Kultur: Stefan Kister (kir)
Doch so zuverlässig der ausgeklügelte Reiz-Reaktionsmechanismus weit auseinanderliegende Zeit- und Sinnschichten miteinander verbindet, so blutleer bleiben die Gestalten, die ihn auf Carola Reuthers leer gefegter Aufmarschbühne verbürgen. Zwölf schwer bewaffnete Todesraben sind es, in morbid-spätfeudalistisch anmutenden schwarzen Roben, von Cary Gayler aus einem westöstlichen, zivil-militärischen, männlich-weiblichen Formenfundus kunstvoll zusammengeschneidert, sie schwärmen gemeinsam aus, flattern bedrohlich rauschend daher, teilen sich in Gruppen, göttliche, heroische, menschliche – und gleichen einander doch wie ein Rabenei dem anderen.

„Einer für alle, alle für einen“, diese Zusammenhaltsphrase aus einem der Gesprächsprotokolle trifft unfreiwillig das passepartouthafte von Löschs Theaterfeldzug. Hier kann jeder jeden spielen, hier gibt jeder gleichviel Gas, ein Ton forscher Grunderregung deckt alle Gefühlslagen ab, so wie im Prinzip jeder beliebige andere Kriegstext Lösch die erwarteten Stichworte liefern könnte. Die Schauspieler sind chronisch unterfordert, müssen sich an rhythmischen Tücken abarbeiten statt an den Kanten ihrer Charaktere. Neben den schon Genannten können Bijan Zamani, Ralph Kinkel, Svenja Wasser und all die anderen mehr als lebende Bilder stellen und erklären. Doch hier sind die Kriege, ihrer genussvoll ausgemalten Exzesse zum Trotz, in erster Linie Wortgefechte. Weltpolitisch läge darin pazifizierende Kraft, theaterpraktisch führt das auf Dauer nur zu Langeweile.

 

Ist da Differenz nicht bedeutsamer als Analogie?

Wo, jenseits schnellfertiger Anti-Kriegssuggestionen, liegt überhaupt der Erkenntnisgewinn, stellt man den komplexen, an politischen Widersprüchen und Problemen reichen Afghanistan-Einsatz vor die überzeitliche Folie des Trojanischen Kriegs? Ist da Differenz nicht bedeutsamer als Analogie, das Detail nicht aussagekräftiger als exemplarischer Furor, das Programmheft nicht tauglicher als die Bühne? Die Gegenwart im Licht klassischer Texte zu deuten, hat, ungeachtet der auf Aktualisierung und Provokation gerichteten Intention, etwas bildungsbürgerlichen Theatererwartungen zutiefst Konformes. Und vielleicht ist es eben dieses unterschwellig wahrgenommene Einverständnis, das Lösch, den Didaktiker und pädagogischen Schnittmusterschneider, immer wieder zu Lösch dem Berserker werden lässt.

Wenn seine Figuren schon nicht leben, sollen sie wenigstens bluten. Und so vertauschen zum Showdown zwischen dem trojanischen Waffensystem Hektor und dem überlegenen griechischen Achill Löschs Leute ihren anzüglichen Todesflitter mit nahkampfgeeigneten Nacktstramplern. Genug aufgeklärt. Jetzt geht’s zur Sache. Die letzte Runde ein Schlammcatchen in Innereien. Eine Ernte Roter Bete muss daran glauben. Man kennt das bereits: das Schlachtfest als Löschs privates Erntedankfest. Danach ist der Krieg aus, zumindest im Theater. Erleichterter Beifall.

Aufführungen: 16. bis 18. und 20. bis 23. Oktober.

Macht, Ehre, Gräuel, Angst, Tod

So wird der Themenkreis des Krieges abgeschritten, Macht, Ehre, Gräuel, Angst und Tod. Die über szenische Tableaus oder chorische Rezitationen skizzierte epische Handlung liefert jeweils das Stichwort für eine zeitgenössische Entsprechung. Epos und Demos kommunizieren miteinander, hier das seinerseits von philologischem Schwulst entschlackte Korpus der Ilias-Übertragung von Raoul Schrott, dort das Material der dramaturgischen Meinungsforscher, die Lösch nach bewährtem Muster ins Feld geschickt hat. Dabei zeigt sich die Eigenart des epischen Textes, seine große objektive Distanz, zunächst durchaus der Kollektivästhetik des chorischen Berichts zugänglich. Das in den letzten Arbeiten des Regisseurs immer mehr zur Marotte erstarrte Verfahren wirkt weniger aufgesetzt und heterogen, vielleicht auch, weil diesmal Schauspieler statt Laien den Part der Chöre übernehmen.

"Einer für alle, alle für einen"

Doch so zuverlässig der ausgeklügelte Reiz-Reaktionsmechanismus weit auseinanderliegende Zeit- und Sinnschichten miteinander verbindet, so blutleer bleiben die Gestalten, die ihn auf Carola Reuthers leer gefegter Aufmarschbühne verbürgen. Zwölf schwer bewaffnete Todesraben sind es, in morbid-spätfeudalistisch anmutenden schwarzen Roben, von Cary Gayler aus einem westöstlichen, zivil-militärischen, männlich-weiblichen Formenfundus kunstvoll zusammengeschneidert, sie schwärmen gemeinsam aus, flattern bedrohlich rauschend daher, teilen sich in Gruppen, göttliche, heroische, menschliche – und gleichen einander doch wie ein Rabenei dem anderen.

„Einer für alle, alle für einen“, diese Zusammenhaltsphrase aus einem der Gesprächsprotokolle trifft unfreiwillig das passepartouthafte von Löschs Theaterfeldzug. Hier kann jeder jeden spielen, hier gibt jeder gleichviel Gas, ein Ton forscher Grunderregung deckt alle Gefühlslagen ab, so wie im Prinzip jeder beliebige andere Kriegstext Lösch die erwarteten Stichworte liefern könnte. Die Schauspieler sind chronisch unterfordert, müssen sich an rhythmischen Tücken abarbeiten statt an den Kanten ihrer Charaktere. Neben den schon Genannten können Bijan Zamani, Ralph Kinkel, Svenja Wasser und all die anderen mehr als lebende Bilder stellen und erklären. Doch hier sind die Kriege, ihrer genussvoll ausgemalten Exzesse zum Trotz, in erster Linie Wortgefechte. Weltpolitisch läge darin pazifizierende Kraft, theaterpraktisch führt das auf Dauer nur zu Langeweile.

Ist da Differenz nicht bedeutsamer als Analogie?

Wo, jenseits schnellfertiger Anti-Kriegssuggestionen, liegt überhaupt der Erkenntnisgewinn, stellt man den komplexen, an politischen Widersprüchen und Problemen reichen Afghanistan-Einsatz vor die überzeitliche Folie des Trojanischen Kriegs? Ist da Differenz nicht bedeutsamer als Analogie, das Detail nicht aussagekräftiger als exemplarischer Furor, das Programmheft nicht tauglicher als die Bühne? Die Gegenwart im Licht klassischer Texte zu deuten, hat, ungeachtet der auf Aktualisierung und Provokation gerichteten Intention, etwas bildungsbürgerlichen Theatererwartungen zutiefst Konformes. Und vielleicht ist es eben dieses unterschwellig wahrgenommene Einverständnis, das Lösch, den Didaktiker und pädagogischen Schnittmusterschneider, immer wieder zu Lösch dem Berserker werden lässt.

Wenn seine Figuren schon nicht leben, sollen sie wenigstens bluten. Und so vertauschen zum Showdown zwischen dem trojanischen Waffensystem Hektor und dem überlegenen griechischen Achill Löschs Leute ihren anzüglichen Todesflitter mit nahkampfgeeigneten Nacktstramplern. Genug aufgeklärt. Jetzt geht’s zur Sache. Die letzte Runde ein Schlammcatchen in Innereien. Eine Ernte Roter Bete muss daran glauben. Man kennt das bereits: das Schlachtfest als Löschs privates Erntedankfest. Danach ist der Krieg aus, zumindest im Theater. Erleichterter Beifall.

Aufführungen: 16. bis 18. und 20. bis 23. Oktober.