Um den Konflikt zwischen Europa und Afrika geht es in Lluisa Cunillés Stück „Nach mir die Sintflut“, das auf der Tri-Bühne in Stuttgart zu sehen ist. Sie nimmt den Tod eines afrikanischen Jungen als exemplarischen Fall, um die Geschichte von Ausplünderung, Bürgerkriegen und Kindersoldaten zu erzählen.

Stuttgart - Alles ansehnlich designt hier – der schwarz-weiße Boden in einem Hotel in Kinshasa, der rote Kühlschrank, der Leuchttisch in Form einer Kalebasse. Selbst die sich im künstlichen Wind bauschende Fahne mit den schwarzen Gesichtern: schickes Dekor (Bühnenbild: Renata Balogh). Eine Übersetzerin (Natascha Kuch), provozierend weiblich, führt eloquent ein Wortduell mit einem Mann. Einen alter Afrikaner will seinen Sohn nach Europa schicken, denn dort allein ist Zukunft. Doch peng! – das Publikum zuckt zusammen – sackt der Mann (Christian Werner) im Schalensessel zusammen. Der Suizid als Kapitulation vor Argumenten und Gefühlen beendet die Reflexion der katalanischen Dramatikerin Lluisa Cunillé über den Konflikt Afrika-Europa.

 

Alejandro Quintana hat das Kammerspiel an der Tri-Bühne als poetischen Thriller inszeniert, in dem afrikanische Hitze flirrt und europäische Unterkühltheit lähmt. Dem Tod des Europäers ging das frühe Sterben des jungen Kongolesen voraus. Der Sohn starb als unterernährter Dreijähriger an Malaria, sein Vater hält ihn durch Erzählen und Fordern fiktiv am Leben. Cunillé nimmt den Tod des Kindes als exemplarischen Fall, um die Geschichte von Ausplünderung, Bürgerkriegen und Kindersoldaten zu erzählen. Natascha Kuch spricht diesen verzweifelten und entschlossenen Vater neben ihrer Rolle als Übersetzerin mit einer Präsenz, die auch ihr Cocktailkleid nicht mindert.

Welchen Wert hat ein afrikanisches Menschenleben für europäische Unternehmen? Was bekommt der asugebeutete Kontinent für Gold, Diamanten, Coltan? Cunillé stellt globale Zusammenhänge her, beleuchtet die Folgen verweigerter Verantwortung und die Ursachen für das Wandern der halben Weltbevölkerung nach Europa. „Nach mir die Sintflut“ wirkt über den gesamtkünstlerisch beeindruckenden Premierenabend hinaus. Es ist eben doch nicht alles egal.

Nächste Aufführungen: 12., 13., 17. Mai.