Im Pressecafé der Volkshochschule und der Stuttgarter Zeitung hat Titelautor Armin Käfer analysiert, was die Landtagswahl im März für die Bundestagswahl im Herbst bedeutet.

Stuttgart - Alles ist in Bewegung? Eigentlich eine Binsenweisheit! Aber eine, die nie so wahr war wie heute. „Die politische Architektur in der Republik ändert sich, das zeichnete sich schon vor den ersten Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg sowie der Kommunalwahl in Hessen ab“, erklärte denn auch Armin Käfer, Titelautor der Stuttgarter Zeitung, beim Pressecafé, das die Volkshochschule und die Stuttgarter Zeitung gemeinsam veranstalten.

 

Im Treffpunkt Rotebühlplatz sprach er über das Thema „Nach der Landtagswahl ist vor der Bundestagswahl“ – via Livestream. Was die Zeichen der bisherigen Wahlen bedeuten, für das Ländle und den bundesweiten Urnengang im Herbst, das analysierte Käfer detailliert. Die Berliner Politszene kennt er gut, leitete er doch dort bis 2016 das Korrespondentenbüro der Stuttgarter Zeitung. „Wir haben ein Superwahljahr, neben der Bundestagswahl werden 2021 in fünf Bundesländern neue Landesparlamente gewählt.“ Bisher seien überall die Grünen auf dem Vormarsch, sogar – das zeige das hessische Kommunalergebnis – in der Graswurzelpolitik.

Erfolg für Kretschmann, nicht für die Partei

In Baden-Württemberg seien sie mit ihrem klaren Wahlsieg fast auf dem Weg zur Volkspartei, je nachdem wie man den Begriff definiere, während die CDU abrutsche. 32,6 Prozent der Stimmen holte die Partei von Ministerpräsident Winfried Kretschmann – und verbesserte ihr Rekordergebnis von 2016 um 2,6 Prozentpunkte.

„Ein Erfolg von Winfried Kretschmann, nicht der Partei“, so Käfer. Schon im Vorfeld habe dieser hohe Umfragewerte gehabt. „71 Prozent der Befragten waren mit seiner Politik zufrieden, darunter 56 Prozent der CDU-Anhänger.“ Bei den Sympathiewerten, die von minus fünf bis plus fünf reichen, bekam er eine 3,9. Seine Herausforderin Susanne Eisenmann landete im Minusbereich. „Mit einem Minus zu starten, ist immer schlecht.“ Schlecht angekommen sei auch ihr Schulkurs in Sachen Pandemie.

Das Erfolgsgeheimnis Kretschmanns? „Er ist mehr als ein Politiker. Er ist eine Marke.“ Anders als manche zu den Anfangszeiten der Grünen – sie traten als Anti-Partei auf, Joschka Fischer in Turnschuhen – sei er kein Bürgerschreck. Er trage Krawatte, betone seinen Glauben, spreche Dialekt, sei wirtschaftsfreundlich, nicht autofeindlich, eben ein Realo. Davon profitierten – in seinem Kielwasser – nicht nur die Grünen im Land, sondern auch jene auf Bundesebene. „Doch er repräsentiert nicht die Grünen insgesamt, ist nicht immer identisch mit deren programmatischen Positionen.“ Das Problem: Wer kommt nach Kretschmann? „Ich sehe derzeit keinen. Er präferiert Andreas Schwarz, den Grünen-Fraktionsvorsitzenden im Landtag. Würden Sie den auf der Königstraße erkennen?, sagte Käfer.

Käfer: Grüne haben gleich zwei charismatische Personen

Zu den Gewinnern im Land gehöre auch die FDP, die in ihrem Stammland das zweitbeste Ergebnis einfuhr. Aber auf Bundesebene stehe sie im Schatten der Pandemiegespräche – zwischen „dem vorsichtigen Kurs der Regierung und der AfD, Klammer auf Querdenker“. Zugelegt hätten zudem die Linken, obschon sie an der Fünfprozenthürde scheiterten – „es reicht nicht in der Fläche“ – und die Freien Wähler. „Bleibt abzuwarten, ob letztere zu bajuwarischer Größe wachsen. Das geht dann zu Lasten der CDU, die mit der SPD zu den großen Verlierern gehört. Immerhin landete die SPD doch zweistellig vor der AfD“, so Käfer. SPD-Kandidat Andreas Stoch habe sich als Sieger geriert, im Land auf eine Ampel gehofft, die Kretschmann wohl wegen der FDP nicht einging, lieber mit der CDU sondiere. „Die FDP hat sich als Wadenbeißer der Grünen profiliert – und kläfft schon wieder.“ Wie sehr vor allem Persönlichkeiten bei Wahlen zählten, zeige auch das Ergebnis der SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, betonte der Journalist. Für die Bundes-CDU sei wenig hilfreich, dass nun Armin Laschet und Markus Söder um die Bundeskanzlerkandidatur rangelten. Beide litten darunter. Hinzu kämen noch die Maskenaffäre sowie Korruptionsvorwürfe samt Verbindungen nach Aserbaidschan. „Das bleibt bei den Menschen hängen. Nicht alle schauen so tief ins Parteiprogramm.“ Eleganter gingen die Grünen vor. „Sie setzen ein Datum, um ihre Kanzlerkandidaten oder –kandidatin zu präsentieren.“ Deren Vorteil: Mit Robert Habeck und Annalena Baerbock hätten sie gleich zwei charismatische Personen. „Baerbocks Alleinstellungsmerkmale: junge Frau, Mutter, da spielt Gendergerechtigkeit hinein, ihr fehlt zwar Regierungserfahrung, aber sie ist in den Themen drin. Sie ist eine Botschaft an das Monopol der weißen Männer.“ Indes könne noch Unbill drohen, mutmaßte Käfer. „Wie die Entscheidung fällt, jeder hat seine Anhänger! Vergrätzungen gibt es immer. Aber: An den Grünen kommt man auch auf Bundesebene nicht vorbei.“