Nach drei Jahren beendet der Schulunternehmer Christian Engel das Projekt einer bilingualen Grundschule in Göppingen. Die Eltern müssen nun schnell eine Alternative finden. Doch wo sind die Lehrer hin?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen - Zwei Wochen vor Schulbeginn stehen 21 Grundschüler der Poligeniusschule in der Göppinger Freihofstraße plötzlich ohne Schule da. In einem am 31. August aufgesetzten Schreiben fordern die Schulleitung und der Chef des Schulträgers der Privatschule die Eltern auf, ihre Kinder zum neuen Schuljahr anderswo anzumelden. Mehrere verunsicherte Eltern wurden in den vergangenen Tagen bereits beim Göppinger Schulamt vorstellig. Auch dort war man von der Entwicklung überrascht, was allerdings auch daran lag, dass die zuständige Schulrätin, die offenbar per Email vom Schulträger verständigt worden war, sich noch im Urlaub befindet.

 

Poligenius geht, Progenius bleibt

Der Grund für die Schließung der erst drei Jahre alten Privatschule ist offenbar banal. „Ohne Lehrer gibt es keine Schule“, erklärte Christian Engel auf Anfrage. Der promovierte Betriebswirt und Unternehmer ist der Gründer und Geschäftsführer des gemeinnützigen Instituts für Berufsbildung (IFB) in Ulm, das unter dem Markennamen Progenius vor allem Berufsschulen im gesamten süddeutschen Raum betreibt. Auch in Göppingen ist Progenius vertreten und wird es auch bleiben.

Beim Grundschulableger Poligenius ist das anders. Kurz vor den Sommerferien habe sich herausgestellt, dass eine der beiden Grundschullehrerinnen am Standort ihren Zeitvertrag nicht verlängern würde. Nach dem Ferienbeginn habe dann auch noch die zweite Lehrkraft gekündigt, sagte Engel. „Eine kleine Schule trifft das besonders hart.“ Beide hätten Anstellungen bei staatlichen Schulen erhalten. Dort winke die Verbeamtung. „Das ist für Lehrer immer noch sehr wichtig“, so Engel.

Absage an die ABC-Schützen

Den angemeldeten künftigen Erstklässlern habe er daraufhin sofort abgesagt. „Ich bin ja nicht blauäugig.“ Für die 21 Zweit- bis Viertklässler habe er aber die Hoffnung gehabt, zwei neue Lehrer zu finden. Fieberhaft habe er nach Ersatz gesucht und sich für eine Lösung bis Ende August Zeit gegeben. Doch der Lehrermarkt habe sich radikal verändert. Offenbar sei durch die vielen Flüchtlingskinder der Lehrerbedarf beim Land stark gestiegen, vermutet Engel.

Vor einem Jahr hätte er jedenfalls „auch in den Ferien auf eine Anzeige noch 50 Bewerbungen erhalten“, ist er sicher. Nun sei es zwar noch zu zwei Vorstellungsgesprächen gekommen. Doch auch diese beiden Bewerber sagten schließlich ab, weil sie Zusagen vom Staat erhalten hatten. Zur Schließung der Schule habe es deshalb keine Alternative gegeben. Auch die Pläne für die Gründung eines Privatgymnasiums in Göppingen seien damit vom Tisch. Ob er die im nächsten Jahr geplante Eröffnung einer weiteren Grundschule in Schwäbisch Gmünd weiter verfolge, ließ Engel offen.

Kultusministerium sieht keinen Lehrermangel

„Die Situation ist sehr schwierig. Der Lehrermarkt ist absolut abgegrast“, bestätigte die Sprecherin des Oberschulamts in Stuttgart, Nadine Hilber, die Version des Privatschulunternehmers. An der Qualität und Zuverlässigkeit der Schule habe es nichts auszusetzen gegeben. Nach der dreijährigen Probezeit hätte die Schule nun mit der endgültigen Anerkennung rechnen können. Das hätte den Vorteil gehabt, dass bereits verbeamtete Lehrer an die Privatschule hätten wechseln können.

Im Kultusministerium ist man überrascht über den angeblichen Lehrermangel. „Ich habe noch nie gehört, dass eine Schule deshalb schließt“, sagte der Sprecher Michael Hermann. Zudem habe man auch in diesem Jahr im Bereich der Grund- und Werkrealschulen einen Bewerberüberschuss von 50 Prozent zu verzeichnen gehabt, sagte Hermann. Exakte Zahlen würden in der nächsten Woche bei der Landespressekonferenz vorgestellt.

Schulamt sucht nun freie Klassen

Auch das Göppinger Schulamt habe für seine offenen Stellen „bisher immer noch Bewerber gefunden“, betonte dessen stellvertretender Leiter Rainer Kollmer. Aus seiner Sicht hätte die Poligeniusschule durchaus Lehrer finden können. Seine Behörde steht nun vor der Aufgabe, die Schüler in den normalen Grundschulen unterzubringen. Allerdings stamme die Hälfte der Schüler aus dem Umland. „Dort wird man das gar nicht merken“, sagte Kollmer.

Bilingualer Unterricht für 130 Euro

Die Poligeniusschule sollte sich als überschaubare Bildungsstätte mit bilingualem Ansatz profilieren. Anders als an normalen Grundschulen gab es nicht nur zwei Stunden Englisch pro Woche, vielmehr wurde die Fremdsprache auch in anderen Fächern eingesetzt. Die Eltern zahlten dafür ein monatliches Schulgeld, das sich zuletzt auf etwa 130 Euro belief. Obwohl erst 2012 gegründet, erhielt die Schule staatliche Zuschüsse, weil der Träger schon mit anderen Schulen am Standort etabliert war.

Berufsschule
Der Träger, das Institut für Berufsbildung des Ulmer Betriebswirts Christian Engel, betreibt bereits seit einigen Jahren eine zweizügige Grundschule in Ulm. Außerdem ist das gemeinnützige Unternehmen in 13 Städten in Süddeutschland unter dem Markennamen Progenius im berufsbildenden Bereich tätig. Auch in Göppingen gibt es eine Berufsschule, ein Berufskolleg und ein Sozial- und Gesundheit swissenschaftliches Gymnasium mit 246 Schülern und 23 Lehrern.