Premiere in der Komödie im Marquardt in Stuttgart: Jochen Busse und Hugo Egon Balder werden im Stück „Komplexe Väter“ plötzlich ganz selbstkritisch.

Sie stehen sich gegenüber wie zwei greise Duellanten: der Ehemann und der Ex-Lover, beide wesentlich jüngeren Frauen zugetan. Anton und Erik sind sich einige Jahre nicht begegnet, in gegenseitigem Einvernehmen. Ute, die Gattin von Anton, hat es eingefädelt, dass beide wieder aufeinandertreffen. Erik ist der leibliche Vater von Nadine, Anton hat sie großgezogen, und an diesem Abend sollen beide den neuen Freund der gewissermaßen gemeinsamen Tochter kennenlernen.

 

Spätestens als dieser Freund auftritt, platzt das Publikum vor Lachen in der Komödie im Marquardt bei der Premiere von „Komplexe Väter“: Denn Björn ist zwar noch nicht so alt wie Anton und Erik – könnte aber doch Nadines Vater sein. Da steht er, ein agiles Männchen im eng geschnittenen Karoanzug, von Berufs wegen erstens Klugscheißer und zweitens Psychotherapeut, strahlt vom Scheitel bis zur Sohle und möchte vor allem eines: Champagner trinken.

Sie giften sich nach Herzenslust an

Mit Jochen Busse als Anton, Hugo Egon Balder als Erik, Alexandra von Schwerin als Ute und René Heinersdorff als Björn stehen Schauspieler auf der Bühne, die aus Film und Fernsehen wohlbekannt sind; hinzu kommt Farina Violetta Giesmann in der Rolle der Nadine, die mit ganz eigener Strahlkraft zwischen Vaterkomplex und Selbstbewusstsein pendelt. René Heinersdorff ist auch Autor des Schwanks, der ganz zugeschnitten ist auf die Bühnenveteranen Busse (82) und Balder (73). Sie dürfen sich hier nach Herzenslust angiften, umkreisen, verachten – und plötzlich einig sein, als ein jüngeres Alter Ego beider zur Tür hereinspaziert und sich an die Tochter heranmacht.

„Komplexe Väter“ erlebte seine Uraufführung 2018 in Hamburg. Wie dort führt René Heinersdorff nun auch in Stuttgart Regie und richtete die Bühne ein. Sie zeigt ein nüchtern-weißes Interieur mit Seitenräumen, in die die Protagonisten fliehen können. Die Kostüme schuf Andrea Gravemann. Die Frage, ob man als Senior noch im schwarzen Rollkragenpullover auftreten könne, wird im Stück ausführlich diskutiert – bis René Heinersdorff alias Björn für ein modisches Schockerlebnis sorgt.

Ist Kochen besser als Sex?

„Komplexe Väter“ ist ein Stück der schnellen, zugespitzten Dialoge und der verdutzten, trotzigen Gesichter. Jochen Busse und Hugo Egon Balder, der eine reserviert, mit indigniertem Blick, der andere wild und locker, aber gealtert (und im schwarzen Rolli), sind urkomische Kontrahenten; Alexandra von Schwerin lässt sie, nicht ohne Vergnügen, aufeinanderprallen: „Ach, das ist doch jetzt mal nett, dass ihr beiden euch so ungezwungen trefft!“ Betretenes Schweigen. „Ja. Ist nett.“ – „Ja.“

Irgendwo im Hintergrund ist außerdem eine gewisse Elena aktiv – eine Ärztin, die ein vorzügliches Bœuf Stroganoff zubereitet, Patienten zu ihrem Gatten schickt, dem Therapeuten Björn, den sie tatsächlich gerne los wäre, unterhält sie doch eine Affäre mit Anton, dem Nachfolger im Amte von Erik. Kompliziertes Liebesleben – und nur eine Moral: „Kochen ist etwas sehr Intimes!“

Weitere Vorstellungen bis zum 25. Juni