Märchenhafte Gehälter, unbegrenzte Möglichkeiten auf dem Transfermarkt: In der englischen Premier League finden Fußballtrainer viel bessere Bedingungen als in der Bundesliga vor. Auch deshalb freut sich Ralph Hasenhüttl auf sein Engagement beim FC Southampton.

London/Stuttgart - Den Fußballtempel im Nordwesten Londons verließ der Tribünengast aus Österreich mit gemischten Gefühlen. Einerseits durfte Ralph Hasenhüttl am Mittwochabend die einzigartige Atmosphäre im Wembleystadion genießen. Andererseits musste er mit ansehen, wie der FC Southampton, bei dem er kurz zuvor einen Vertrag unterschrieben hatte, gegen Tottenham Hotspur die nächste Niederlage kassierte. Erst in der Nachspielzeit fiel der Ehrentreffer zum 1:3 – zu wenig, um den Tabellenkeller zu verlassen.

 

Der drohende Abstieg hat Ralph Hasenhüttl nicht davon abgehalten, bei dem Traditionsclub aus Südengland das Traineramt zu übernehmen. Am Donnerstag wurde er vorgestellt, am Samstag sitzt er im Auswärtsspiel bei Cardiff City erstmals auf der Bank der „Saints“ und startet in die schwierige Mission Klassenverbleib.

Hasenhüttl erfüllt sich einen Traum

Von einer Verzweiflungstat allerdings kann keine Rede sein: Auf eine Entlassung von Nico Kovac bei den Bayern hätte Hasenhüttl warten können, Bayer Leverkusen meldete Interesse an, die TSG Hoffenheim sucht einen Nachfolger für Julian Nagelsmann. Ganz vorne saß der Ex-Coach von RB Leipzig im Wartestand vereinsloser Bundesligatrainer. Aber nein, er entschied sich für den Tabellen-18. der englischen Premier League – und musste nicht einmal lange überlegen. Als „Erfüllung eines Traums“ empfindet der 51 Jahre alte Grazer das Engagement im Mutterland des Fußballs.

Jetzt gibt es also erstmals auch einen Österreicher auf einem der 20 Trainerposten, um die sich Fußballlehrer aus der ganzen Welt rangeln. Nur vier Clubs überlassen ihre sündhaft teuren Mannschaften Fachkräften aus dem eigenen Land, der Rest setzt auf ausländische Expertise. Zum Vergleich: in der Bundesliga sind in dem Österreicher Adi Hütter (Eintracht Frankfurt), dem Ungarn Pal Dardai (Hertha BSC), dem Schweizer Lucien Favre (Borussia Dortmund) und dem Kroaten Nico Kovac (FC Bayern) nur vier Ausländer beschäftigt, wobei Letzterer in Berlin geboren und aufgewachsen ist.

Die Bundesliga ist nur noch zweite Wahl

Die Vorliebe der Bundesliga für einheimische Trainer mag einerseits an der größeren Sprachbarriere liegen, andererseits an der deutschen Trainerausbildung, die einen viel besseren Ruf als die englische genießt und regelmäßig Nachschub liefert. „Da sind gerade ein paar richtig interessante Jungs am Start“, sagte zuletzt Jürgen Klopp: „Julian Nagelsmann, Florian Kohfeldt in Bremen, Manuel Baum in Augsburg – das ist super spannend.“ Doch zeigt der Fall Hasenhüttl gleichzeitig besonders deutlich, dass die Bundesliga für Toptrainer nur noch zweite oder dritte Wahl ist. Thomas Tuchel ging im Sommer lieber zu Paris St. Germain als zu den Bayern.

Nicht Kohfeldt und Baum, sondern Pep Guardiola (Manchester City) oder José Mourinho (Manchester United) heißen die Chefcoaches in der Premier League. Es sind neben Liverpool-Coach Klopp die prominentesten Namen auf dem weltweiten Trainermarkt. Was für die internationalen Topspieler gilt, das gilt auch für die besten Trainer: England ist zum gelobten Land geworden, in dem die Vereine dank der TV-Milliarden im Geld schwimmen und alle Wünsche in Erfüllung gehen. Ein Jahresgehalt von 22 Millionen Euro soll Guardiola verdienen, auf 18 Millionen wird Mourinho taxiert, mit angeblich 16,8 Millionen wird die Arbeit von Klopp entlohnt.

Ablösefrei bedeutet: Kost’ nix? Kann nix!

Hinzu kommen noch viel üppigere Budgets für die Verpflichtung neuer Spieler, die nach Herzenslust ausgeschöpft werden können. Auch das ein zentraler Unterschied zur Bundesliga: „Ich glaube nicht, dass in Deutschland eine Kultur vorherrscht, in der ein Transfer für 150 Millionen Euro toleriert werden würde“, sagte Jürgen Klopp in einem Sky-Interview: „Dort ist ein ablösefreier Wechsel perfekt. Hier in England ist das anders. Ablösefrei bedeutet: Kost’ nix? Kann nix!“

Mit vollen Händen dürfen Klopp und seine Kollegen die Millionen verpulvern – und müssen sich nicht einmal mit Managern streiten, die andere Ideen haben. Als Teammanager sind sie Coach und Manager in Personalunion. Das bedeutet zwar mehr Verantwortung, aber auch mehr Gestaltungsspielraum. Paradiesische Zustände – vor allem für einen wie Hasenhüttl, der in Leipzig zu spüren bekam, wer der Boss ist: RB-Sportchef Ralf Rangnick, der nur dann des Trainers Freund ist, wenn die von ihm vorgegebenen Ideen um- und die von ihm verpflichteten Spieler eingesetzt werden. Vergeblich hatte Matthias Sammer schon vor zehn Jahren gefordert, der Trainer müsse „der wichtigste Mann in einem Verein“ sein. In England ist dies der Fall.

Als „Klopp of the Alpes“ ist Hasenhüttl von den englischen Medien empfangen worden – doch wird er wissen, dass die Begeisterung auf der Insel schnell umschlagen kann. Nach seiner Entlassung beim FC Fulham musste Felix Magath einst einen Anwalt einschalten, um sich gegen die Berichte des „Guardian“ zu verwahren, er habe die Muskelverletzung eines Spielers mit einem Stück Käse heilen wollen.