In der Veranstaltungsreihe der Stuttgarter Zeitung und der Volkshochschule spricht die Redakteurin Renate Allgöwer über den Bildungsaufbruch im Lande, der aber manchmal auch wie ein Bildungseinbruch aussehe.

Stuttgart - Die Bildungspolitik ist das Herzstück der Landespolitik. Vielleicht ist sie auch ihre Achillesferse.“ Das sagte Renate Allgöwer, Redakteurin im Ressort Landespolitik der Stuttgarter Zeitung, am Mittwochabend im Rotebühlzentrum. Allgöwer sprach im Rahmen der Reihe „Pressecafé“ der StZ und der Volkshochschule zum Thema „Großbaustelle Schulpolitik – Ist der Status von Baden-Württemberg als Bildungsvorzeigeland in Gefahr?“

 

Die Landesregierung habe von einem Bildungsaufbruch gesprochen. „Manchmal sah das aber aus wie ein Bildungseinbruch“, sagte Allgöwer nach der Begrüßung durch die VHS-Chefin Dagmar Mikasch-Köthner. Das hörte der grüne Landtagsabgeordnete Jörg Fritz nicht gern, der als Besucher mitdiskutierte. Die Vorsitzende des Stuttgarter Gesamtelternbeirates, Sabine Wassmer, kritisierte Teile der Bildungsreform.

Eltern gehen mit neuer Verantwortung besser um

„Die Nerven der Landesregierung lagen zeitweise blank“, sagte Allgöwer. Dabei bekomme Rot-Grün derzeit laut Umfragen gute Noten, „nur eben nicht bei der Bildung“. Die StZ-Referentin erwähnte die Kritik an der Abschaffung der Grundschulempfehlung 2012. Derzeit liege die Zahl der Hauptschüler verglichen mit der Gesamtzahl bei 9,3 Prozent. Das sei ein Rückgang von zwei Dritteln in drei Jahren. „Andererseits scheint dieser Trend langsam vorbei zu sein“, sagte Allgöwer und begründete dies mit den sinkenden Schülerzahlen in Realschulen und Gymnasien. „Es sieht so aus, als würden die Eltern mit ihrer neuen Verantwortung jetzt besser umgehen“, stellte sie fest.

Renate Allgöwer sprach ein weiteres Reizthema an: die Gemeinschaftsschule. Sie sei die „eigentliche Revolution im Bildungssystem“. Allerdings besuchten derzeit im Land nur rund 20 000 Schüler diese Schulform. „Das sind zwei Prozent der Gesamtzahl.“ Die Opposition zeige sich in der Frage der Gemeinschaftsschulen uneinig. Der CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf wolle sie abwickeln. Andere Stimmen äußerten sich für deren Beibehaltung.

Inklusion ist auch eine Frage des Geldes

Die StZ-Redakteurin macht deutlich, dass die demografische Entwicklung zu einer Zusammenlegung von Schulen zwinge. 2004 gab es 104 000 Viertklässler, 2010 waren es 81 000. Im Jahr 1995 gab es 1235 Hauptschulen; 2015 waren es rund 800.

Schließlich kam Allgöwer auf das Thema Inklusion zu sprechen, also den gemeinsamen Unterricht behinderter und nichtbehinderter Kindern. Das sei auch eine Frage des Geldes. Experten sprächen von Kosten in Höhe von 108 Millionen Euro für Lehrer und Umbauten in den Schulen.

„Die Reformen sind sinnvoll, manche von ihnen waren auch unausweichlich“, sagte die Referentin. Und nicht alle stammten von Grün-Rot. Nur das Tempo „war atemberaubend“. Dem stimmte ein Besucher in der VHS zu: „Auch eine CDU-Landesregierung hätte eine Schulreform durchführen müssen.“