Puh, die Dreigroschenoper? Der Regisseur Joachim Lang hat die Pflichtlektüre für viele Schüler gründlich entstaubt. Und die Besetzung ist erste Sahne.

Stuttgart - Was wäre, wenn Bertolt Brecht seine Dreigroschenoper selbst verfilmt hätte? Und warum ist nix draus geworden? Darum geht es in „Mackie Messer – Der Dreigroschenfilm“, der seit Donnerstag im Kino läuft. Am Mittwoch war wie berichtet die Stuttgart-Premiere mit Staraufgebot von Lars Eidinger (Bertolt Brecht) bis Robert Stadlober (Kurt Weill). Beim anschließenden Empfang im Cube schloss sich der Kreis: Das Kunstmuseum hütet einen Schatz an Gemälden von Otto Dix, sie spiegeln die fieberhaften 20er Jahre, ohne die die Dreigroschenoper nie zustande gekommen wäre.

 

Mit Blick hinab aufs nächtlich verregnete Stuttgart kamen die Gäste und die vielen Mitwirkenden der Produktion nach dem Bilderstrudel allmählich wieder im Alltag an. Die meisten Schauspieler waren da schon im Hotel. Auch für Joachim Król war es nur ein Kurztrip zurück an eine alte Wirkungsstätte. Król war 2014 am Schauspielhaus engagiert. „Ich denke, ich habe in Stuttgart mit den ,Szenen einer Ehe‘ einen ganz guten Eindruck hinterlassen.“

Die Lieder müssen in Originaltonhöhe gesungen werden

Den hatte er im Übrigen auch von seinen Kollegen beim Dreh von „Mackie Messer“: „Man kennt sich, aber tatsächlich hatte ich mit einigen vorher noch nicht gearbeitet. Wir waren ein relativ großes Ensemble, und das Drehen hat sehr großen Spaß gemacht. Auch weil wir alle singen mussten. Das wird nicht so oft gefordert. Aber das tut der Geschichte gut, denn wir mussten alle noch mal richtig ran.“

Für Claudia Michelsen war das eine echte Herausforderung, denn die Lieder müssen in der Originaltonhöhe gesungen werden. „Mezzosopran ist eigentlich nicht meine Stimmlage“, erzählte sie. Ihr Glück sei, dass Brecht ausdrücklich Schauspieler für die Parts wollte und keine Sänger. „Es musste also nicht perfekt sein.“

Michelsen spielt die Frau an der Seite des Bettlerkönigs Peachum – eine Paraderolle für Król, der von sich sagt: „Ich hab immer à la carte gearbeitet, das heißt, eine Rolle danach ausgewählt, welche Figur mich interessiert.“ Ob er nicht lieber den Brecht gespielt hätte? „Für die Rolle von Brecht in diesem Film bin ich schlichtweg zu alt.“ Er habe sich vor 20 Jahren mal sehr bemüht, Brecht in einer Filmproduktion spielen zu können, aber aus dem Projekt sei leider nichts geworden. „Das jetzt nachzuholen, ist nie mein Ehrgeiz gewesen. Peachum ist für mich eine großartige Rolle – und dazu links an seiner Seite Claudia Michelsen, rechts Hannah Herzsprung.“

Gent spielt London

Gedreht wurde in Baden-Württemberg, Berlin und Belgien. Gent stellte das viktorianische London dar – und Eric Gauthier vor eine schwierige Aufgabe. Von ihm stammt die Choreografie, und sein Ensemble tanzt. Für die großen Straßenszenen brauchte er Verstärkung und musste 30 belgische Tänzer an einem einzigen Tag fit bekommen. „Das war echt Arbeit.“

An Gent hat auch Król eine spezielle Erinnerung. „Da diente uns eine leer stehende Halle als Garderobe für Statisten. Diese sind morgens in die Halle reingegangen und dann als Bettler wieder rausgekommen. Eines Tages stand die belgische Polizei vor der Tür, weil sich die Nachbarn beschwert hatten. Ihr Vorwurf war, dass da normale Bürger zu Bettlern gemacht werden, um Geschäfte zu machen. Das ist genau derselbe Blick auf die Gesellschaft und die Verhältnisse, wie Brecht sie auch schon hatte. Ist das nicht verblüffend?“

Der SWR war als Koproduzent mit verantwortlich, dass „Mackie Messer“ überhaupt auf die Leinwand kam. Da durfte sich Intendant Peter Boudgoust bei der Stuttgart-Premiere schon ein bisschen selber loben: „Wir haben einen Kulturauftrag, und solch einen Film müssen wir uns immer mal wieder leisten.“ Auch wenn der „Mackie“ ein „schwerer Brocken“ gewesen sei.

„Es hat sich gelohnt“, befand Boudgoust, und bescheinigte Regisseur Joachim Lang eine „starke Leistung“. Der verwies auf die Aktualität des Stoffs: „Es geht um die verborgene Brutalität der Gesellschaft, um das Wiedererstarken des Faschismus, die Freiheit der Kunst.“ Król sagt das so: „Der Film tut Auge und Kopf gut. Er ist unterhaltsam und gleichzeitig anspruchsvoll. Man kann als Kinozuschauer das Gehirn nicht in den Getränkehalter stecken.“