Im VHS-Pressecafé mit Wissenschaftsredakteur Klaus Zintz ging es um das Thema Atomausstieg und die Frage, was eigentlich mit dem Atommüll passiert. Dabei wurden auch ungewöhnliche Vorschläge debattiert.

Stuttgart - Der Zeitpunkt für das VHS-Pressecafé der Reihe Stuttgarter Zeitung direkt hätte kaum passender sein können: Wissenschaftsredakteur Klaus Zintz sprach am Mittwoch im Treffpunkt Rotebühlplatz just an dem Tag über das Thema „Atomausstieg – Wer zahlt die Rechnung? Und was passiert mit dem Atommüll?“, an dem in Berlin Union, SPD und die Grünen einen gemeinsamen Entwurf des Standortauswahlgesetzes vorstellten. Demnach soll deutschlandweit nach einem Endlager für Atommüll – es gibt weltweit noch keines, das den Namen verdient – gesucht werden. Dabei gelte nach Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) das Prinzip der „weißen Landkarte“. Damit werde kein Ort von vornherein ausgeschlossen, auch nicht der einst als Endlager vorgesehene Salzstock Gorleben in Niedersachsen.

 

2022 werden die letzten Meiler in Deutschland abgeschaltet, bis 2031 soll der Ort gefunden werden, an dem eine Million Jahre hoch radioaktiver Atommüll lagern kann. Über Verfahren und Auswahlkriterien wird seit Jahren debattiert. Auch im Robert-Bosch-Saal ging es diskussionsfreudig zu. Kühne Ideen kamen auf, den Müll zwischen den tektonischen Platten, die sich am Meeresboden gegeneinander verschieben, zu versenken oder mit einer Rakete in Richtung Sonne zu schießen. „Ein Raketenstart ist so teuer, da ist die teuerste Endlagerung auf der Erde billiger“, antwortete Klaus Zintz.

Reisen nach Gorleben, Tschernobyl, Asse und La Hague

Risikofrei ist keine Variante. Atommüll strahlt nun mal, insbesondere gilt das für jene Teile, die hautnah an der Kernspaltung lagen. „Beim Abbau von Kernkraftwerken wie Obrigheim seit 2008 oder nun Neckarwestheim versucht man, alle Teil so zu dekontaminieren, dass nur noch wenig hoch radioaktiver Müll übrig bleibt“, so Zintz. „Das ist dennoch eine ganze Menge.“ Er beschrieb Erlebnisse aus seiner journalistischen Laufbahn, etwa Reisen nach Gorleben, Tschernobyl, zur Wiederaufbereitungsanlage La Hague oder zum Salzbergwerk Asse. In der Schachtanlage wurde zwischen 1967 und 1978 die Endlagerung radioaktiver Forschungsabfälle erprobt, Fässer ungeordnet aufeinander gekippt – in den Salzstock trat Wasser ein. „Salzstöcke sind in der Regel geeignet“, so Zintz. „Ein Problem ist, wenn die Salzbarriere verletzt wird, in Asse war sie zu dünn.“

Im Kernforschungszentrum Karlsruhe konnte er im Sommer 2015 beobachten, wie der Versuchsreaktor abgebaut wird. „Der hochgradig verstrahlte Innenteil des Reaktors ist wie eine Thermoskanne, in den zweieinhalb Meter großen Flaschenhals wird ferngesteuert ein Roboter eingesenkt, der die Wände zersägt.“ Menschen in Schutzanzügen zersägten in einem hochabgeschirmten Gebäude Weiteres von Hand, von außen schaue immer, jemand zu. Falls etwas passiere, brauche es schnelle Rettung. „Das kann man nicht lange machen, es ist schweißtreibend, man braucht oft Pausen.“

Der Bund hat Haftungsrisiken übernommen

Ein KKW stehen zu lassen, sei auch keine gute Idee. Auch der Stahlbetonsarkophag von Tschernobyl brauchte 2016 eine zweite Hülle, weil er zu marode war, um die Ruine von Reaktorblock 4 von der Außenwelt fernzuhalten. „Kraftwerke gehören gepflegt und kontrolliert abgebaut. Dringend notwendiges Wissen in dem Bereich darf nicht verloren gehen“, erläuterte der Wissenschaftsredakteur, der nicht glaubt, dass bis 2031 das Endlagerproblem gelöst wird. „Keiner will das vor der Haustür, Bayern und Sachsen haben schon ihr Veto eingelegt. Die Zwischenlager neben den Kernkraftwerken werden wohl zu Endlagern“, glaubt er. In Sachen Entsorgung lege letztlich der Steuerzahler drauf. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zahlen nun die Energiekonzerne 23,6 Milliarden für die Atommüllentsorgung in einen Fonds, während der Bund Haftungsrisiken der Endlagerung übernehme. Eine Rechnung mit Unbekannten. Zintz: „Die Kosten sind derzeit kaum seriös zu kalkulieren.“