Der Pressestammtisch diskutiert kurz vor der Sommerpause die politische Situation in den USA.

Möhringen/Echterdingen - Die kritischen Stimmen werden lauter, selbst im eigenen Lager. Doch ob Barack Obama wirklich als „der schlechteste Präsident Amerikas seit 1945“ in die Geschichtsbücher eingehen wird, wie eine US-amerikanische Zeitung unlängst getitelt hatte, das bleibt für Michael Weißenborn, Politikredakteur der Stuttgarter Nachrichten, dann doch abzuwarten. „Ist Barack Obama ein Getriebener oder ein Treibender?“ lautete gestern das Thema beim Pressestammtisch, der gemeinsamen Veranstaltung von Stadtseniorenrat und Filder-Zeitung, in der Echterdinger Zehntscheuer. Die Antwort im gut gefüllten Saal lautete: sowohl als auch.

 

Obama präsentiere sich als innenpolitischer Präsident

Er wage die These, dass dieses harte Urteil der (weißen) Öffentlichkeit nicht gerechtfertigt sei, sagte Weißenborn. Gleichwohl trübe eine verbreitete Unzufriedenheit Obamas Bilanz. Denn Erfolge wie die überwundene Wirtschaftskrise oder der Rückgang der Arbeitslosenquote seien bislang nicht im Geldbeutel aller Menschen angekommen. „Die Ungleichheit wächst noch dramatischer als bei uns“, stellte der Experte fest, der selbst einige Zeit in den USA gelebt hat. Aus seiner Sicht präsentiert sich Obama als „innenpolitischer Präsident“, zu dessen historischen Verdiensten vor allem die Gesundheitspolitik, die Obama-Care, zähle. Aber auch das geplante Freihandelsabkommen mit elf Pazifik-Anrainerstaaten stehe auf der Haben-Seite, ebenso wie Atom-Verhandlungen mit dem Iran, die „überfällige Entspannung“ mit Kuba und das Ende zweier Kriege. Hinzu komme die Abschaffung der Folter.

Obama stecke im polarisierendem Politiksystem fest

„Die Schließung von Guantanamo allerdings hat Obama nicht hinbekommen“, sagte Weißenborn. Auf der Negativ-Seite schlage zudem zu Buche, dass keine wirkliche Strategie gegen den IS zu erkennen sei und innenpolitische Probleme wie Waffengesetz, Staatsverschuldung oder Rassenkonflikte der Lösung harrten. Angetreten sei der erste schwarze Präsident der USA als Politiker neuen Typs, der Überparteilichkeit versprochen habe und nun im polarisierenden Politiksystem feststecke. „Obama ist ein mitreißender Redner, der es aber nicht schafft, politische Überzeugungsarbeit zu leisten“, so die Einschätzung des Referenten. Und geradezu fatal sei sein Desinteresse an der Außenpolitik.

Ein starkes Amerika sei gut für die Welt

Das moralische Gewicht der Supermacht stellte ein Zuhörer klar in Abrede. Er sei enttäuscht, sagte der „ehemalige Obama-Fan“, sein Vertrauen in die „Weltherrschaft des Dollar“ sei gebrochen. Weißenborn zeigte Verständnis für die Skepsis, verortete Amerika und Deutschland in Bezug auf den Lebensstil aber im selben Boot. Zur Frage der mörderischen IS-Strategie, die nach den Worten eines Teilnehmers auch als Folge von Amerikas Politik gesehen werden müsse, sagte der Journalist, zweifellos sei der Krieg im Irak die Folge von Fehleinschätzung und Überreaktion gewesen. Nach seiner Meinung sollte Deutschland mehr Verantwortung übernehmen – und Obama eine entschiedenere Außenpolitik betreiben, denn: „Ein starkes Amerika ist gut für die Welt“.

Weitere Termine:

Der Pressestammtisch macht Ferien. Der nächste Termin in der Echterdinger Zehntscheuer, Maiergasse 8, ist am Dienstag, 8. September, 10 Uhr. Martin Haar, Redakteur der Stuttgarter Nachrichten, spricht über Sterbehilfe: Was dürfen Ärzte, und was sollten Sie dürfen?