Gleich zwei Mal tragen sie symbolisch ihre Privatsphäre zu Grabe. Vor dem Wilhelmsbau und am Schlossplatz halten die Demonstranten am Samstag anlässlich des Internationalen Tags der Privatsphäre inne und legen eine Schweigeminute ein.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Gleich zwei Mal tragen sie symbolisch ihre Privatsphäre zu Grabe. Vor dem Wilhelmsbau und am Schlossplatz halten die Demonstranten am Samstag anlässlich des Internationalen Tags der Privatsphäre inne und legen eine Schweigeminute ein. Zeitgleich finden in 25 anderen deutschen Städten ähnliche Aktionen statt: von Aachen bis Zwickau. In Stuttgart hatte die Gruppe Anonymous zum Prostest aufgerufen.

 

Nach Polizeiangaben ziehen rund 250 Demonstranten durch die Innenstadt: Eine bunt gemischte Gruppe aus Familien, Studenten, Senioren und Berufstätigen treiben die Enthüllungen über die Überwachungsprogramme Prism und Tempora des amerikanischen und des britischen Geheimdienstes sowie die Ablehnung von Vorratsdatenspeicherung und Kameraüberwachung auf die Straße.

„Stop watching us“, verlangen sie ein Ende der Überwachung. Immer wieder rufen sie „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Freiheit klaut“. Menschen, wie die Studentin Johanna aus Ulm, die „dieses Ausmaß an Überwachung“ nicht für vorstellbar gehalten hatte. Oder wie eine 45-jährige Frührentnerin, die mit ihrem Mann extra aus Horb für die Demonstration angereist ist, weil es sie „maßlos“ störe, dass ihre Grundrechte missachtet würden. „Eigentlich müssten wir viel mehr sein“, sagt sie. Aber selbst Freunde von ihr lasse das Thema kalt. „Sie sagen, wenn es der Sicherheit diene, sei es für sie in Ordnung“, berichtet die Frau, die anonym bleiben will.

Mehr Mitstreiter erhofft

Das Thema sei für die Menschen offenbar nicht so greifbar, meint der Fotograf Andreas Langen, der sich ebenfalls mehr Mitstreiter erhofft hätte. Ihn habe vor allem die Situation in Großbritannien erschüttert – dass dort die Zeitung Guardian vom Geheimdienst gezwungen wurde, Material zu vernichten, und es dennoch keinen öffentlichen Aufschrei gegeben hat.

Wenn der Veranstaltungsleiter Alfred Berger Sprüche wie „ich habe nichts zu verbergen“ hört, kann er nur den Kopf schütteln. Die Leute verschickten schließlich ihre Briefe im Umschlag und zögen nachts den Vorhang zu. „Das einzige, was uns gehört, ist unsere Privatsphäre“, sagt Berger.

Die Organisatoren haben sich im Vorfeld auch Kritik anhören müssen. Dass ausgerechnet über Facebook und über eine G-Mail-Adresse für den Aktionstag geworben wurde, hat nicht jedem aus der Szene gefallen. „Das war bewusst“, sagt ein Mitglied von Anonymous, der sich Pinki nennt. „Alle, die mitlesen, wissen, dass wir ablehnen, was sie machen“, erklärt er.