Das Göppinger dacapo-Theater inszeniert mit Tempo und Energie Petr Zelenkas Stück „Schrottengel. Geschichten vom alltäglichen Wahnsinn“. Nach der Aufführung feiert das Publikum das Amateurtheater-Ensemble.

Göppingen - So wie unbemannte Raumschiffe durch das Weltall treiben, vagabundieren die Akteure in Petr Zelenkas Stück „Schrottengel. Geschichten vom alltäglichen Wahnsinn“ durch den Kosmos ihrer Sehnsüchte. Fast zwei Stunden lang prescht das Göppinger dacapo-Theater unter der Regie von Margarete Kienzle am Samstagabend bei der Premiere im Alten E-Werk durch diese rabenschwarze Komödie des tschechischen Drehbuchautors und Filmemachers – und wird am Ende mit großem Beifall belohnt.

 

Das Stück duldet keine Längen. Ralf Rummel mimt die Hauptfigur Petr, ein Durchgeknallter unter Durchgeknallten, ohne sie zu überzeichnen oder, was genauso fatal wäre, zu blass werden zu lassen. Die übrigen Akteure – allesamt hoch motivierte Theaterbegeisterte im Alter von 35 bis 60 Jahren – stehen an Spielfreude und Tempo nicht nach. In schrägen Dialogen und aberwitzigen Aktionen umkreisen sie Petr, der sich fragt, ob diese komischen Dinge wirklich um ihn herum passieren oder möglicherweise doch nur in ihm drin. Eine Stunde und fünfundvierzig Minuten lang kommunizieren die Charaktere auf eine Art und Weise aneinander vorbei, dass es eine wahre Pracht ist. Vor allem die zahlreichen Telefongespräche sind ein Paradebeispiel absurder Dialoge.

Hin und wieder leuchten echte Gefühle auf

Eine Pause gibt es nicht, das Ensemble spielt die Komödie an einem Stück durch. Gekonnt setzen die Darsteller die Pointen, etwa wenn „Mücke“ seinem Freund erzählt, dass ihm Gott erschienen sei, und Petr auf seine Frage, wie dieser denn aussehe, die verblüffende Antwort erhält: „Wie ein großer blauer Sessel.“ Bei allem Sprach- und Spielwitz bleibt einem das Lachen oft im Hals stecken, so verloren wanken die Figuren durch das Leben, und auch wenn die Sprache oft ins Derbe abgleitet, leuchtet in diesem Dickicht des Wahnsinns hin und wieder Poesie auf – und echtes Gefühl.

Grandios agiert Barbara Rummel als Petrs Mutter, eine überdrehte, hysterische Alte, die schnatternd durch das Leben tapst und ihrem Ehegatten, überzeugend gespielt von Gerald Schelle, Alzheimer andichtet. Weil sie am Elend der Welt leidet, spendet sie zwanghaft Blut und landet schließlich in der Psychiatrie, um dort zu entdecken, dass ihr Mann, ein pensionierter Nachrichtensprecher, sie auf seine verquere Weise noch immer liebt. Zuvor hatte das Paar seine Kleider getauscht, um sich besser in den anderen hinein zu fühlen.

Petr lässt sich als Paket verschicken

Seine Mühen mit der Liebe hat auch Petr. Um seine Freundin Jana zurückzugewinnen, folgt er dem Rat seines Freundes „Mücke“, der es mangels Frau schon auch mal mit einem Staubsauger treibt, und schneidet ihr das Haar ab. In Milch gekocht, verbrannt und an dem Ort verstreut, wo Petr sie einst kennenlernte, soll es ihm die verlorene Liebe zurückbringen. Doch Petr erwischt in der Dunkelheit versehentlich die Tante. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf – und bringt ihm Jana letztlich doch nicht zurück. Petr packt zum Schluss sich selbst und seine Bettdecke, die im Lauf des Stücks ein seltsames Eigenleben entwickelt, in einen Karton, dem er die Aufschrift „Kokosnüsse für Tschetschenien“ verpasst, gemäß eines Spruchs Petr Zelenkas: „Es gibt eine Möglichkeit, da rauszukommen. Man lässt sich als Paket per Post verschicken.“

Das Stück „Schrottengel“ ist am 23. November um 16 Uhr bei den Göppinger Theatertagen zu sehen. Weitere Aufführungen finden am 2. und 16. Dezember, am 27. Januar und 23. Februar um 20.30 Uhr statt. Aufführungsort ist das Alte E-Werk.