Mehr als 50 000 Wohnungen und fast alle ungenutzten Grundstücke des größten Staatskonzerns gehören inzwischen neuen Eigentümern. Die Einnahmen für den Bund sind viel geringer als erhofft.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Wohnungen und Grundstücke der früheren Bundesbahn und der DDR-Reichsbahn sind inzwischen fast vollständig privatisiert. Für rund 2,5 Milliarden Euro wurden 94,3 Prozent der Unterkünfte und 99,3 Prozent der Flächen seit 1994 verkauft. Das hat die Bundesregierung auf Anfrage der Linken im Bundestag bestätigt (BT-Drs. 19/431). Vize-Fraktionschefin Caren Lay kritisiert „einen beispiellosen Ausverkauf öffentlichen Eigentums“.

 

Insgesamt wurden bisher rund 50 000 ehemalige Bahn-Wohnungen privatisiert, in denen meist Mitarbeiter untergebracht waren. Der Erlös lag bei rund 1,16 Milliarden Euro. Allein 36 000 Unterkünfte verkaufte der Bund für 639 Millionen Euro schon 1997 im Paket an einen einzigen Investor. Außerdem wechselten 27,2 Millionen Quadratmeter ehemalige Bahn-Grundstücke für weitere rund zwei Milliarden Euro in privaten Besitz. In der neunseitigen Aufstellung hat die Regierung den Paketverkauf von 1997 aber nochmals aufgeführt, so dass sich die Summe der Gesamterlöse auf rund 2,5 Milliarden Euro reduziert.

Eisenbahnvermögen sei verschleudert worden – kritisiert die Links-Fraktion

Für die Opposition zeigt die Antwort der Regierung, dass Eisenbahnvermögen in großem Stil verschleudert worden sei. Nach Angaben der Links-Fraktion wurde das Immobilienpaket der Bahn damals auf umgerechnet 6,9 Milliarden Euro veranschlagt. Damit habe der Verkauf fast aller Immobilien bisher kaum mehr als ein Drittel des geschätzten Werts gebracht.

Die verkauften Wohnungen und Grundstücke wurden 1994 bei der Bahnreform ausgegliedert. Damals schlossen sich die westdeutsche Bundesbahn und die ehemalige DDR-Reichsbahn zusammen und wurden in eine Aktiengesellschaft in Bundesbesitz umgewandelt. Zahlreiche staatliche Aufgaben übernahm eine Behörde in Bonn, das Bundeseisenbahnvermögen (BEV). Dazu gehörten die Verwaltung von 29 000 Beamten, die Betreuung von 15 000 Versorgungsempfängern und nicht mehr betriebsnotwendige Anlagen.

In der Folgezeit wurden vor allem Tausende kleinerer Bahnhöfe zum Verkauf angeboten. Viele Immobilen waren in mangels Investitionen in schlechtem Zustand, besonders in Ostdeutschland. Die Deutsche Bahn schloss und umzäunte vielerorts die baufälligen Empfangsgebäude und errichtete stattdessen Haltepunkte an den Gleisen. Teils fanden Bahnhofsgebäude und benachbarte Flächen lange Zeit keinen Käufer, die Anlagen verwahrlosten – teils bis heute.

Die Bundesregierung hält die Verkäufe für unproblematisch

Das trug dem Staatskonzern viel Kritik ein, besonders von den Kommunen, deren einstige Visitenkarten zu Schandflecken wurden. Regional wurden nicht selten nach langem Hin und Her tragfähige Lösungen zur Modernisierung und Nutzung der ehemaligen Bahngebäude gefunden. Manche kleinere Station auf dem Land wurde von Liebhabern zu Wohnzwecken umgebaut, andere werden für Einzelhandel, Dienstleistungen und Gewerbe genutzt.

Auch in den letzten Jahren wechselten noch viele Bahnhofsgebäude in privaten Besitz, allein zwischen 2013 und 2017 weitere 425 Immobilien. In Baden-Württemberg wurden zum Beispiel 46 weitere Immobilien verkauft, in Rheinland-Pfalz 19, in Niedersachsen 21, in Sachsen 35 und in Brandenburg 51. Außerdem versilberte der Bund weitere Flächen meist entlang von Bahnstrecken, allein in Berlin rund 308 Hektar für insgesamt 361 Millionen Euro.

Die Bundesregierung hält die Verkäufe für unproblematisch. Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, Enak Ferlemann, betont, bei jeder einzelnen Fläche werde vor der Veräußerung geprüft, ob sie noch betriebsnotwendig sei. Erst danach werde öffentlich ausgeschrieben. Das gelte auch für die Bahnhofsgebäude. Die Entbehrlichkeit von Anlagen für den Bahnbetrieb werde vom Eisenbahnbundesamt geprüft.

Aktuell steht noch ein Restbestand von rund 3000 Wohnungen zum Verkauf

Für die Vermarktung der Immobilien ist die DB Immobilien zuständig. 2017 betrugen die Erlöse aus den Verkäufen den Angaben zufolge 130 Millionen Euro, im Jahr zuvor waren es demnach rund 90 Millionen. Aktuell steht bundesweit noch ein Restbestand von rund 3000 Wohnungen zum Verkauf, außerdem rund 340 Flurstücke mit insgesamt 180 000 Quadratmetern, die sich für Wohnbebauung eignen. Die Linksfraktion fordert, dass Unterkünfte und Fläche verbilligt an Kommunen oder gemeinnützige Träger abgegeben werden, besonders in Städten mit Wohnungsnot.