Die neue „Kulturmeile“ des Pragsattels brummt: Begeistert war das Publikum bei den Premieren des Musicals „Die Päpstin“ mit Stars wie Uwe Kröger und der neuen Burlesque-Show im Friedrichsbau. Nur wenige Schritte sind hier Mönchskutten und nackte Haut entfernt.

Stadtleben/Stadtkultur: Uwe Bogen (ubo)

Stuttgart - „Da schau her, da kommt der Tod.“ Dieser Schmäh galt in Wien vor 25 Jahren einem ansehnlichen Blondschopf. Uwe Kröger spielte mit wallendem Langhaar den Tod im Musical „Elisabeth“ so gut, dass er über Nacht zum Star wurde und sich für Höheres empfahl – für den neu erbauten Stolz der Stuttgarter Stadtväter, für den Showpalast von Rolf Deyhle auf den Fildern.

 

Der allererste Held des heutigen Apollo-Theaters, der einstige GI Chris von „Miss Saigon“, ist nun in die Stadt zurückgekehrt, die ein wichtiger Teil seiner Karriere ist. Im Musical „Die Päpstin“ spielt der neuerdings beim Partner in Spanien lebende Kröger bis Dienstag siebenmal (am Samstag und Sonntag zusätzlich zum Abend auch am Nachmittag) den Gelehrten Aeskulapius nach der Regie des Stuttgarters Benjamin Sahler, des Theaterdirektors des Festspielhauses Füssen. „Uwe ist mein Idol, seit ich ihn 1994 im SI-Centrum sah“, sagt der 43-Jährige. Mit Jan Ammann und Kevin Tarte, beide als Krolock in „Tanz der Vampire“ phänomenal, sowie Alexander Kerbst, dem Hauptdarsteller des Musicals „Falco“, hat er weitere Stars für sein erstes Heimspiel gewonnen.

Große Nachfrage sorgt für Zusatzshows

In vielen Städten inszeniert Sahler, ob in Bonn, Passau oder Hildesheim. Seinen größten Erfolg landete er mit dem Comeback von „Ludwig2“ in Füssen. Erstmals wagt er sich mit einer eigenen Produktion in seine Heimatstadt. Das Promi-Aufgebot auf der Bühne – die Päpstin wird von der früheren TV-Bachelorette Anna Hofbauer gespielt – ist so groß, dass der Vorverkauf brummt und Zusatzshows ermöglicht.

Ist der Andrang nur aufs Treffen der Altstars zurückzuführen, das ein Who’s who der größten Musicalhelden ist? Oder sind die Fans doch am Legendenstoff interessiert, der von einer gelehrten Frau erzählt, die sich als Mann ausgibt und als Papst amtiert haben soll? Im Verlauf der bei der Generalprobe immer besser werdenden Aufführung mit über 30 Mitwirkenden (darunter heimische Musicalsänger wie Peter Anders) wird man so sehr in den Sog der Geschichte gezogen, dass man nicht mehr darüber nachdenkt.

Großartige Stimmen und raffinierte Bühnentricks lassen die Einschränkungen vergessen, mit denen eine Tourproduktion im Theaterhaus im Vergleich zur Perfektion des Marktführers Stage Entertainment leben muss. Lange Mönchskutten jedenfalls sind – da wie dort – gerade das bevorzugte Showkostüm der Stuttgarter Musicals.

Lob des Friedrichsbaus für Neubaupläne der Stadt

Wenige Schritte von der „Päpstin“ entfernt fallen (fast) alle Hüllen. Moderator Ferkel Johnson, die Rampensau der neuen Varieté-Show „Burlesque Affairs“, gibt für den Friedrichsbau sein letztes Hemd. So groß ist die Begeisterung seit den Vorpremieren über ihn und seine lasziv strippenden Kolleginnen, dass die traditionelle Bühne auf ein weiteres Hochschnellen der Besucherzahlen hofft. Beim unfreiwilligen Umzug von der Stadtmitte auf den Pragsattel waren Stammgäste auf der Strecke geblieben. Der Friedrichsbau ist nun auf kommunale Unterstützung angewiesen. Mit dem alten Gesetz, wonach „Sex sells“, also verkauft, begnügt man sich aber nicht. Burlesque will den „Unterschied von Sex und Erotik“ vorführen, wie Johnson betont: „Bei uns geht es um die Fantasie, um Bilder im Kopf.“ Unter den begeistert fantasierenden Premierengästen: TV-Moderartorin Tatjana Geßler, Unternehmer Hans Peter Stihl, Ringer-Weltmeister Frank Stäbler, City-ManagerinBettina Fuchs und Stars der hiesigen Burlesque-Szene eingeladen.

Auf der „Kulturmeile des Pragsattels“ ist was los! Und jetzt wird noch mehr gebaut im „Theaterviertel“. Varieté-Geschäftsführer Timo Steinhauer lobt die Stadt: „Wir werden vorbildlich in die geplanten Bauten der direkten Umgebung einbezogen.“ So dürften während der Vorstellungen (gilt auch fürs Theaterhaus) „keine erschütternden Erdarbeiten“ vorgenommen werden. Der Friedrichsbau hat die beliebte Nachmittagsvorstellung „Varieté zum Tee“ von donnerstags auf samstags verlegt – mit Rücksicht auf die Bauherren. Die Pläne für die Grundstücke rund ums Varieté zeigen, worüber sich Steinhauer freut, „dass die Stadt eindeutig mit einem längeren Bestand des Friedrichsbaus auf dem Pragsattel rechnet“. Die Bebauung werte das Viertel noch mehr auf und bringe „weiteres Potenzial in Bezug auf Gäste und Firmenkunden“.

Bestimmt wird auch den neuen Gästen das stilvolle Entblättern gefallen. Deshalb dürfte eines sicher sein: Nach dem Burlesque-Tanz ist vor dem Burlesque-Tanz.