Das hat es beim Fußball-Nachwuchsturnier um den Junior-Cup in Sindelfingen noch nie gegeben. Mit Vikingur Reykjavik nimmt erstmals ein Team aus Island teil.

Sindelfingen - Die jungen Männer in den roten Hoodies sind belebende Farbtupfer im sonstigen Einheits-Wintergrau unter den Besuchern im Stuttgarter Mercedes-Benz-Museum. Die Nachwuchsfußballer des isländischen Erstligisten Vikingur Reykjavik sind aber nicht nach Stuttgart gekommen, um sich den Wunsch von einem Traumauto zu erfüllen, sondern sich erstmals in das Abenteuer beim 28. U-19-Junior-Cup im Sindelfinger Glaspalast (5./6. Januar) zu stürzen.

 

Es wird eine Begegnung mit vielen Unbekannten. Witterungsbedingt spielen die Isländer zwar fast acht Monate in der Halle Fußball – aber auf Großfeld, elf gegen elf und auch der Belag ist ein anderer. „Und dann ist auch noch die Bande neu. Das wird eine spannende Aufgabe für unsere Jungs“, sagt Trainer Andri Marteinsson. Zustande kam der Kontakt über Islands Fußball-Legende Asgeir Sigurvinsson, der von 1982 bis 1990 für den VfB Stuttgart 194 Spiele absolviert hat.

Die Isländer bekommen es in der Gruppe A mit dem VfB Stuttgart, Hertha BSC und Grasshoppers Zürich zu tun. „Wir wollen Spaß haben, aber auch sehen, ob wir konkurrenzfähig sind“, sagt der Trainer. Sie sind gekommen, um zu lernen, und sie sind froh um die eine Trainingseinheit am Donnerstagabend im Glaspalast, um Gespür für das neue Terrain zu entwickeln. Vikingur ist fünfmaliger isländischer Meister bei den Profis und der amtierende Pokalsieger im U-19-Bereich.

Es dürfte also „gehuht“ werden im Glaspalast. Ganz Fußballeuropa war ein wenig verliebt bei der EM in Frankreich in die selbsternannten Wikinger, als sie die Vorrunde überstanden und dann England aus dem Turnier warfen.

Island arbeitet vorbildlich

Heimir Gunnlaugsonn, der Teammanager von Vikingur sieht kein Fußballwunder darin, dass sich Island auch für die WM in Russland qualifiziert hat. Der isländische Nachwuchs wird inzwischen exzellent ausgebildet. Der isländische Fußballverband KSI begann, Kunstrasenplätze in Hallen zu bauen, auf denen Kinder und Jugendliche das ganze Jahr spielen können. Zudem braucht jeder Nachwuchscoach, und wenn es nur der Vater des Torwarts ist, eine Lizenz. Und er bekommt vom Verein oder dem Verband eine ordentliche Aufwandsentschädigung. Mittlerweile verfügt der isländische Fußballverband über rund 700 Fußballlehrer mit Uefa-Trainerlizenz. Zudem würde die isländische Presse – anders als beispielsweise in England – auch keinen Druck auf das Team ausüben. Ein Großteil der Nationalmannschaft spielt seit vielen Jahren in den Juniorenauswahlen zusammen. „Und wenn sich die Nationalmannschaft trifft, dann ist das auch ein Treffen mit Freunden“, sagt Gunnlaugsonn.

Es gibt nur etwa 50 isländische Profifußballer. Die meisten kicken in der zweiten englischen Liga oder kleineren Ligen im Ausland. „Und dann zeigt die Mannschaft, was mit Willen, Arbeit und Hingabe möglich ist“, sagt Marteinsson.

Und das soll auch die nächste Generation verinnerlichen, die sich in Sindelfingen präsentiert. Die Verantwortlichen von Vikingur Reykjavik wissen, dass sich ihre Talente dabei auch ins Schaufenster stellen und von diversen Scouts und Beratern beobachtet werden. Die Begabtesten wechseln meist zwischen 16 und 18 Jahren nach Norwegen, England, Holland oder Deutschland, weil es keine klassischen Nachwuchsleistungszentren gibt. „Wir würden sie gerne etwas länger behalten“, sagt Andri Marteinsson. Immerhin hat er mit Örvar Eggertsson, Logi Tómasson sowie Viktor Örlygur Andrason drei Jugendnationalspieler in seinen Reihen.