der Vorstandsvorsitzende der Theodor Heuss Stiftung, Ludwig Theodor Heuss, am Samstag bei der Preisverleihung in Stuttgart. Sie treffe diesmal unvorhergesehen in eine Zeitenwende, sagte er mit Blick auf den Ukraine-Krieg. Der Kampf für Freiheit und Menschenrechte sei die Quelle der Demokratie.

 

Die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte in ihrer Laudatio, dass die Politik die Menschenrechte leben müsse. Sie seien die Wertegrundlage der Demokratie und des Zusammenlebens in Europa. Menschenrechtspolitik sei daher immer eine „befugte Einmischung“. Der Theodor Heuss Preis wolle in diesem Sinne den ausgezeichneten Organisationen eine Stimme geben. Eine wehrhafte Demokratie brauche ganz besonders eine Zivilgesellschaft, die „Rattenfänger erkennen“ könne, sagte Leutheusser-Schnarrenberger.

Bedeutung der Arbeit von Memorial International in Russland

Memorial-Mitbegründerin Irina Scherbakowa erläuterte die Bedeutung der Arbeit von Memorial International in Russland. Die Organisation versuche, den etwa zwölf Millionen Opfern der Stalinherrschaft ein Gesicht zu geben. Sie dokumentiere und benenne auch neues staatliches Unrecht. Es sei für die Einzelnen und für die Gesellschaft wichtig, dass Massenverbrechen nicht als Einzelfälle betrachtet würden. Das gelte nicht nur für Russland.

Memorial war seit 2016 in Russland als „Ausländischer Agent“ registriert, weil die Organisation teilweise aus dem Ausland finanziert wurde. Ihr wurde vorgeworfen, gegen ein entsprechendes Gesetz verstoßen zu haben.

Vier weitere Theodor Heuss-Medaillen

Vier Theodor Heuss-Medaillen, die dem Preis ebenbürtig sind, wurden ebenfalls verliehen. Sie gingen an Al-Jumhuriya, eine unabhängige Nachrichtenplattform aus Syrien und an NSU Watch, eine Gruppe von Aktivistinnen und Aktivisten, welche die Aufklärungsarbeit zur rechtsextremen Terrorgruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) kritisch begleitet und dokumentiert. Ausgezeichnet wurden auch die Organisatorinnen und Organisatoren des Frankfurt-Slubice-Pride und Olga Romanowa, eine russische Journalistin und Aktivistin von „Russland hinter Gittern“.

Die überparteiliche Theodor Heuss Stiftung trägt den Namen des ersten Bundespräsidenten und zeichnet jedes Jahr Persönlichkeiten und Initiativen aus, die sich für Demokratie und Bürgerrechte engagieren. Die Auszeichnung soll nach eigenen Angaben zur Demokratie ermutigen und das Selbstbewusstsein und den Mut von Menschenrechtsverteidigern stärken.