Liebesschwüre und ein paar Hiebe – Fifty Shades of Grey entpuppt sich als harmlos. Dennoch handelt es sich um einen ordentlichen Film, meint der StZ-Kulturkritiker Markus Reiter.

Berlin - Während der ersten Stunde will man als Zuschauer hoffen, dass „Fifty Shades of Grey“ noch ein richtig interessanter Film werden könnte. Da gibt es zum Beispiel jene Szene, in der sich der junge Milliardär Christian Grey (Jamie Dornan) und die 21-jährige Literaturstudentin Anastasia Steele (Dakota Johnson), genannt Ana, an den entgegengesetzten Enden eines langen Verhandlungstisches sitzen. Das Licht ist abgedunkelt, so dass die beiden wie Schatten wirken. Sie sind an einem entscheidenden Punkt ihrer Beziehung angekommen, denn vor ihnen liegt ein Vertrag, den Greys Anwälte ausgearbeitet haben. Es ist ein Unterwerfungsvertrag. Denn der Milliardär will Ana besitzen, sexuell – und darüber hinaus. Aber er will es auf eine legale Weise, und deshalb müssen die Grenzen von Anas Bereitschaft zur Unterwerfung rechtlich verbindlich fixiert werden.

 

Es wird hart verhandelt, denn Ana ist plötzlich nicht mehr die Unschuld vom Lande, als die sie dem Zuschauer noch vor einer halben Stunde vorgestellt worden war. Sie ist jetzt eine Geschäftsfrau in Sachen Sadomaso-Sex. Verhandlungsgegenstand ist ihr Körper. Handschellen sind erlaubt; Isolierband verboten. Dildos dürfen eingeführt werden; Vaginalklemmen sind tabu.

Gefangene ihrer Begierden

Die britische Regisseurin Sam Taylor-Johnson, deren Profession als Fotografin sich in ästhetisierten Kameraeinstellungen ausdrückt, hat hier eine starkes Bild geschaffen. Sex, Lust, Begierde, sogar die Liebe sind eine Aushandlungssache zwischen zwei Vertragspartnern. Natürlich spielen der Gegensatz von Armut und Reichtum eine Rolle, da Grey der armen Studentin Ana Luxus und Wohlstand bietet. Aber prinzipiell begegnet man sich auf Augenhöhe, denn auch der Milliardär ist ein Gefangener seiner Begierden. Aber dann, ein paar Schnitte weiter, löst Taylor-Johnson das ganze Szenario wieder in Romantik-Kitsch auf. Es werden Liebesschwüre gehaucht, über Wangen gestreichelt, sich aus großen Augen angeblickt. Der Soundtrack von Frank Sinatra bis Beyoncé, wie eine Endlosschleife aus Kuschelrock XVI, tut das Übrige.

So geht das ständig in dieser Verfilmung des ersten Bandes von „Fifty Shades of Grey“ der amerikanischen Autorin E. L. James, auf die Millionen vorwiegend weiblicher Anhänger der Romanvorlage lange gewartet haben. Die Trilogie hat sich nach Schätzungen rund 100 Millionen mal verkauft. Für den Valentinstag am Samstag melden Kinos in Deutschland und den USA ausverkaufte Säle. Eine geschickte Marketingmaschine und hysterisierte Medien hatten die Stimmung angeheizt, indem sie unablässig verruchte Erwartungen weckten. Dabei sind die Sexszenen so harmlos, dass sie auch in den „Twilight“-Verfilmungen ihren Platz fänden. Echte Fans wird das nicht enttäuschen. Wer sich im Buch an hölzernen Formulierungen wie „hinschmelzen“ und „vor Lust vergehen“ ergötzt, wird auch im Film keine Ficks wie in Lars von Triers „Nymphomaniac“ erwarten. Selbst dann nicht, wenn ein ständig verzückt guckender Jamie Dornan als Christian Grey verkündet, er mache keine Liebe, sondern ficke hart. Den Beweis bleibt er schuldig. Die Defloration Anas jedenfalls findet ganz normal in einem Bett statt und wenn man den nackten Hintern des ehemaligen Unterhosenmodels Dornan sanft auf und ab wiegen sieht, hat man nicht dem Eindruck, hier einem Hardcore-Fick beizuwohnen.

Sechsmal schlägt er zu

Irgendwann, nach seelenquälerischem Hin- und Her, führt Grey Ana in sein dunkles Geheimnis ein und öffnet die Tür zu seinem Spielzimmer. Der Moment ist eine Antiklimax. Was er ihr zeigt, ist von so plüschiger Biederkeit, dass sich diese Sadomaso-Folterkammer in jedem Möbelhaus gut machen würde.

Zum Schluss fleht Ana ihren Milliardär an, sie so hart zu bestrafen, wie er möchte. „Nur dann kann ich dich ganz verstehen“, haucht sie. Sechsmal schlägt er zu. Sie beißt dabei kaum einmal die Zähne zusammen. Sicherlich: Sadomaso dreht sich nicht um Gewalt, sondern spielt mit Unterwerfungsfantasien. Aber wenn Grey am Ende weniger befriedigt als erleichtert wirkt, dann drängt sich dem Zuschauer der Eindruck auf: dieser Sadomaso-Film ist leider hoffnungslos romantisch.