Eine Karriere in der Autoindustrie hatte der Journalist und Medienunternehmer Anton Piëch nie geplant. Mit 40 Jahren baut der Spross einer berühmten Familie nun Autos. Auf dem Genfer Autosalon präsentiert er seinen ersten Elektrosportwagen.

Genf - Der Gegensatz könnte größer nicht sein: Der große Porsche-Stand in der Halle 1 auf dem Genfer Autosalon ist blendend weiß, der kleine Piëch-Stand in der gleichen Reihe tiefschwarz. Anton Piëch, den alle nur Toni nennen, präsentiert dort die nach seinem Familienstamm benannte neue Automarke. Er wirkt so gar nicht wie die anderen Piëchs, die man sonst ab und an auf Veranstaltungen trifft – sie sind glatt rasiert, konservativ gekleidet, auf die Etikette achtend, einsilbig, scheue Rehe, die sich hilfesuchend umblicken, wenn sie von einem Journalisten angesprochen werden. Toni Piëch hat einen Bart, trägt Sneakers und hat beide Hände in den Taschen seiner Anzughose, bevor er bei der Premiere das Tuch von seinem ersten Auto zieht – dem Sportwagen Mark Zero.

 

Aber wie kommt es, dass ein Mann mit dieser Familiengeschichte erst mit 40 Jahren seine Leidenschaft für das Geschäft mit Automobilen entdeckt? Sein Urgroßvater Ferdinand Porsche erfand einst den Käfer, sein Opa Anton war in der Nazizeit Hauptgeschäftsführer des Volkswagen-Werks in Wolfsburg, sein Vater Ferdinand war bis vor seinem abrupten Abgang im Streit der allmächtige VW-Patriarch. „Ich habe mich lange Jahre fast gewehrt, in die Autoindustrie einzusteigen, weil dies eine sehr schwierige Branche ist und Mitglieder meiner Familie hier schon ganz Tolles geleistet haben“, antwortet der Jungunternehmer auf diese Frage. „Es war einfacher für mich, meine Sporen in einer anderen Branche zu verdienen.“

Piëch hat Sinologie in Princeton studiert

Toni Piëch wurde Journalist, nachdem er auf dem Schweizer Eliteinternat Zuoz war. Er arbeitete in der Lokalredaktion bei der „Zürichsee-Zeitung“, studierte Sinologie an der US-Elite-Uni Princeton, ging nach China, um dort als Journalist zu arbeiten. Dann machte er dort einen Sprung vom Journalisten zum Medienunternehmer, produzierte eine von Daimler finanzierte Doku-Serie über die Geschichte des Automobils, arbeitete dreieinhalb Jahre mit den Gottschalk-Brüdern zusammen, die „Wetten, dass . .?“ nach China exportierten. Doch dann kam es zum Bruch. Es habe Meinungsverschiedenheiten gegeben, deutet Piëch an. Es sei Zeit gewesen, ein neues Kapitel zu beginnen.

Dass er nun als Quereinsteiger in der Autoindustrie beginnt, begründet der 40-Jährige mit dem derzeitigen Umbruch in der Branche, dem Wandel vom Verbrenner zum Elektroantrieb. „Da eröffnen sich Möglichkeiten für neue Unternehmen, die vielleicht kleiner, aber schneller und wendiger sind“, erklärt Piëch. Zudem habe er mit Rea Stark Rajcic einen Partner gefunden, der genauso tickt wie er. Beide sind Chefs der Piëch Automotive AG mit Sitz in Zürich und München. Piëch ist für das Marketing zuständig, Stark Rajcic ist Kreativdirektor. Auch Piëchs Partner kommt aus dem Mediengeschäft. Er besuchte die Kunstschule in St. Gallen und machte eine Ausbildung zum Typografen und Lithografen bei der „Neuen Zürcher Zeitung“. Danach designte er unter anderem für Panasonic, Sony und Canon in Japan.

Medienunternehmer und Designer stellen Autobauer auf die Beine

Aber wie können ein Medienunternehmer und ein Designer einen Autobauer auf die Beine stellen? Liegt das bei der Familie Piëch im Blut? Ferdinand Piëch hat einmal gesagt, er habe so viele Kinder in die Welt gesetzt, damit wenigstens eines seine Genialität erbe. „Nein, nein“, wehrt der Gründer ab, „eine meiner Stärken ist, dass ich weiß, was ich nicht kann.“ Er habe es gemeinsam mit seinem Partner geschafft, „Leute um uns zu scharen, die Sachen können, die wir nicht können“. Einer dieser Männer ist Klaus Schmidt, „ein begnadeter Ingenieur“, so Piëch. „Er kann tolle Sportwagen in Kleinserie bauen.“ Dies habe er in der Tuningsparte von BMW bewiesen. Danach habe er für den chinesischen Autobauer Qoros drei Autos auf die Straße gebracht.

Bis die ersten Elektroautos der neuen Marke Piëch auf die Straße kommen, wird es allerdings noch etwas dauern. In diesem Jahr sollen die ersten Prototypen getestet werden, die ersten Kunden sollen ihren E-Sportwagen, der zwischen 150 000 und 170 000 Euro kosten soll, 2020 in Empfang nehmen. Die Batterie des Stromers besteht aus neuen Zellentypen des chinesischen Herstellers Desten Group. Damit soll der Energiespeicher in vier Minuten und 40 Sekunden zu 80 Prozent aufgeladen werden können. Zunächst einmal ist eine Serie von 1500 Sportwagen geplant. Doch Piëch denkt viel weiter. Die technische Architektur des Fahrzeugs sei sehr flexibel. Eine ganze Produktfamilie sei geplant. Der modulare Aufbau ermögliche auch ganz unterschiedlich Antriebe, vom Verbrenner über Hybride und reine E-Antriebe bis hin zur Brennstoffzelle.

Es soll keine Fabrik gebaut werden

Flexibel wie das Fahrzeug ist auch das Geschäftsmodell. Piëch will keine Fabrik bauen, sondern mit Partnerunternehmen zusammenarbeiten – Entwicklungsdienstleistern, Zulieferern und Auftragsfertigern. Seine Mannschaft besteht derzeit nur aus einem Kernteam von etwa 20 Leuten. Bisher habe man den Aufbau des Unternehmens mit eigenem Geld und einer ersten Runde Startkapital von „Friends and Family“ geschafft. Nun werden weitere Investoren gesucht. Eine halbe Milliarde Euro soll zunächst einmal eingesammelt werden.

Macht die neue Sportwagenmarke Porsche Konkurrenz und sorgt womöglich für Zwist im PS-Clan? Anton Piëch sieht seinen Sportwagen nicht als Konkurrenz, sondern eher als komplementäres Produkt. Die Konzepte seien unterschiedlich. Wolfgang Porsche, der Sprecher des einen Familienzweigs, will sich bei einer Abendveranstaltung von VW in Genf nicht dazu äußern. „Schaun wir mal“, sagt der Aufsichtsratschef des Stuttgarter Sportwagenbauers ausweichend. Bei der Premiere ist der 75-Jährige nicht zu sehen. Aber Peter Daniell Porsche steht unauffällig im Publikum. Der gebürtige Stuttgarter gehört wie Toni Piëch zur vierten Generation des PS-Clans. Er sieht den Gründer nicht als Konkurrenten, wie er sagt, sondern als „Mitstreiter“. Er habe den Wagen nun zum ersten Mal im Original gesehen. „Ein gelungenes Auto“, urteilt Porsche und fügt mit Blick auf den mörderischen Wettbewerb in der Autoindustrie hinzu: „Ich finde das sehr mutig von Toni.“