„Ein Strumpfband seiner Liebeslust“ in der Komödie im Marquardt

Stuttgart - Das rote Strumpfband einer Dame und Württembergs letzter König, passt das zusammen? Nein, beziehungsweise noi, denn König Wilhelm II. schwätzt in der Komödie im Marquardt mit volltönendem Bariton Schwäbisch. Dort ist jetzt die Komödie „Ein Strumpfband seiner Liebeslust“ von Tobias Goldfarb uraufgeführt worden. Der Titel klingt nach Altherrenschlüpfrigkeit, aber soviel sei verraten: König Wilhelm bleibt ohne Tadel.

 

Ein bürgernaher und bescheidener Mensch soll er gewesen sein, mit gänzlich unarroganter Ausstrahlung, so wie er heute in Bronze gegossen als bürgerlicher Spaziergänger mit seinen beiden Hunden neben dem Wilhelmspalais steht. Dort spielt Goldfarbs Stück, das er selbst inszeniert hat. Die Ausstatterin Barbara Krott hat die Bühne mit Gründerzeitmöbeln, mit Geweihen und einem Dachsfell bestückt. Drei Kumpel aus Jugendzeiten, eben der König, ein Arzt und ein Unternehmer, hängen nach durchzechter Nacht in den Seilen. Im Trinkbecher des Monarchen findet sich jenes Strumpfband, nun soll die Polizei herausfinden, warum. Eine halsbrecherisch konstruierte Handlung hebt an.

Lieber Gott, mach mich fromm . . .

Das skandalhungrige Fräulein Weiß (Amelie Sturm), eine toughe, blau bestrumpfte Journalistin, macht Druck, während der Kriminalkommissar (amüsant energisch: Norbert Abele) den Herrenabend zwecks Aufklärung minutiös nachspielen lässt. Einer der Jugendfreunde des Königs, der Arzt, hat ein Pulver gemixt, das dem Freundestrio poetische Kreativität verleiht. Alle drei krähen selbstverfasste Gedichte heraus. Wunderbar, dass manche Verse sperrig geraten: „Lieber Gott, mach mich fromm,/dass ich in eine Stimmung komm.“ In König Wilhelms Versen indes menschelt es heftig: „Was bin ich? Auch wenn man mich einen König nennt – ein Mensch.“ Bernhard Leute gibt den Regionalherrscher als sympathisch bodenständigen Schwaben. Vergnüglich wird es, wenn Goldfarb schöne Schrägheit hinkriegt, etwa einen vom König formulierten Satz, der wie aus einem Psycho-Wochenende klingt: „Ich wünschte, dass jeder jeden irgendwie mag.“ Witzig angeschrägt agiert auch Udo Thies als Unternehmer Malte Steenkamp, wenn er einen kühl hanseatischen Zungenschlag neben das Schwäbische setzt.

Nicht immer zünden die Pointen des Stücks, manche geraten flau, laufen ins Leere. Richtig gut gerät die Inszenierung, wenn sie ins Absurde kippt, ein paar Mal glückt das. Dann wird das Licht heruntergedimmt, aufregende Musik ertönt, und die Figuren bewegen sich verlangsamt wie in einem Traum. Das Fräulein Weiß ist auf einmal die Jagdgöttin Diana und schießt Pfeile ab. Da macht die Inszenierung Spaß.